Es ist eigentlich die Zeit des Jahres, die Boris Becker am meisten liebt. Wimbledon steht vor der Tür. Es grünt so grün - auch im südwestlichen Stadtteil von London, genannt SW 19, in dem seit einer gefühlten Ewigkeit Beckers Wohnzimmer und Domizil liegt.
Allerdings ziehen sich an Beckers ganz persönlichem Horizont dunkle Wolken zusammen. Bankrott oder nicht? Diese Frage passt so gar nichts ins sommerliche Idyll an der Church Road, wird aber öffentlich gestellt, nachdem ein englisches Konkursgericht den 49-Jährigen am Mittwoch für zahlungsunfähig erklärt hat.
Vor ein paar Tagen schien die Welt des ehemaligen Tennisstars, der zuletzt als Eurosport-Experte bei den French Open und Australian Open die Zuschauer mit viel Fachwissen und launigen Anekdoten von einst und jetzt glänzend unterhielt, noch in bester Ordnung. Becker begleitete seinen jüngsten Sohn Amadeus zum "Sports Day" und hielt die schmalen Schultern des Siebenjährigen fest umklammert, als dieser stolz seine Sieger-Urkunde präsentierte.
Becker kämpft
Seit Mittwoch allerdings haben die Sorgen Becker fest im Griff - die Vorfreude auf den üblichen Kommentatorenjob bei der BBC während "seines" Wimbledonturniers (ab 3. Juli) dürfte empfindlich gedämpft sein. "Man hat den Eindruck eines Mannes, der den Kopf in den Sand steckt", sagte Richterin Christine Derrett bei der Urteilsverkündung und erklärte, es gebe keine glaubwürdigen Beweise, dass Becker die seit 2015 bestehenden "substanziellen" Schulden in Millionenhöhe zeitnah begleichen könne.
Doch Becker gibt sich inmitten der bedrohlichen Schlagzeilen kämpferisch. "Ich bin seit 32 Jahren in diesem Spiel und habe vor, es noch länger zu bleiben", twitterte er: "Wie heißt es so schön: Du bist in Gottes Hand, wenn du auf hoher See bist - oder vor einem Gericht stehst...aber das Leben geht weiter."
"Nie damit gerechnet"
Niki Pilic indes ist geschockt. "Natürlich hat ihn sein Privatleben sehr viel gekostet. Aber ich hätte nie damit gerechnet, dass eine Richterin sagt: 'Sorry, aber Sie sind bankrott!'", sagte der ehemalige Davis-Cup-Teamchef Pilic dem Münchner Merkur über Becker.
Laut Pilic habe sein ehemaliger Schützling "halt immer" auf hohem Niveau gelebt. "Ristorante hier, Ristorante da - man verdient so viel und denkt, dass es gar nicht möglich ist, pleite zu gehen." Und dann sehe man: "Es ist doch möglich."
Knapp 25,1 Millionen Dollar Preisgeld hat der ewige Leimener in seiner Profikarriere verdient. Locker das Doppelte dürfte dank Sponsorenverträgen noch dazu gekommen sein. Immer wieder musste sich Becker aber auch gegen den Ruf wehren, ein lausiger Geschäftsmann zu sein. Seine drei Mercedes-Autohäuser hat er verkauft, ein Online-Portal ging pleite.
Becker hat außerdem durch seine Patchwork-Familie erhebliche finanzielle Verpflichtungen. Vier Kinder von drei Frauen, dazu die Scheidung von Ex-Frau Barbara, die ihn rund 15 Millionen Euro gekostet haben soll.
Geschätzter TV-Experte
Seinen mit rund einer Million Dollar pro Saison dotierten Job als Coach des ehemaligen Weltranglistenersten Novak Djokovic (Serbien) ist der sechsmalige Grand-Slam-Sieger seit Dezember 2016 los. Auf eigenen Wunsch, wie es heißt, weil er sich mit der Anwesenheit von Mental-Guru Pepe Imaz im Team Djokovic nicht anfreunden wollte.
Dafür scheint Becker in seiner Rolle als analytischer, aber nie besserwisserischer TV-Experte voll aufzugehen. Dort bekommt er zu Recht die Anerkennung, die er sich auch schon als Trainer von Djokovic erarbeitet hatte. In seinem ureigenen Metier hat Becker das Renommee zurückgewonnen, das er einst vor einem Millionen-Publikum verspielte. Mit Fliegenklatschen am Kopf - in einer Sendung von Oliver Pocher. Es war der Tiefpunkt.
Vor drei Jahren hat der dreimalige Wimbledonchampion mal gesagt: "Ich habe sicherlich viele Fehler gemacht. Aber ich habe ein Recht auf mein Leben. Ich lebe so, wie ich es für richtig halte." Und in seinem Ende 2013 erschienenen Buch "Das Leben ist kein Spiel" gab Becker selbst eine Antwort "auf die oft gestellte Frage", ob er pleite sei: "Nein! Bin ich Milliardär? Weiß Gott nicht. Bin ich Millionär? Ja bin ich!"