Vier Sekunden segelt der Ball quer durchs Weserstadion. Vier Sekunden gebannte Blicke von 40.300 Zuschauern. Vier Sekunden oder 63 Meter geballte Bewunderung für einen Künstler am Ball. Unterkante Latte, der Ball zappelt im Netz. Auf die Stille folgt Ekstase. Diego-Mania in Bremen.
Der Treffer zum 3:1-Endstand gegen Alemannia Aachen wird zum Tor des Jahres 2007 gewählt. Es steht sinnbildlich für Diegos Zeit in Grün-Weiß. Die Zeit des Spielgestalters, ein Star in der Bundesliga.
Vier Jahre später wird Diego beim VfL Wolfsburg erst von Steve McClaren und nach dessen Entlassung auch von Pierre Littbarski mitten im Abstiegskampf kurzzeitig vom Dienst suspendiert und ist auch sonst längst nicht mehr der Spieler, der zu Bremer Zeiten regelmäßig für Furore gesorgt hatte.
Doch wie kam es zu dieser Entwicklung und wie ist Wolfsburgs Spielmacher derzeit einzuschätzen? Eine Chronologie.
Von Santos nach Porto
Diegos Profi-Karriere beginnt in der Heimat beim FC Santos. 2004 folgt der große Sprung nach Portugal. "Der FC Porto ist eine wunderbare Option, um mir meinen Traum von Fußball in Europa zu verwirklichen", freut er sich damals. Diego erhält einen Fünfjahresvertrag, die Ablöse beträgt sieben Millionen Euro.
In Porto hat man hohe Erwartungen an das brasilianische Juwel. Deco hat beim damaligen Champions-League-Sieger nach seinem Weggang nach Spanien große Fußstapfen hinterlassen. Diese gilt es zu füllen. Keine leichte Mission: "Wenn ich auf der gleichen Position wie Deco spielen soll, dann ist das kein Problem für mich. Ich möchte nur nicht mir ihm verglichen werden. Er ist ein großartiger Spieler."
Zwei Jahre lang spielt Diego in Porto, wird einmal portugiesischer Meister und einmal Vize-Meister, dazu Weltpokalsieger 2004. Trotz der Erfolge: Seinen persönlichen Durchbruch schafft Diego in Portugal nicht, dafür ist die Erwartungshaltung eine Nummer zu groß und der Europa-Neuling mit 19 Jahren wohl noch zu jung.
Über Nacht zum Superstar
Für sieben Millionen Euro wechselt Diego im Sommer 2006 zu Werder Bremen. Wieder soll er eine Lücke füllen. Diesmal die des nach Bordeaux abgewanderten Johan Micoud.
Diego schlägt sofort ein, schafft vier Assists und ein Tor in den ersten beiden Spielen. Die Rechnung geht auf. Eine Rechnung, die aus drei Faktoren besteht.
Die drei Diego-Faktoren
Zum einen ist der Druck zunächst gering. Nachdem sich Diego in Porto nicht durchsetzen konnte, ist die Erwartungshaltung zu Beginn seiner Zeit in der Hansestadt nicht zu groß. Auch der Medienrummel hält sich in Grenzen.
Zum anderen schlüpft Diego in Bremen in ein funktionierendes Kollektiv. Die Schaaf-Truppe wurde in der vorhergehenden Saison Vize-Meister. Im Mittelfeld bekommt Diego auf Anhieb seinen Lieblingsplatz: In der Mittelfeld-Raute hinter den Spitzen - die klassische Zehn.
Und dann ist da noch der wohl wichtigste Faktor: Roland Martinez Vazquez. Seit 1999 ist der geborene Cuxhavener bei Werder tätig - als Dolmetscher und erster Ansprechpartner für die Südamerika-Fraktion.
Zwei wichtige Stützen: Martinez Vazquez und Scheinkman
Ein großer Teil der schnellen Integration des brasilianischen Neuzugangs geht auf sein Konto, Diego fühlt sich auf Anhieb wohl.
Es steht ein Behördengang an? Martinez hilft. Er will einkaufen? Ein Anruf bei Roland genügt. Werder stellt quasi ein Mädchen für alles ab. Zudem kümmert sich Landsmann Leo Scheinkman schnell um Diegos Pressearbeit.
Der kann sich voll und ganz auf den Fußball konzentrieren und hat die nötigen Bezugspersonen. Auf den Ertrag muss Werder nicht lange warten.
Nach der durchwachsenen Zeit in Portugal explodiert Diego in der Bundesliga förmlich. 13 Tore und 14 Vorlagen stehen nach der Saison zu Buche. In den kommenden beiden Spielzeiten erreicht Bremens neuer Publikumsliebling ähnliche Werte.
Im letzten Jahr an der Weser holt Bremen mit Diego den DFB-Pokal, im UEFA-Cup-Finale scheitert Werder im Finale nur knapp an Schachtjor Donezk. Diego kann nicht helfen - er ist wegen einer läppischen Gelben Karte aus dem Halbfinale gesperrt.
Seite 2: Wechsel nach Italien und Rückkehr in die Bundesliga