Flucht aus der Isolation

Von Haruka Gruber
Die sportliche Kompetenz des FC Schalke: Horst Heldt (l.) und Felix Magath
© Imago

Beim FC Schalke 04 wähnte sich Horst Heldt anfangs auf Augenhöhe mit Felix Magath, wirkte bald aber wie dessen Lehrling. Lange abgeschottet, startete der 40-Jährige nun mit einem öffentlichen Donnerwetter seine Emanzipation.

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Der Zeitpunkt hätte besser gewählt sein können, als Schalkes Vorstandsmitglied Horst Heldt vor rund einem Monat den Europa-Park in Rust besuchte.

Es war eine nachvollziehbare Gefälligkeit an den Klub-Sponsor, der im Freizeitpark eine eigene Erlebniswelt betreibt und sich durch Heldts Besuch einen Imagegewinn versprach. Und doch blieben Lästereien nicht aus.

Heldt vergnügte sich an diesem Tag sichtlich, fuhr breit grinsend Achterbahn und gab bereitwillig Interviews. Ein Sympathieträger, eine Identifikationsfigur. Oder doch nur ein gut bezahltes Maskottchen?

Vom Top-Manager zum Lehrling

Heldts Metamorphose in den vergangenen Monaten war kurios, wenn nicht sogar einzigartig in der Bundesliga. Vor seinem Wechsel zu Schalke zählte er zu den kommenden Top-Managern Deutschlands, selbst Bayerns Uli Hoeneß brachte ihn vor einiger Zeit noch als seinen Nachfolger ins Gespräch.

Nur wenige Wochen nach seinem Antritt auf Schalke hat sich die öffentliche Wahrnehmung jedoch ins Gegenteil verkehrt.

Das Verhältnis Magath/Heldt: "Krass, fast extrem"

Der 40-Jährige sitzt zwar nach wie vor im Vorstand und ist zumindest formal gleichgestellt mit Felix Magath, im Grunde ist Heldt jedoch nicht mehr als der Lehrling seines ehemaligen Trainers und Mentors, so der Eindruck.

Magath schloss ihn beispielsweise in der hektischen Transferphase von den Planungen aus und fragte ihn offenbar nicht einmal um Rat nach möglichen Neuzugängen.

"Es kann ja auch schief gehen"

Stattdessen wurde Heldts Position auf Schalke kurzerhand umformuliert: Statt "Vorstand Sport und Marketing" lautet sein Titel nun "Vorstand Spielbetrieb und Marketing". Ein klarer Hinweis darauf, wie wenig Einfluss der Ex-Stuttgarter derzeit auf die Entscheidungen der Profimannschaft ausübt.

Magaths Erklärung: Heldt müsse sich eben noch einarbeiten, bevor er dem Druck gewachsen sei.

"Natürlich hätte Horst Heldt gerne bei den Transfers mitgemacht. Ich habe ihm aber davon abgeraten, weil man nie weiß, wie es läuft", sagt Magath.

"Es kann ja auch schief gehen. Wer trägt dann die Verantwortung?" Diesem Konflikt wollte er vorbeugen, deswegen habe er alle Transfers alleine geregelt.

Heldt erledigt seine Hausaufgaben

Bei den Raul-Verhandlungen etwa war nicht Heldt, sondern Magaths Assistent Ronny Gersch (Ex-Pressesprecher Cottbus) der wichtigste Ansprechpartner.

Dafür nutzte Heldt die Zeit für weniger glamouröse, dafür aber unerlässliche Basisarbeit. Er machte sich mit Schalkes komplizierter Unternehmensstruktur vertraut, verschaffte sich Einblick in die Arbeitsweise der Jugendabteilung und vertritt den Verein weiterhin bei allen wichtigen Tagungen des DFB, der DFL und der UEFA.

"Und nicht zuletzt bin ich für das Ressort Marketing zuständig", sagt Heldt, der sich zeitweise fast komplett von den Medien abschottete und bis jetzt nur sporadisch Interviews gab. Die "Frankfurter Rundschau" nannte ihn deswegen schon "das Phantom".

