Von Ulrike Weinrich aus Stuttgart
Einen 0:2-Rückstand hatte eine deutsche Fed-Cup-Equipe noch nie aufholen können. Trotzdem gab sich Kerber kämpferisch: "Es ist noch alles drin, wir haben noch nicht verloren" Das letzte Fünkchen Hoffnung hatte auch Teamchef Jens Gerlach im Blick. Sein Motto lautete nach dem völlig missglückten Auftakt: "Aufstehen, Krone richten, weitermachen!"
Auch Boris Becker drückte die Daumen...vergeblich!
Erst saß er ohne Jacke da, dann streifte sich Boris Becker seine schwarz-rot-goldene Teamjacke über. Doch in die Rolle als Glücksbringer konnte der Head of Men's Tennis letztlich nicht schlüpfen. Becker hatte neben Barbara Rittner, seinem weiblichem Pendant, in der dritten Teambox Platz genommen und fieberte bei beiden Partien sichtlich mit. Doch Erfolgserlebnisse blieben am ersten Tag leider aus - trotz des Edelfans.
Zwar begegnete Kerber der Weltranglistensechsten Pliskova lange Zeit auf Augenhöhe, lief aber ständig einem Rückstand hinterher. "Sie hat in den wichtigen Momenten gut serviert, das war der Schlüssel. Alle Aufschläge saßen", sagte die Linkshänderin. In den Endphasen der Sätze kassierte "Angie" trotz ihres unermüdlichen Kampfes jeweils ein Break. Pliskova machte zum Beispiel in 36 von 44 Fällen den Punkt, wenn ihr erstes Service kam.
Beide zeigten eine gute Partie mit etlichen hochklassigen Ballwechseln, doch letztlich dominierte die 1,86 Meter große Pliskova, deren Schläge immer so satt klingen. Beim Stand von 2:5 im zweiten Satz spielte die Hallenregie den Kerber-Lieblingshit "Atemlos" von Helene Fischer ein. Ein letzter Rettungsanker. Aber aus das nutzte nichts mehr...
"Ich habe versucht, selbst Druck zu machen. Ich denke, wir haben beide gutes Tennis gespielt. Ich kann auf dem Match aufbauen", meinte die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin und zuckte mit den Schultern: "Wer weiß, vielleicht haben wir morgen einen guten Tag, dann ist noch alles drin."
Kerber wehrt sich - Pliskova profitiert von ihrem starken Aufschlag
Nach 1:23 Stunden verwandelte die tschechische Nummer eins ihren dritten Matchball. Kerber hatte im zweiten Durchgang ihren Aufschlag zum 2:4 abgegeben, doch ein Break gelang ihr an diesem Nachmittag im Vergleich von zwei ehemaligen Weltranglistenersten nicht. Es war Kerbers erste Partie auf Sand in dieser Saison. Und die 30-Jährige deutete an, dass sie auch auf der roten Asche starke Leistungen zeigen kann. Ihren zweiten Aufschlag attackierte Pliskova allerdings immer wieder - und setzte die Kielerin damit früh unter Druck.
Zuvor hatte Görges die Überlegenheit von Kvitova anerkennen müssen."Ich muss sagen, dass meine Gegnerin verdammt gut gespielt hat. Sie hat mir keine Zeit gegeben, mein Spiel aufzubauen. Ich hatte immer das Gefühl, ich bin in Bedrängnis", sagte die Wahl-Regensburgerin nach der deutlichen Niederlage. Und das Gefühl trog nicht.
Görges startet stark - doch Kvitova steigert sich
Dabei war Görges vielversprechend gestartet. Die Stimmung in der mit 4500 Zuschauern ausverkauften Porsche Arena war von Anfang an gut. Neben dem Heimpublikum sorgte aber auch eine Hundertschaft tschechischer Fans für gehörigen Lärm. Allerdings hatten die Gäste zunächst nicht viel Grund zur Freude. Görges begann hochkonzentriert, nutzte beim 1:1 gleich ihren zweiten Breakball und führte wenig später mit 3:1.
Sonderlich lange Ballwechsel gab es zunächst kaum, beide Spielerinnen profitierten zunächst von ihrem Aufschlag. Allerdings ließ das Service Görges in der Folge einige Male im Stich, während Kvitova auch von der Grundlinie immer sicherer wurde. Mit einem Vorhand-Return-Winner holte sich die zweimalige Wimbledonsiegerin das Break zurück. Es war der Wendepunkt...
Kvitova agiert bärenstark und drängt Görges in die Defensive
Die Zuschauer standen wie eine Wand hinter Auckland-Siegerin Görges, die jüngst erstmals den Sprung in die Top Ten schaffte. Beim 3:4 verlor sie erneut ihren Aufschlag, als eine Rückhand von ihr im Aus landete. Nach 32 Minuten holte sich Kvitova, die nach einem üblen Messerattentat im Dezember 2016 erst im vergangenen Frühling auf die Tour zurückgekehrt war, mit einem Aufschlagwinner der ersten Durchgang.
Nach dem Fehlstart redete Gerlach beim Seitenwechsel auf Görges ein. Der 44-Jährige, Nachfolger von Rittner als Kapitän, feierte sein Heimdebüt in seiner Geburtsstadt. Beim überraschenden 3:2-Erfolg im Viertelfinale im Februar gegen Gastgeber Weißrussland in Minsk hatte Gerlach ganze Arbeit geleistet. Damals hatten die beiden Spitzenspielerinnen Kerber und Görges gefehlt.
Service lässt "Jule" Görges im Stich
Görges ging mit einer 1:0-Führung in den zweiten Satz, doch danach musste die 29-Jährige gleich zweimal in ihr Service abgeben und fand den roten Faden nicht mehr. Linkshänderin Kvitova, die bei fünf der zehn tschechischen Titelgewinner dabei war, gab sich auch in der Folge keine Schwäche mehr und variierte ihr Spiel. Mit einem Vorhand-Gewinnschlag nutzte sie ihren ersten Matchball nach exakt einer Stunde. Görges verließ enttäuschend den Centre Court. Es war ihre fünfte Niederlage im sechsten Duell mit Kvitova.