Super Bowl LVIII in Las Vegas
AFC-Champion | NFC-Champion | Ergebnis |
Kansas City Chiefs | San Francisco 49ers | 25:22 OT |
Super Bowl, Verlierer: San Francisco 49ers
Eins vorweg: Sehr viel kann man den San Francisco 49ers nicht vorwerfen, was das Spiel angeht. Natürlich lief es nicht alles perfekt, aber knapper als in Overtime kann man nicht verlieren - und auf der Gegenseite stand immerhin die neueste Dynasty der NFL mit dem besten Quarterback, den der American Football je gesehen hat.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Niederlage weniger schmerzt. So knapp war es, dass ein Play hier und da schon die Wende hätte bringen können - das sorgt für schlaflose Nächte. Und für eine Menge Narbengewebe, schließlich ist es die zweite Super-Bowl-Pleite in den letzten fünf Jahren. "Wir waren so oft schon so nahe dran, man bekommt nicht unendlich viele Möglichkeiten", sagte ein niedergeschlagener Pass Rusher Nick Bosa.
Nun droht der "Super-Bowl-Fluch": Bekanntlich wird der Verlierer des Endspiels in der kommenden Saison oft durchgereicht. Auf die gespielten Snaps umgerechnet gehörten die Niners zu den ältesten Teams der Liga und hatten vergleichsweise wenig Verletzungspech - das kann nächstes Jahr ganz anders aussehen. Immerhin: Die Konkurrenz in der NFC mutet etwas leichter an und Quarterback Brock Purdy bleibt erst einmal unverschämt billig. Aber die Uhr tickt ...
Super Bowl, Erkenntnis: Die NFL hat eine neue Dynasty
Was im US-Sport denn nun wirklich eine "Dynasty" darstellt, ist nicht genau definiert. Klar ist jedoch: Zwei Titel reichen nicht. Drei Titel innerhalb von fünf Jahren jedoch schon, vor allem bei zwei Titeln in Folge. "Ich kann nicht entscheiden, was eine Dynastie ist. Das macht ihr", sagte Andy Reid auf seiner Pressekonferenz am Montag. "Wenn uns jemand so bezeichnet, wäre ich darauf sehr stolz."
Die letzte Dynasty stellten die New England Patriots dar: Zunächst gab es von 2001 bis 204 drei Titel in vier Jahren, dann von 2014 bis 2018 noch einmal drei in fünf Jahren. Was den Pats um Tom Brady aber nicht gelang: der sagenumwobene "Three-Peat", also drei Titel in Folge. Das gab es in der NFL nämlich noch nie. "Das wäre legendär", betonte Patrick Mahomes.
Auch an ihm wird es liegen, die Chiefs in den nächsten Jahren weiter auf Titelkurs zu halten, aber einen besseren Quarterback dafür kann man sich nicht wünschen. Mit gerade mal 28 hat er noch viele Jahre auf höchstem Niveau vor sich, und auf die gespielten Snaps gesehen war die Chiefs-Defense in der abgelaufenen Saison die jüngste der kompletten Liga. Wenn Mahomes ein, zwei neue Wide Receiver bekommt, gibt es keinen Grund, warum die Chiefs in der nächsten Saison nicht noch besser sein sollten.
Gegen ein Team ohne Tom Brady hat Mahomes in seiner Karriere nur ein einziges Playoff-Spiel verloren - und der spielt bekanntlich nicht mehr.
Super Bowl, Verlierer: Niners-Head-Coach Kyle Shanahan
Bei der Overtime-Niederlage der Atlanta Falcons gegen die New England Patriots (28:34) vor sieben Jahren konnte man dem damaligen Offensive Coordinator Shanahan noch vorwerfen, sich durch seine zu aggressive Herangehensweise vercoacht zu haben. Diesmal lieferte er der 44-Jährige einen soliden Gameplan ab. Kompliment für die Entscheidung, zu Beginn des Schlussviertels den vierten Versuch an der gegnerischen 15-Yard-Linie auszuspielen: Das brachte seinem Team die Führung statt nur den Ausgleich.
