SPOX/Tennisnet: Sie waren außerdem als Lebemann verschrien, der sich gerne mal ein Bierchen und ein paar Zigaretten gönnte. Nervt Sie dieses Image eigentlich?
Braasch: Ich habe mich nie über mein Image beschwert. Ich habe Zeit meines Lebens geraucht und das auch nie versteckt. Ich war nur ein bisschen unglücklich darüber, dass das sehr häufig erwähnt wurde in den Medien. Man muss das nicht so breittreten, das ist meine Privatsache. Wir wissen alle, dass Rauchen schlecht ist. Mein Gedanke war immer: Vielleicht bin ich für den einen oder anderen jungen Tennisspieler ein Vorbild. Was sollen Eltern diesen Kindern erzählen, wenn sie mit dem Rauchen anfangen. Dann heißt es: 'Das macht der Karsten doch auch.' Diese Vorstellung gefiel mir nie. Und das mit dem Biertrinken wurde häufig übertrieben dargestellt.
SPOX/Tennisnet: Inwiefern?
Braasch: Wenn ich zum Abendessen mal zwei oder drei Bier getrunken habe, weil es mir einfach geschmeckt hat, dann war das doch in Ordnung. Das hat aber manchmal ganz merkwürdige Ausmaße in den Medien angenommen. Ich erinnere mich noch an eine Geschichte einer Hamburger Boulevardzeitung 1994. Ich hatte in Hamburg Lendl geschlagen, bekam dann aber von Yevgeny Kafelnikov so richtig den Arsch versohlt. In der Zeitung stand am nächsten Tag, dass das ja nicht anders zu erwarten gewesen sei, weil Karsten Braasch natürlich wieder als letzter die Spieler-Party verlassen hätte. Aber ich sage Ihnen mal was: Ich bin gar nicht auf der Party gewesen. Ich habe mir einen Redakteur dieser Zeitung zur Brust genommen. Aber was erst einmal verbreitet wurde, wirst du kaum wieder los.
SPOX/Tennisnet: Nicht nur die Medien, auch mancher Kollege von Ihnen hat zu diesem Image beigetragen. Thomas Muster erzählte einmal in einem Interview, dass Sie während eines Matches bei den Australian Open den Schiedsrichter gefragt hätten, ob man hier rauchen dürfe. Als dieser verneinte, seien Sie zum Qualmen auf die Toilette gegangen.
Braasch: Die Geschichte stimmt nicht. Das Ganze spielte sich bereits eine Woche vorher in Sydney ab und war wie folgt: Ich fragte den Supervisor, ob ich theoretisch während eines Matches Pause machen darf, um eine zu rauchen. Ob das überhaupt ginge. Er hat dann im Regelbuch gesucht und gesagt, dass das nicht erlaubt sei. Während er im Regelbuch blätterte, kamen einige Leute vorbei und bekamen mit, worum es geht. Dann machte die Geschichte die Runde und es wurde erzählt, dass ich es gemacht hätte. Dabei fragte ich nur, ob man denn rauchen dürfte.
SPOX/Tennisnet: Mit der legendären Geschichte um ihre Duelle mit Serena und Venus Williams in Melbourne 1998 ist es ähnlich. Die Story, als Sie im Geschlechterkampf zunächst Serena mit 6:1 und dann Venus mit 6:2 geschlagen haben, gibt es in den verschiedensten Varianten. Also: Wie kam es wirklich zu diesem Auftritt?
Braasch: Angefangen hat es damit, dass Serena und Venus nachgefragt haben, ob es eine Regel gebe, wonach Frauen nicht auf der Herren-Tour mitspielen dürfen. Diese Regel gab es nicht. Als ich einen oder zwei Tage später im ATP-Büro war, kamen beide wieder und meinten, sie hätten jemanden gesehen, den sie schlagen könnten. Sie hatten allerdings keine Ahnung, wen sie gesehen hatten. Also studierten die beiden den Media Guide und suchten nach dem Spieler. Sie fanden ihn aber zunächst nicht.
