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NFL Third and Long Week 12 Recap: Die Probleme der Eagles - die Cowboys vor einem großen Schritt

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne auf Week 12 in der NFL.
© getty

Was ist nur los mit der Offense der Philadelphia Eagles? Sind wirklich die fehlenden Wide Receiver das Hauptproblem? Außerdem: In Dallas bahnt sich ein großer Schritt an, Dak Prescott sieht aus wie der beste Quarterback seiner Draft-Klasse - und wer gewinnt die NFC? SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne auf den vergangenen Spieltag sowie ein Stück weit voraus.

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Die Probleme der Eagles-Offense

Die Philadelphia Eagles 2019 stehen für etwas, das man vor der Saison überhaupt nicht mit diesem Team in Verbindung gebracht hätte: Sie stehen für Mittelmaß.

Die Passing-Offense ging nach DVOA (Erklärung gibt's hier) auf Platz 17 in den Spieltag, die Pass-Defense auf Rang 12. Nach der Niederlage gegen Seattle stehen die Eagles bei fünf Siegen und sechs Niederlagen sowie einem Punktedifferenz von -4.

Alles in allem sehr viel Durchschnitt.

Doch während man insbesondere bei der Secondary und generell bei der Defense mit Skepsis in die Saison gehen musste, schien die Offense bestens aufgestellt, um dieses Team zu tragen: Eine potenzielle Top-5-O-Line, ein Top-10-Receiving-Corps, ein guter Play-Caller und Carson Wentz in seinem vierten Jahr, im Idealfall bereit für den nächsten Schritt.

Das letzte Saisondrittel läuft, und davon sehen wir bisher nicht viel. Doch warum? Müssen Eagles-Fans sich Sorgen machen? Sind es wirklich nur die Verletzungen? Wie steht es um Wentz' Entwicklung?

Für mich gibt es drei zentrale Elemente, die die Probleme in der Eagles-Defense erklären.

1. Speed kills - kein Speed killt die Offense

Woche 1 gegen Washington; das war das Spiel, in dem man einen Eindruck bekommen konnte, wie sich die Eagles diese Offense vorstellen. Nach einem zähen Start in die Partie konnte Philly einerseits mit langen Drives, andererseits aber auch mit Big Plays punkten: DeSean Jackson verzeichnete Touchdown-Carches über 51 und über 53 Yards.

Dieses Element fehlt der Offense komplett, und so absurd es auch klingt: Ein maßgeblicher Teil des Erfolgs der Eagles-Offense dieses Jahr hing von Anfang an von einem bald 33-jährigen Speedster ab. Nun ist Jackson nicht irgendein Deep Threat, vielmehr ist er vielleicht der beste Receiver in dieser Kategorie über die letzten zehn Jahre.

Trotzdem sollte eine Offense mit einem derartigen Personal nicht so einbrechen, wenn ein, wenngleich sehr guter, Big-Play-Receiver ausfällt. Allerdings war der Effekt von Jacksons Ausfall enorm. Nelson Agholor erhielt so doch wieder eine größere Rolle in der Offense - und Agholor ist einer der schlechtesten Starting-Receiver in der NFL dieses Jahr. Alshon Jeffery ist ein guter Contested-Catch-Receiver, aber nicht viel mehr. Und da die Offense sowieso maßgeblich über 2-Tight-End-Sets und darin vor allem das Kurzpassspiel kommt, ist auch hier keine vertikale Offense zu erwarten.

Kurzum: Ohne Jackson hat Philly eines der langsamsten Receiving-Corps in der gesamten Liga und die Eagles sind eines der ineffizientesten Downfield-Passing-Teams, was es umso überraschender machte, dass Philadelphia zur Trade Deadline nicht nochmal aufrüstete; Robby Anderson etwa aus New York zu holen wäre ein logischer Schritt gewesen, oder Buffalos Robert Foster als die günstigere Variante. Dachte man ernsthaft, dass im Notfall Agholor als Speed-Element reicht?

2. Play-Designs und Verletzungen

Die Eagles haben eines der besten Tight-End-Duos der NFL, und gleichzeitig eine der schlechteren Wide-Receiver-Gruppen - wenn Jeffery noch wie zuletzt ausfällt, gibt es wenige Teams, die ich hinter Philadelphia einordnen würde. Drops insbesondere in kritischen Situationen sind ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch diese Eagles-Saison zieht. Agholor alleine hat schon zwei potenzielle Game-Winner fallen gelassen, Arcega-Whiteside einen weiteren.

Neben Jackson und Jeffery plagen weitere kritische Ausfälle die Offense, gegen Seattle insbesondere in der Offensive Line. Doch hier muss man auch den Trainerstab dafür kritisieren, dass man Rookie-Tackle Andre Dillard auf die rechte Seite stellte, um den verletzten Lane Johnson zu vertreten. Dillard hat seit vielen Jahren nicht mehr Right Tackle gespielt, und so sah das dann auch aus: Er wirkte völlig verunsichert in seinen Bewegungen und wurde schließlich auch durch Halapoulivaati Vaitai ersetzt.