Die Kritik nach dem Spiel konzentrierte sich zum Teil darauf, trotz der neuen Overtime-Regeln (siehe unten) zu Beginn der Verlängerung den Ball genommen zu haben - so bekamen die Chiefs die Chance, nur zu reagieren und im Zweifelsfall einen Fourth Down auszuspielen. "Ich werde Kyle niemals kritisieren, er ist brillant", sagte Chiefs-Coach Andy Reid - aber er hätte sich gegen den Ball entschieden, hätte sein Team den Münzwurf gewonnen: "Wir haben es studiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass das wichtig ist."
Ob man nun mit Shanahan übereinstimmt oder nicht: In einer Hinsicht versagten er und sein Coaching Staff auf ganzer Linie. "Ich wusste gar nicht, dass die Playoff-Regeln in Overtime andere sind", sagte Niners-Fullback Kyle Juszczyk. "Wir hatten nicht darüber gesprochen." Erik Armstead erklärte, er habe es erst von der Videoleinwand erfahren: "Oh, selbst wenn wir punkten, bekommen sie noch eine Chance."
Man vergleiche das mit den Aussagen der Chiefs-Spieler: "Zwei Wochen habe man über die neuen Overtime-Regeln gesprochen", betonte Lineman Chris Jones. Laut Safety Justin Reid sei das Regelwerk schon im Training Camp Thema gewesen. Und auch der Plan war allseits bekannt: Sollten die 49ers im ersten Drive der Overtime einen Touchdown erzielen, werde man im Gegenzug bei eigenem Touchdown eine Two-Point-Conversion versuchen, um das Spiel zu gewinnen.
So sieht gutes Coaching aus. Die Chiefs waren gut vorbereitet - und gute Vorbereitung bringt Sicherheit und Selbstbewusstsein. Die Niners waren auf eine mögliche Overtime im Super Bowl (!) dagegen so schlecht vorbereitet worden, dass sie nicht einmal die Regeln kannten. Das ist ein Offenbarungseid.
Super Bowl, Gewinner: Die neue Overtime-Regel
Also sprechen wir über das neue Regelwerk in der Verlängerung. Ein Touchdown im ersten Drive reicht nun nicht mehr zum Sieg, weil das zweite Team nun auch danach den Ball bekommt. Steht es nach je einem Drive beider Teams immer noch unentschieden, entscheiden die nächsten Punkte.
Der Vorteil des zweiten Angriffsrechts, der für die Chiefs überwog: Man weiß, wie der Gegner in seinem ersten Drive abgeschnitten hat und kann entsprechendes Risiko gehen. Ein nicht unerheblicher Wissensvorsprung. Grundsätzlich dürfte der Gedankengang von Reid und Co. in etwa so ausgesehen haben:
- 49ers punten im ersten Drive: Klarer Vorteil für uns, ein Field Goal reicht zum Sieg
- 49ers kicken ein Field Goal: Wir müssen bis in Field-Goal-Reichweite kommen, dafür haben wir vier Versuche. Danach kicken wir mindestens den Ausgleich - aber es kann auch zum Touchdown reichen
- 49ers erzielen einen Touchdown: Wir brauchen einen Touchdown und haben dafür immer vier Downs. Um danach nicht durch ein Field Goal zu verlieren, werden wir die Two-Point-Conversion ausspielen
Das heißt aber nicht, dass es automatisch die bessere Wahl ist, auf den Ball zu verzichten. Wird in den ersten beiden Drives zweimal gepuntet, hat das Team mit dem ersten Ballbesitz einen enormen Vorteil. Gleiches gilt bei zwei Field Goals oder Touchdowns. Shanahan setzte darauf, dass dieser Vorteil zum Tragen kommen würde, eine nicht unrealistische Hoffnung.
Das Spannende: Erfahrungswerte gibt es mit dieser Overtime-Regel noch nicht, am Sonntag sah sie die Football-Welt zum ersten Mal im Einsatz. Simulationen sehen die Siegchancen beider Teams bei in etwa 50/50. Womöglich wird sich in einigen Jahren herausstellen, dass eine der beiden Varianten doch einen signifikanten Vorteil bietet, etwa wenn sich die Liga immer weiter in Richtung Offense entwickelt und fast immer Touchdowns erzielt werden. Oder wenn sich die Erfolgsquote bei ausgespielten vierten Versuchen (aktuell etwa 50/50) drastisch wandelt.
