Angelique Kerber: "Das Sandplatzgefühl kommt langsam"

Von Ulrike Weinrich
Angelique Kerber
© getty

Dank eines souveränen Zweisatzerfolgs gegen die Tschechin Petra Kvitova hat sich Angelique Kerber beim Porsche Tennis Grand Prix viel Selbstvertrauen geholt. Am Donnerstagabend ab 18.30 Uhr (live bei DAZN) trifft die 30-Jährige in Stuttgart auf die Estin Anett Kontaveit. In der nächsten Runde könnte dann theoretisch die an Position zwei gesetzte Wimbledonsiegerin Garbine Muguruza (Spanien) warten.

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Von Ulrike Weinrich aus Stuttgart

Eigentlich ist Angelique Kerber nicht sonderlich abergläubisch. Zumindest längst nicht so sehr wie zum Beispiel Nicolas Kiefer. "Kiwi" wurde einst gefragt, wie er denn auf einer Skala von EINS bis ZEHN seine "Superstition" einordnen würde. "Mein Aberglaube liegt bei...ELF", hatte der frühere Weltklassespieler daraufhin gesagt. Und er meinte es durchaus ernst.

Möglicherweise hat sich die Skala von "Angie" ein wenig verschoben. Nach dem enttäuschenden Verlauf des Fed-Cup-Wochenendes mit der 1:4-Schlappe im Halbfinale gegen Tschechien hatte sie vor Beginn des Turniers das Hotel innerhalb von Stuttgart gewechselt. "Daran lag es", witzelte Kerber am Mittwochabend mit Blick auf ihre beeindruckende 6:3, 6:2-Revanche im Linkshänderinnenduell mit der an Position acht gesetzten Kvitova.

Wohlwissend, dass das noch nicht einmal die halbe Wahrheit war. Drei Tage nach ihrer deutlichen 2:6, 2:6-Niederlage gegen die Weltranglistenzehnte präsentierte sich Kerber den 4500 Zuschauern in der ausverkauften Porsche Arena wie verwandelt: Selbstbewusst, spritzig - und erfolgreich.

Trotz Revanche behält Kerber ihre bescheidenen Sandplatzziele bei

"Ich habe vom ersten Punkt an versucht, aggressiver zu sein als noch am Sonntag, das Spiel in meine Hand zu nehmen und vom Aufschlag direkt präsent zu sein - genauso wie beim Return", sagte Kerber, die mit ihrem Coach Wim Fissette ("Sand kann aus ihr eine bessere Spielerin machen") das Negativerlebnis gegen Kvitova vom Wochenende analysiert hatte: "Ich merke, das Sandplatzgefühl kommt langsam."

Allerdings wollte die zweimalige Grand-Slam-Siegerin ihre bescheidenen Ziele auf der ungeliebten Asche trotz des beherzten Auftritts nicht relativieren. "Es ist ja erst der Beginn der Sandplatzsaison, ich habe immer noch keine großen Erwartungen. Mir ist es einfach wichtig, vor den French Open noch so viele Matches wie möglich zu spielen", sagte Kerber.

In der Wohlfühloase Stuttgart angekommen: "Ich weiß, wie es geht!"

Allerdings scheint die Kielerin nach einigen Tagen Eingewöhnungszeit in ihrer Wohlfühloase angekommen zu sein. "Ich habe hier in dieser Halle ja schon zweimal triumphieren dürfen. Ich weiß also", meinte sie, "wie es geht!" Und das Team hinter dem Team gibt zusätzlich Anlass zur Zuversicht.

Mutter Beata und Schwester Jessica sind mit dabei - und natürlich die aus Polen angereiste Oma Maria. Eine Glücksbringerin der besonderen Art: Sie saß auch in der Box, als ihre Enkelin beim Porsche Tennis Grand Prix 2015 und 2016 den Titel holte und das PS-starke Siegerauto nach dem Finale rasant über den Centre Court lenkte. "Es ist immer etwas besonderes, wenn die Familie hier ist. So oft geht das ja leider nicht", betonte Kerber, die ab Montag wieder die deutsche Nummer eins vor Julia Görges (Bad Oldesloe) ist.

Kerber sagt: "Das letzte Jahr hat mich stärker gemacht. Ich bin gereift"

Für ihr gespaltenes Verhältnis zur roten Asche hat "Angie" dann auch eine ebenso simple wie einleuchtende Erklärung: "Wenn man wieder auf Sand zurückkommt, hat man die Erinnerungen vom Jahr zuvor und aus den letzten zwei, drei Jahren im Kopf. Und ich hatte nicht die besten Erinnerungen - außer hier in Stuttgart natürlich." Der relativ schnelle Belag beim Premier-Event ist allerdings nicht zu vergleichen mit dem körnigen Geläuf in Madrid, Rom oder Paris, wo natürlich im Freien gespielt wird.

Apropos Rom. Im Foro Italico, einen Steinwurf vom Olympiastadion entfernt, hatte Kerber im Mai 2017 den bislang einzigen Vergleich mit Kontaveit (WTA-Nr. 31) verloren - und zwar deutlich mit 4:6, 0:6. Damals stand die ehemalige Weltranglistenerste völlig neben sich. Die Partie war eines von etlichen Paradebeispielen für ihre Krise in der vergangenen Saison.

"Das wird ein ganz anderes Match als damals", versprach Kerber, die 2018 längst wieder auf den Erfolgsweg zurückgefunden hat. Die schwierige Phase hat ihre Spuren hinterlassen, auch in positiver Hinsicht: "Das letzte Jahr hat mich stärker gemacht. Ich bin auch als Person gereift."

"Angie" hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Anfreunden mit dem Sand!

Und eine Romantikerin wie sie hat den Glauben an eine gute Beziehung zur Asche noch nicht aufgegeben: "Vielleicht", unkte Kerber, "freunde ich mich mit dem Sand auch irgendwann nochmal an. Wer weiß."

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