Und das geht nahtlos in einen übergreifenden Punkt über. Ja, die Umstände sind verletzungsbedingt schwierig - man kann aber trotzdem nicht sagen, dass Coach Doug Pederson und Co. das Bestmögliche aus den Umständen machen.

Die Offense wirkt sehr vereinfacht und eindimensional, zumindest was das Passspiel angeht. Slant/Flat-Kombinationen, Screens, Mesh, All-Curl-Konzepte - Philadelphias Offense besteht mittlerweile maßgeblich aus kurzen Route-Konzepten, ohne dass die Receiver individuell gewinnen würden. Was aber, je simpler die Offense wird, umso wichtiger ist.

Die Eagles haben scheinbar deutlich weniger komplexe Route-Kombinationen, die mal zu Big Plays führen. Selten hat man bei dieser Offense den Eindruck, dass das Scheme offene Spieler kreiert. Und in der Folge werden individuelle Defizite noch stärker herausgestellt.

3. Carson Wentz

Das führt zum großen Thema, und das ist natürlich Carson Wentz. Play-Calling kann angepasst, neue Receiver können verpflichtet werden - aber die Frage danach, ob Carson Wentz die langfristige Antwort auf der wichtigsten Position ist; das ist die Debatte mit den potenziell weitreichendsten Konsequenzen.

Vorweg schieben will ich dabei - weil sich das, was jetzt folgt sehr negativ anhören wird -, dass ich Wentz nach wie vor als langfristige Quarterback-Lösung und konstanten Top-15-Quarterback einschätze. Im Moment sehen wir allerdings auch einen Spieler, der zu viele Schwächen an den Tag legt, der es nicht schafft, die Offense zu tragen und dessen Probleme durch die spezifischen Schwachstellen in der Eagles-Offense noch maximiert werden.

Ein ganz offensichtlicher Punkt: Carson Wentz hält den Ball zu lange, und das nicht nur, weil Receiver nicht offen sind. Vielmehr scheint er seinen Reads häufig nicht zu vertrauen, und dann passiert das, was man auch gegen Seattle mehrfach beobachten konnte: Er lässt einen offenen Receiver zunächst ungenutzt, nur um dann den Ball zu spät doch zu werfen, häufig dann zusätzlich noch ungenau.

Generell scheint - und die Aussage kommt mit einem gewissen Maß an Spekulation - noch immer viel in der Offense über One- und Two-Read-Plays zu laufen, was wieder die Einfachheit und auch die Eindimensionalität der Offense unterstreichen würde. Alles in dieser Offense fühlt sich schwierig an, und wo gute Teams offene Yards und Yards nach dem Catch kreieren, werfen die Eagles Contested-Balls zu Jeffery und den Tight Ends.

Philadelphias Offense funktioniert nicht, und das auch was Play-Designs gerade für die Mid-Range (etwa acht bis 15 Yards) angeht.

Carson Wentz 2018 vs. 2019

JahrPassingCPOEaDOTYACQB-Hits
2018278/3964,7%7,8 YDS1.39210,6%
2019242/386-1,9%8,7 YDS1.00810,9%

Zahlen von airyards.com. "CPOE"=Completion Percentage over Expectation; aDOT = average Depth of Target; YAC = Yards nach dem Catch.

Was sagen uns diese - aufgrund von Wentz' Verletzung letztes Jahr in puncto Sample Size hervorragend vergleichbaren - Zahlen vor allem? Die Offense war in ihrem Ansatz letztes Jahr effizienter. Mehr Kurzpass, mehr Completions auch in schwierigen Situationen, mehr Yards nach dem Catch. Man könnte das auch unter dem Oberbegriff "mehr Rhythmus im Passspiel" zusammenfassen.

Wenn wir das um Wentz' 2017er Saison, in der ihn vor der Verletzung im Dezember viele als angehenden MVP sahen, erweitern, dann sticht noch einmal heraus, was für ein Ausreißer dieses Jahr war:

JahrPassingCPOEaDOTYACQB-Hits
2017265/440-2,5%9,9 YDS1.23012,3%

Wentz war 2017 unfassbar gut bei Third Down und extrem stark im vertikalen Passspiel - definitiv zwei der über die Jahre instabileren Aspekte von Quarterback-Play. Das ging aufkosten einer geringeren Completion-Quote, im Gegenzug aber gab es deutlich mehr Big Plays.

Wentz hatte 2017 über 150 Pässe weniger als in seiner Rookie-Saison im Jahr davor, und legte dabei aber fast genau so viele Air Yards (4.345 vs. 4.514) auf. Im Schnitt warf er den Ball fast 2,5 Yards tiefer, ein immenser Sprung!

Die Eagles-Offense 2019: Kein Rhythmus - auch wegen Wentz

Orientieren sollten wir uns also mit Blick auf Wentz, aber auch auf die gesamte Eagles-Offense, am ehesten an der 2018er Saison. Hier war Philly im Underneath- und Mid-Range-Passspiel effizienter, das Play-Action-Passspiel war gefährlicher und vertikaler und die Offense kam auch über das Scheme zu Yards nach dem Catch. Kurzum: Der Rhythmus der Offense war viel konstanter.