Bis dahin ist die Regel aber schon jetzt ein voller Erfolg - auch wenn sie eigentlich gar nicht zum Einsatz kam, schließlich erzielten die Niners keinen TD im ersten Drive. Nicht deshalb, weil sie perfekt ist. Aber sie ist ein riesiger Schritt weg von der grässlichen alten Overtime-Regel, die einfach nur unfair war. Leider hilft das den Falcons auch nicht mehr ...
Super Bowl, Szene des Tages: Travis Kelce vs. Andy Reid
Kansas Citys Tight End Travis Kelce war in der ersten Halbzeit nahezu komplett abgemeldet. Einen Pass fing er für ein Yard Raumgewinn, danach flog kein Ball mehr in seine Richtung - und als Running Back Isiah Pacheco kurz vor der gegnerischen Endzone fumbelte, war er nicht einmal auf dem Feld.
Völlig erbost ging er deshalb in der Hitze des Gefechts auf Head Coach Andy Reid los, schubste diesen seitlich und schrie ihm ins Gesicht - Teamkollege Jerick McKinnon musste ihn wegzerren, um die Szene zu entschärfen.
Unverzeihlich, den eigenen Coach so zu attackieren? Das könnten sich sicherlich nicht alle Spieler erlauben. Aber Reid und Kelce wissen, was sie aneinander haben, und so hatten sie sich nach Spielende wieder lieb. "Er hat mich überrascht", erklärte Reid: "Ich habe nicht hingeschaut, da kam er und sagte: 'Bring mich ins Spiel, ich werde punkten.' Das ist alles." Kelce sei nicht egoistisch, er wolle einfach nur dem Team helfen.
Kelce wiederum wollte nicht wiederholen, was er seinem Coach in der Szene an den Kopf geworfen hatte. "Ich wollte einfach ... einen anderen Punktestand." Na wenn's weiter nichts ist!
Super Bowl, Play des Tages: "Corn Dog"
Es ist natürlich der entscheidende Touchdown zum Sieg. Drei Yards von Patrick Mahomes auf Mecole Hardman, der in der Endzone nach eigener Aussage kurz das Bewusstsein verlor und nicht wusste, wie ihm gerade geschehen war.
Der Clou: Dieses Play, von Coach Andy Reid "Corn Dog" getauft, hatte schon im Super Bowl vor einem Jahr gegen die Eagles zum Touchdown geführt.Der Outside Receiver täuscht in die Mitte an, zieht dann wieder hart nach außen, der Tight End neben ihm sorgt für Verwirrung und bringt ihm so die entscheidende Lücke.
Ein Würstchen im frittierten Backteigmantel als Schlüssel für den Super Bowl - das geht eben auch nur mit Andy Reid: "Es gibt nichts Besseres als einen guten Corn Dog mit Senf und Ketchup."
Super Bowl, Gewinner: Die NFL
Commissioner Roger Goodell wird sich die Hände reiben: Der Traum von neuen Rekord-Einschaltquoten dank zweier Traditionsteams im Endspiel - und natürlich Taylor Swift - bewahrheitete sich. Im Schnitt schalteten 123,4 Millionen Zuschauer in den USA ein, damit wurde der Rekord von Super Bowl 50 (112, 34 Mio. Zuschauer) pulverisiert.
Swift dürfte der Liga einige neue Fans gebracht haben, selbst wenn die Liaison mit Travis Kelce nicht ewig halten sollte. Und der Sieg der Chiefs hilft ebenfalls: Dynastys mögen nicht überall beliebt sein, aber sie sorgen seit jeher für viel Interesse und gute Quoten.
Super Bowl, Gewinner: Travis und Jason Kelce
Den Ausraster von Travis Kelce haben wir oben bereits behandelt. Seine sportliche Leistung soll hier aber nicht unerwähnt bleiben. Nach nur einem Yard in Halbzeit eins legte er in Halbzeit zwei und Overtime richtig los und fing weitere 8 Bälle für 92 Yards. Nur Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit sorgte er zudem mit einem 22-Yard-Catch für das kurze Field Goal von Harrison Butker - und erreichte dabei mit dem Ball laut "Next Gen Stats" eine Höchstgeschwindigkeit von 31,67 km/h. So schnell war er in den vergangenen sieben Jahren nicht mehr unterwegs gewesen.
Sein älterer Bruder in der Loge? Der ging diesmal nicht mit freiem Oberkörper zu Werke wie vor einigen Wochen, hatte mit einer extravaganten Latzhose aber vorgesorgt. PS: Bei seiner angeblichen "Hangover-Hommage" vor Spielbeginn handelt es sich um einen Fake.