Heldt: "Ich habe das bewusst so gemacht und wollte nicht immer wieder Dinge kommentieren, für die es eine ganz klare Zuständigkeit gibt. Felix Magath ist Vorstandssprecher und damit derjenige, der nach außen Rede und Antwort steht. Das ist auch sinnvoll so." Der Nachsatz: "Dennoch arbeite ich natürlich."

Kein Platz auf der Bank

Trotz allem bleibt eine gewisse Restunsicherheit: Hat sich Heldt sein erstes Halbjahr auf Schalke wirklich so vorgestellt?

Kurz nach seinem Amtsantritt sagte er noch Sätze wie "Ich bin Vorstandsmitglied wie Felix. Wir bewegen uns auf Augenhöhe" und verriet, dass es mit Magath abgesprochen wäre, bei Spielen mit dem Trainerstab auf der Bank zu sitzen, so wie es Hoeneß bei den Bayern früher praktiziert hatte. Wenig später zog Heldt um auf einen Tribünenplatz.

Erst langsam wird dieser Tage Heldts Bemühen ersichtlich, sich von seinem Vorstandskollegen zu emanzipieren und deutlicher zu positionieren.

Harte Attacke gegen Jurado

Die dickrahmige Brille, die er seit dem Wechsel nach Gelsenkirchen trägt (und die frappierend an Magath erinnert), nimmt er mittlerweile bei TV-Interviews ab und illustriert damit - gewollt oder ungewollt - auch eine Art Abgrenzung.

Wie beim 3:0 gegen FC St. Pauli, als er in der Halbzeit mit überraschend deutlichen Worten die Einstellung einiger Spieler im Allgemeinen - und Jurados im Speziellen - kritisierte.

Zunächst wurde Heldts Vorpreschen als abgesprochene Aktion gedeutet, weil Jurado postwendend ausgewechselt wurde. Der 40-Jährige hatte sich aber nicht zuvor mit Magath kurzgeschlossen, wie er vehement betonte. "Zum Absprechen blieb in der Situation gar keine Zeit", meinte Heldt hinterher.

Jurados Auswechslung zeige lediglich, dass Magath und er "ganz ähnliche Ansichten haben". Magath selbst vernahm die deutlichen Worte positiv: "Natürlich hilft es, wenn nicht immer nur ich der Böse bin."

Heldt einzige Option für Schalke

Und doch ist die Konstellation Magath/Heldt nicht so konfliktfrei, wie zu Beginn gedacht. Dass Aufsichtsrats-Boss Clemens Tönnies derart offensiv um Heldt warb und die Stuttgarter brüskierte, hatte einen einfachen Grund: Tönnies wollte einen zweiten starken Mann installieren, dem Magath vertraut, der ihn aber auch - im Falle eines Abgangs - als Manager ersetzen kann.

Im Grunde blieb nach der Auslese nur Heldt übrig, der seit über einem Jahrzehnt regelmäßigen Kontakt mit Magath pflegt und von diesem hoch geschätzt wird.

Der Haken: Zu einer wirklich fruchtbaren Zusammenarbeit kam es aus den genannten Gründen noch nicht. Immerhin soll Heldt ab der Winterpause eine aktivere Rolle in der sportlichen Führung übernehmen und an der Seite von Magath Verhandlungen führen.

Magath selbst klang Mitte September noch etwas abwartend: "Ich gehe davon aus, dass wir ein Verhältnis hinbekommen, mit dem wir Entscheidungen zusammen treffen und vertreten können." Ein anderes Zitat lautet: "Die Bereitschaft, alles gemeinsam zu machen, bleibt bestehen. Doch vorläufig ist die jetzige Aufgabenteilung die praktikabelste Lösung."

Und die hält für Heldt eben auch den Besuch von Freizeitparks bereit.

Vom Posterboy zum Führungsspieler: Der Spieler Horst Heldt im Steckbrief

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