SPOX/Tennisnet: Was geschah dann?
Braasch: Irgendwann wurden Serena und Venus gefragt, was sie glauben, ab welcher Ranglistenposition sie einen Profi bezwingen würden. Sie antworteten: Ab der Nummer 200. Ich war damals die 203 der Welt und meinte, dass wir das gerne ausprobieren können. Ich hatte ohnehin nichts mehr zu tun und flog erst in der nächsten Woche weiter in die USA.
SPOX/Tennisnet: Haben die beiden die Herausforderung sofort angenommen?
Braasch: Venus und Serena sind erstmal gar nicht darauf eingegangen. In der Zwischenzeit hatten sie den Spieler gefunden, es handelte sich um Francisco Clavet, der damals im Achtelfinale stand. Da wäre ich beinahe vor Lachen am Boden zusammengebrochen. Gegen den hätten die Williams-Schwestern vermutlich keinen Punkt gewonnen, weil der so gut wie keinen Fehler machte und sich sehr gut bewegte.
SPOX/Tennisnet: Wie ging es weiter?
Braasch: Venus und Serena gingen wieder und die von der ATP fragten mich, ob ich das wirklich machen würde. Ich sagte zu. Die ATP ging schließlich auf die WTA zu, die ging zu den Williams-Schwestern und dann sagten auch die zu.
SPOX/Tennisnet: Das Match stieg schließlich an einem Dienstag - ein Satz gegen Serena, einer gegen Venus.
Braasch: Und medientechnisch war ganz schön was los, weil Serena und Venus nach ihrem Doppel in der Pressekonferenz meinten: 'Das war heute einfach, aber morgen kommt ein hartes Match.' Da bohrten die Journalisten natürlich nach und Serena verriet, dass sie gegen einen Mann antreten werde. Sie hatte übrigens keine Ahnung, wer ich bin und konnte nicht mal meinen Namen nennen. Schließlich waren beim Match auf Platz 17 nahezu alle Presseleute dabei, die überhaupt beim Turnier anwesend waren.
SPOX/Tennisnet: Haben Sie mal dran gedacht, was los gewesen wäre, wenn Sie verloren hätten?
Braasch: Nein. Mir war völlig klar, dass ich nicht verlieren kann. Im Endeffekt habe ich mich dann auch noch - ich weiß, das klingt böse - zurückgehalten. Ich setzte meinen ersten Aufschlag überhaupt nicht ein, sondern spielte den Ball einfach nur rein.
SPOX/Tennisnet: Waren die Williams-Sisters nach dem Match nicht beleidigt?
Braasch: Beleidigt waren sie nicht, sie haben es relativ sportlich genommen. Ein paar Monate später traf ich Venus bei den French Open wieder. Ich sah sie schon aus einiger Entfernung auf mich zukommen und merkte, dass sie versucht hat, mich nicht zu sehen. Sie schaute bewusst an mir vorbei. Ich grinste nur und schaute ihr noch einige Meter hinterher. Plötzlich drehte sie sich um und sagte: 'Karsten. Das, was in Australien stattgefunden hat, ist nie passiert.'
SPOX/Tennisnet: Wie haben die männlichen Kollegen auf Ihren Triumph reagiert?
Braasch: Verrückt war, dass das australische Fernsehen während einer Pause auf dem Center Court live zu unserem Match geschaltet hat. So konnten einige Spieler die Partie von ihrem Hotelzimmer aus verfolgen - auch Sampras. Er kam später auf mich zu und meinte nur: 'Gut gemacht, Junge.'
SPOX/Tennisnet: Ihr Bekanntheitsgrad ist durch diesen Auftritt nach oben geschossen, oder?
Braasch: Definitiv. Diese Geschichte ist mit meinem Namen verbunden und war weltweit ein Thema. Es würde mich nicht wundern, wenn die Geschichte im nächsten Jahr bei den Australian Open noch einmal ausgegraben wird. Dann feiern wir nämlich 20-jähriges Jubiläum. (lacht)