Super Bowl: Weitere Gewinner
- Special Teams: Spielen natürlich immer die dritte Geige hinter Offense und Defense, aber wie spielentscheidend sie sein können, zeigte der Sonntag: Zunächst wechselten sich die Kicker Jake Moody und Harrison Butker mit Field-Goal-Rekorden ab (erst aus 55, dann 57 Yards), dann ließ der Punt-Return-Turnover der 49ers das Spiel kippen - und der geblockte Extrapunkt von Chiefs-Linebacker Leo Chenal brachte dessen Team überhaupt erst in die Verlängerung.
- Steve Spagnuolo: Der Defensive Coordinator der Chiefs fand mit zunehmender Spieldauer ein Mittel gegen die explosive Niners-Offense: Christian McCaffrey fand in Halbzeit zwei als Running Back kaum noch statt, zudem fand "Spags" mit seinen Blitz-Packages immer wieder den Weg zu Brock Purdy. Neunmal kam so ein Pass Rusher ungeblockt zu diesem durch - Saisonrekord für K.C.
- Brock Purdy: Am unerfahrenen Quarterback der 49rs lässt sich die Niederlage nicht aufhängen. Er machte zwar kein überragendes Spiel, aber gegen eine bärenstarke Defense ein durchaus solides, blieb ohne Turnover und orchestrierte in der Schlussphase mehrere lange Drives. Purdy muss gerade in seinen zweiten und dritten Reads noch besser werden, wenn der gewünschte Pass nicht sofort da ist. Es gibt aber keinen Grund, warum San Francisco mit ihm nicht langfristig erfolgreich sein sollte. Hätte seine O-Line hier bloß richtig geblockt ...
- Jauan Jennings: Warf den zweiten Touchdown-Pass eines Wide Receivers in einem Super Bowl, fing dann später auch noch einen. Hätte Butker sein Field Goal zum Ausgleich Sekunden vor dem Ende verschossen, Jennings wäre wohl zum Super-Bowl-MVP gewählt worden. Übrigens: Den gleichen Touchdown hatte er auch schon auf dem College geworfen!
Super Bowl: Weitere Verlierer
- Kick Returns: Die NFL muss sich etwas Neues einfallen lassen - oder den Kick-Off einfach abschaffen. Moody und Butker kickten den Ball insgesamt 13-mal von der eigenen 35-Yard-Linie, jedes Mal segelte der Ball hinten in oder durch die Endzone. Kein einziger Kick-Off wurde zurückgetragen. So ist das einfach nur verschwendete Zeit.
- Christian McCaffrey: Der Running Back der 49ers war zwar der erste Spieler im Super Bowl, der jeweils 80 Yards Rushing und Receiving verzeichnen konnte und schrieb so Geschichte, doch sein Fumble im Opening Drive war ein richtiger Nackenschlag für San Francisco. Bis dahin hatte die Defense der Chiefs keinen Stich gemacht, alles sah nach einer 7:0-Führung aus. "Im ersten Drive darf ich den Ball einfach nicht verlieren", sagte er niedergeschlagen. "Da müssen wir punkten, so einfach ist das.
- Steve Wilks: Wo Spagnuolo die richtigen Knöpfe drückte, hatte der Defensive Coordinator der 49ers einfach keine Antworten auf Mahomes. Als der Pass Rush der Niners müde wurde (46,4 Prozent Pressure Rate ohne Blitz in den ersten drei Vierteln, nur 19 Prozent im Schlussviertel und Overtime), schickte Wilks den Blitz. Insgesamt fünfmal in Halbzeit zwei, viermal bei Third Down. Ergebnis: Mahomes brachte alle fünf Pässe erfolgreich an.
NFL: Die letzten fünf Super-Bowl-Sieger
Saison | Sieger | Verlierer | Ergebnis |
2023 | Kansas City Chiefs | San Francisco 49ers | 25:22 OT |
2022 | Kansas City Chiefs | Philadelphia Eagles | 38:35 |
2021 | Los Angeles Rams | Cincinnati Bengals | 23:20 |
2020 | Tampa Bay Buccaneers | Kansas City Chiefs | 31:9 |
2019 | Kansas City Chiefs | San Francisco 49ers | 31:20 |