Beim ersten ATP-Event des Jahres auf deutschen Boden stehen die Lokalmatadoren im Fokus des Geschehens - und fast alle Top-Leute sind nach München gekommen. Dies ist auch eine fantastische Gelegenheit für Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann, seine Schützlinge - sowie potentiell künftige Auswahlspieler - an einem Ort über einen längeren Zeitraum zu beobachten.
Mit Alexander Zverev, Jan-Lennard Struff, Maximilian Marterer und Philipp Kohlschreiber stehen vier deutsche Herren im Viertelfinale des ATP-250-Events. Dementsprechend zufrieden in seiner Rolle als Bundestrainer gibt sich Kohlmann am Rande des Turniers in der bayerischen Landeshauptstadt. "Wir sind im Moment 10 bis 13 Leute, die alle eng zusammen in der Rangliste liegen und auch ein ähnliches Leistungsniveau haben. Alle sind gute Jungs, die mit Herz und Seele dabei sind. Es läuft einfach und ich bin froh, dabei sein zu dürfen," erzählt Kohlmann einem kleinen Kreis von Journalisten.
Vorbild "Kohli" und Becker als Unterstützung
Eine besondere Rolle nimmt Philipp Kohlschreiber ein, der, wie Kohlmann sagt, "Vorbildcharakter" für die jüngere Garde besitzt. Der 34-Jährige aus Augsburg hatte verkündet, noch einmal angreifen zu wollen und dabei auch die Top-10 ins Auge zu fassen.
"Diese Aussage ist bestimmt mutig, aber als Ziel nicht unmöglich, wenn man sieht, wie er an guten Tagen spielen kann. Da kann er fast alle schlagen," kommentiert Kohlmann und nennt mit Rafael Nadal auf Sand und Roger Federer die vielleicht möglichen Ausnahmen. "Mithalten kann er aber mit jedem."
Tatkräftige Unterstützung bei seiner Arbeit aus Auswahltrainer erfährt Kohlmann vom ehemaligen Branchenprimus Boris Becker, der als "Head of Men's Tennis" beim Deutschen Tennis Bund fungiert.
"Als Boris in Wimbledon siegreich war, habe ich gerade irgendwo ein U-14-Turnier gewonnen," so die ehemalige Nummer 98 der Welt über seine ersten Erinnerungen an Deutschlands Tennis-Ikone. "Die Zusammenarbeit ist sehr gut. Man merkt, dass er Tennis lebt und es ist ihm wichtig ist, sein Know-how insbesondere in die Nachwuchsarbeit einzubringen."
Der Niederlage im Davis-Cup-Viertelfinale gegen Spanien zum Trotz, sieht Kohlmann die deutsche Herren-Equipe auf einem guten Weg. "Die Davis-Cup Wochen dieses Jahr waren unglaublich harmonisch. Jeder im Betreuer-Team hat seinen Posten und kennt seinen Zuständigkeitsbereich. Es ist eine spannende Aufgabe und ich hoffe, dass es so weitergehen kann."
Spätstarter Marterer
Kohlmanns persönlicher Schützling ist Maximilian Marterer, der gerade einen guten Lauf während dieser Woche bei den BMW Open genießt. Mit einem Sieg über Diego Schwartzman, immerhin die Nummer 16 der Welt, gelang dem gebürtigen Nürnberger der bereits zweite Einzug in ein Viertelfinale auf ATP-World-Tour-Ebene.
"Maxi ist jemand, der sich erst akklimatisieren muss, sich wohlfühlen muss. Er stand in sechs Futures-Finals, bis er schließlich im siebten seinen ersten Titel geholt hat. Dann gewann er vier in Folge. Er braucht die Gewissheit, auch an einem schlechten Tag mal Matches gewinnen zu können. Und die hat er jetzt."
Neben einem ATP-Challenger-Erfolg in Cherbourg hat Marterer in diesem Jahr insbesondere bei den Australian Open für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit Siegen über Cedrik-Marcel Stebe und dem spanischen Routinier Fernando Verdasco preschte er bis in die Runde der letzten 32 vor, wo schließlich gegen den US-Amerikaner Tennys Sandgren Endstation war.
"Diese Siege waren extrem wichtig für ihn und er ist bereit für mehr," sagt Kohlmann und ergänzt: "Es mag sich komisch anhören, aber das war heute bestimmt nicht sein bestes Match gegen Schwartzman, welcher nach dem verlorenen ersten Satz deutlich verunsichert war. Das war heute mit Sicherheit keine Leistung einer Nummer 16 der Welt, aber Maxi hat ihn auch zur Niederlage gebracht. Das war ein tolles Match, welches man aber auch nicht überbewerten darf."
Marterer marschiert in München
Marterer selbst war mit seiner Leistung zufrieden. "Es war beim weitem das beste Ergebnis, das ich dieses Jahr erzielen konnte. Es war ein taffes Match, und ich musste um jedes meiner Aufschlagspiele kämpfen. Aber ich denke, dass ich das sehr gut gemacht habe," sagt Marterer, der mit Kohlmann an der TennisBase in Oberhaching trainiert.
Die Nummer 73 der Welt entschärfte alle zehn Breakballe gegen sich und wird nun gegen Marton Fucsovics aus Ungarn antreten. Bei den Miami Open standen sich die beiden bereits dieses Jahr gegenüber und Marterer gewann glatt in zwei Sätzen.
"Es wird dieses Mal ein anderes Match werden. Die Höhe kann mir aber hier vielleicht zugute kommen, da die Bälle hoch abspringen und ich dadurch mehr freie Punkte beim Aufschlag bekomme."
Beim Davis-Cup gegen Spanien im vergangen Monat war Marterer bereits als Teil des Teams in Valencia dabei, blieb jedoch ohne Einsatz. Mit weiteren guten Ergebnissen wird er sich bei seinem Trainer für eine erneute Nominierung empfehlen können.