Dass dem 2019 nicht so ist, liegt fraglos auch an den Umständen - doch hier muss man ganz klar Wentz ebenfalls in die Verantwortung ziehen. Allein das Seahawks-Tape zeigt das: Er verfehlte einen Pass über fünf Meter zu Miles Sanders deutlich, er verfehlte einen Screen zu Sanders, eine Out-Route zu Ertz, eine In-Breaking-Route zu Ertz bei Third Down, die beinahe in einer Interception geendet hätte, einen Mesh-Pass zu Arcega-Whiteside, und noch mehrere weitere.

Das alles sind Pässe, die Wentz eigentlich problemlos anbringen muss, die er im Moment aber nicht trifft.

Wentz traf auch gegen Seattle - das soll nicht unerwähnt bleiben - mehrere engste Fenster und hatte einige spektakuläre Pässe mit dabei. Doch im Moment ist überdeutlich, dass er eine wacklige Offense nicht tragen kann.

Vielleicht der größte Kritikpunkt bei Wentz, und dieses Argument funktioniert unabhängig von allen Wide-Receiver-Problemen, ist das Pocket-Verhalten. Wentz ist sehr inkonstant in der Pocket, teilweise scheint er überhaupt kein Gefühl für den Pass-Rush zu haben, teilweise wird seine Beinarbeit auffällig faul, teilweise steht er einfach wie eine Statue da. Und das spielt wieder in die übergreifende Beobachtung, dass der Offense ein Rhythmus fehlt, rein.

Die Eagles wollen (respektive müssen?) aktuell eine Präzisions-Kurzpass-Offense sein - "verlorene" Downs durch schlechtes Pocket-Verhalten, inkonstante Accuracy oder zu zögerliches Treffen von Entscheidungen ist dabei ein absoluter Killer. Man hat schlicht zu häufig nicht die Explosivität, um die so verlorenen Yards wieder aufzuholen. Anders gesagt: Wentz ist deutlich zu ineffizient, in einer Offense, die von ihm maximale Effizienz und konstantes "On-Script-Play" verlangt.

Fazit: Die Schrauben liegen auf der Hand

Es gehen also viele Aspekte Hand in Hand. Die Kader-Zusammenstellung und das Self-Scouting auf der Wide-Receiver-Position muss genauso kritisiert werden wie Doug Pedersons Play-Designs, der individuelle Rückschritt einiger Spieler, allen voran der von Agholor, und auch die Leistungen von Carson Wentz, insbesondere über die bisherige zweite Saisonhälfte.

Die gute Nachricht für Eagles-Fans: Es ist ziemlich offensichtlich, woran die Eagles arbeiten müssen.

  • Philadelphia muss, individuell sowie über das Play-Calling, wieder mehr explosive Elemente in diese Offense bekommen. Das sind zumindest teilweise Dinge, die sich über den Draft und die Free Agency einigermaßen simpel adressieren lassen.
  • Das Play-Action-Passspiel sollte wieder eine größere und eine vertikalere Rolle einnehmen. Das ist ohnehin eine 12-Personnel-Offense, die im Passspiel viel aus möglichen Run-Looks und Run-Formationen macht - warum das also nicht noch effizienter einsetzen? Hier könnte Philadelphia auch dieses Jahr kurzfristig Verbesserungen herbeiführen: Viel zu viel im Play-Action-Passspiel der Eagles ist dann doch Underneath, statt hier Big Plays hinzubekommen.
  • Das wiederum geht direkt über in die Rolle von Carson Wentz. Teilweise liegt es fraglos an den Receivern und an den Ausfällen in der Offensive Line, und doch könnte - nicht zuletzt durch das gerade angesprochene Play-Action-Element - auch unter diesen Umständen im Play-Calling mehr Aggressivität Einzug erhalten. Was natürlich die Frage aufwirft: Verstecken die Eagles Wentz gerade? Und wenn ja: warum? Zumindest teilweise bekommt man diesen Eindruck.
  • Wentz' eigene Entwicklung mit den hier diskutierten Problemzonen natürlich ist ein ganz zentraler Punkt, und das ist dann einfach Coaching, das greifen muss.

Viele Faktoren spielen in die offensive Krise der Eagles mit rein. Pederson muss man für meinen Geschmack klar in die Kritik stellen, einfach weil seine Designs der Offense aktuell nicht die Hilfe bieten, die sie dringend brauchen würde.

Doch nachdem ich Wentz über die ersten Wochen der Saison mit weitem Abstand als das geringste Problem der Eagles-Offense gesehen hatte, hat sich diese Meinung geändert. Wentz ist inzwischen Teil des Problems, und aus Eagles-Sicht muss man hoffen, dass seine aktuell sichtbaren Schwächen korrigiert werden. Denn ideale Umstände, von denen Philly angesichts der Receiver-Situation natürlich ein gutes Stück entfernt ist, gibt es in der NFL nur selten.

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