Diva oder Führungsspieler?

Von Markus Matjeschk
Rolle rückwärts oder Weiterentwicklung? Diego steht in Wolfsburg im Fokus
© Getty
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Der nächste große Schritt: die Serie A

Im Sommer 2009 wechselt Diego nach einem langen Hickhack für 24,5 Millionen Euro zu Juventus Turin. Für Diego soll es der nächste große Schritt auf der Karriereleiter sein und ein Zeichen an Nationaltrainer Carlos Dunga. In der Selecao spielt Diego bis zu diesem Zeitpunkt keine echte Rolle, über sporadische Einsätze kommt er nicht hinaus. Der Wechsel in die Serie A soll die Trendwende einläuten.

Für den italienischen Traditionsklub steht Diegos Verpflichtung nach dem Zwangsabstieg und den Querelen um den Manipulationsskandal stellvertretend für das "neue" Juve.

Der Start läuft zunächst auch vielversprechend. Nach seinem Doppelpack gegen die Roma am zweiten Spieltag feiert die italienische Presse den brasilianischen Liga-Neuling: "König Diego", "Maradiego" - die Zeitungen überbieten sich in Superlativen. "Man reibt sich staunend die Augen. Diego hat Juve schon erobert", schreibt die "Gazzetta dello Sport".

Der Neue selbst gibt sich gelassen, weckt aber nassforsch weitere Begehrlichkeiten: "Ich bin noch längst nicht in Top-Form". Doch der große Sturm bleibt aus. Obwohl das System unter Ciro Ferrara mit einer echten Zehn auf Diego zugeschnitten ist, lässt der Brasilianer seine Fähigkeiten nur unregelmäßig aufblitzen.

Das Manko: Führungsqualitäten

Juve erlebt in jener Saison ein Seuchenjahr. Die Mannschaft funktioniert nicht, Diego ist doch nicht der ersehnte Heilsbringer. Zwar ist er gut in die Mannschaft integriert, fällt abseits des Platzes nicht aufgrund irgendwelcher Eskapaden auf.

Doch auf dem Rasen ist Diego nicht derjenige, der die Marschrichtung vorgibt. Er ist ein Soldat, kein Feldherr. Fünf Treffer sind es am Ende in 33 Serie-A-Spielen. Viel zu selten ist Diego direkt am Mannschaftserfolg beteiligt, eine Führungspersönlichkeit ist er trotz des Reifeprozesses in Bremen nie. Für rund 25 Millionen Euro muss man mehr erwarten.

Dazu kommt der Trainerwechsel Ende Januar. Alberto Zaccheroni löst Interimstrainer Ciro Ferrara ab. Mit dem neuen Coach kommt ein neues System. Diego muss auf verschiedenen Positionen ran, eine Situation, die er aus Bremer Zeiten nicht kennt.

Das einjährige Italien-Intermezzo hätte der große Sprung für Diego werden sollen. Es wird unterm Strich zum Desaster. Den Misserfolg der Mannschaft allein am 25-Millionen-Mann festzumachen, wäre allerdings ein zu hartes Urteil und der Situation nicht angemessen. Zu sehr war Juve in der Saison 2009/2010 mit sich selbst beschäftigt.

Vergleich geht an Del Piero

Die alte Dame ging ein ganzes Jahr am Stock. Für einen Neuling keine einfache Situation, nicht in ein festes Gefüge, sondern in eine lose Ansammlung von Spielern zu geraten. Noch dazu mit einer völlig anderen Spielphilosophie als in Deutschland.

Dennoch wird Diegos größtes Manko zunehmend sichtbar. Er ist kein Führungsspieler. Eines der engen Spiele an sich zu reißen, der Mannschaft mit Präsenz Auftrieb verleihen - all das vermag er nicht zu leisten.

Im Gegensatz zu Alessandro Del Piero, mit dem er rein positionsbezogen immer wieder verglichen wird. Zwar überzeugt auch das Juve-Urgestein in jener Saison nicht konstant, doch Del Piero setzt mit seinen Auftritten wichtige Signale und stemmt sich gegen die Lethargie. Eine Einstellung, die man bei Diego vergeblich sucht.

Der Schritt, von Bremen zu einem der größten und traditionsreichsten Klubs Europas zu wechseln, ist auch im Nachhinein absolut nachvollziehbar. Doch eine Weiterentwicklung lässt sich bei Juve nicht festmachen. Eher im Gegenteil. Nach nur einem Jahr kehrt Diego Italien wieder den Rücken. Es geht zurück in die Bundesliga.

Rückkehr nach Deutschland

15,5 Millionen Euro legt Wolfsburg-Manager Dieter Hoeneß auf den Tisch, um Diego in die VW-Stadt zu lotsen. Nach der eher durchschnittlichen Saison 2009/2010 (Rang acht) ist Europa das erklärte Ziel.

Diegos Auftritte schwanken stark. Von glänzenden Vorstellungen bis hin zu lustlosen Auftritten - der auserkorene Dreh- und Angelpunkt zeigt die ganze Palette. Läuft es im Spiel, versprüht er seine magischen Momente. Läuft es nicht, zieht er den Karren nicht aus dem Dreck. Vorwürfe, die sich auch in Wolfsburg bestätigen. Diegos spielerische Klasse ist unbestritten, doch der Mangel an Leader-Qualitäten bleibt.

Negativer Höhepunkt ist der Kabinen-Zoff mit Ex-Trainer Steve McClaren und die darauffolgende Suspendierung für das Spiel gegen den Hamburger SV.

Die Auseinandersetzung zeigt eines auf: Diego hat nicht mehr den Status des unangefochtenen Stars, den er aus Bremer Zeiten kannte.

Trainerwechsel als große Chance

Doch der Rauswurf von McClaren und die Beförderung von Pierre Littbarski zum Cheftrainer könnten der Beginn einer neuen Zeitrechnung beim VfL sein.

Littbarski weiß aus seiner Zeit in der australischen A-League, wie er mit exponierten Spielern umzugehen hat. Als Trainer des FC Sydney hatte er Dwight Yorke als sogenannten Marquee Player im Kader. Yorke verdiente als einziger Spieler deutlich mehr als alle anderen. "Mit Dwight Yorke zu arbeiten, war für mich bis heute eines der größten Erlebnisse meiner Trainerkarriere", sagte Littbarski vor einiger Zeit im Interview mit SPOX.

Auf dem Platz bekommt Diego jetzt wieder mehr Freiheiten, wird von jeglichen Defensivaufgaben entbunden, im Training zeigt er nach der Suspendierung die richtige Reaktion und arbeitet viel.

Zuletzt deutliche Steigerung

Gegen Freiburg ist Diego trotz der Niederlage der beste Mann auf dem Platz. Immer anspielbar, torgefährlich, zweikampfstark. Es gilt, den Eindruck auf Dauer zu bestätigen. Diegos Charakter ist gefragt. Gerade jetzt, mitten im Abstiegskampf. Am besten schon am Freitag gegen Mönchengladbach (20.15 Uhr im LIVE-TICKER).

Altkanzler Helmut Schmidt hat einmal gesagt: "In der Krise beweist sich der Charakter." Diego nach der gescheiterten Mission Italien ein für alle Mal als mangelhaften Führungsspieler abzustempeln, ist mit Sicherheit zu früh. In Wolfsburg muss er jetzt beweisen, was für ein Typ er wirklich ist.

Der Kader des VfL Wolfsburg im Überblick

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