SPOX: Herr Mkhitaryan, Sie waren kürzlich im Boxring an der Seite von Arthur Abraham zu sehen, als er gegen Robert Stieglitz gewann. Wie kam es denn dazu?
Henrikh Mkhitaryan: Ich lernte Arthur kennen, als ich in Dortmund unterschrieb. Er ist großer BVB-Fan. Da wir beide aus Armenien kommen, hatten wir schnell einen Draht zueinander und sind mittlerweile gute Freunde. Ich war beim Fight gegen Stieglitz mit dabei, weil ich zuvor noch nie bei einem Boxkampf war und es einmal hautnah miterleben wollte. Es hat mich sehr gefreut, ihn dabei auch siegen zu sehen.
SPOX: Abraham und Sie sind in Deutschland wohl die bekanntesten Armenier, wenn es um Sport geht. Einen höheren Bekanntheitsgrad dürften nur noch die Musiker von "System Of A Down" haben. Können Sie mit deren Klängen etwas anfangen?
Mkhitaryan: Ich kenne die Band und ihre Musik sehr gut, persönlich habe ich sie aber noch nicht getroffen. Sie sind sehr beliebt in meiner Heimat. Mir gefallen besonders die ruhigeren Lieder. Ansonsten sind mir System Of A Down aber zu laut. Hardrock ist nicht unbedingt mein Genre. Ich höre lieber RnB, Pop oder manchmal auch Rap.
SPOX: Auch Sie gehören in Armenien zu den größten Stars des Landes. Aufgewachsen sind Sie aber in Frankreich. Als ihr Vater, der ebenfalls Profifußballer war, im Sterben lag, zog es Ihre Familie wieder zurück nach Armenien. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit noch?
Mkhitaryan: Ich war damals sieben Jahre alt. Wir hatten nicht nur aufgrund des Todes meines Vaters sehr schwierige Momente zu überstehen. Der Krieg war noch nicht lange vorüber. Es gab kaum Wasser, wir hatten nur zwei Stunden Elektrizität pro Tag und konnten das Licht nicht wie zuvor in Frankreich gewohnt an- und ausmachen. Das waren harte Zeiten für das ganze Land. Ich bin sehr froh, dass wir diese Phase überlebt haben.
SPOX: Wie viel haben Sie in diesem Alter damals von den Zuständen mitbekommen?
Mkhitaryan: Dass die Standards plötzlich andere waren, fiel mir natürlich sofort auf. Allerdings fehlten mir das Verständnis und die Zusammenhänge. Das war womöglich auch ganz gut so, die Kinder gingen deutlich unbekümmerter zu Werke. Als ich älter wurde und kapierte, welche Umstände damals an der Tagesordnung waren, machte es mich auf eine gewisse Art stolz, dass wir uns davon nicht haben unterkriegen lassen.
SPOX: Wie unwirklich erscheint es Ihnen, wenn Sie jetzt als einer der populärsten Menschen Ihres Landes an diese Phase in Ihrem Leben zurückdenken?
Mkhitaryan: In diesem Zusammenhang fällt es mir wirklich schwer, das zu begreifen. Andererseits war ich schon immer der Überzeugung, dass man seine Träume und Ziele erreichen kann, wenn man es wirklich möchte und fest daran glaubt. Ich hatte immer den Antrieb in mir, eines Tages Profifußballer zu werden. Ich bin in einer Fußball-Familie groß geworden und wollte so sein wie mein Vater. Dafür habe ich quasi mein Leben lang gearbeitet. Dass der Traum in Erfüllung ging, ist auch das Resultat dieser jahrelangen Arbeit.
SPOX: In Armenien spielten Sie Ihre gesamte Jugend über in der Fußballakademie des FC Pjunik Jerewan, die den Namen Ihres Vaters trägt. Was haben Sie damals vom großen europäischen Fußball mitbekommen?
Mkhitaryan: Das war einfacher, als Sie es sich jetzt wahrscheinlich vorstellen: Die europäischen Top-5-Ligen waren allesamt bei uns im TV zu sehen. Zwar nur ausgewählte Spiele, aber das reichte. Ich saß täglich vor der Glotze (lacht). Mein Jugendtrainer hat mir oft Bescheid gegeben, wenn abends ein interessantes Spiel im Fernsehen lief. Das hätte ich in den meisten Fällen aber sowieso nicht verpasst. Am Tag darauf haben wir es dann zusammen auf dem Trainingsplatz analysiert und darüber gesprochen, was uns aufgefallen ist. Ich habe immer versucht, mir so viel wie möglich abzuschauen.
SPOX: Wenn Sie so auf dem Laufenden waren, welcher war Ihr Lieblingsklub?
Mkhitaryan: Es gab mehrere Mannschaften, die mir gut gefielen. Ich war aber nie Fan. Es ging mir mehr um die Attraktivität des Spielstils, so dass ich mich bei manchen Teams einfach etwas mehr gefreut habe, wenn deren Partien mal wieder im Fernsehen liefen.
SPOX: Es gibt ein Bild von einer Ihrer Jugendmannschaften in Armenien (siehe rechts), das Ihre Mitspieler und Sie in einem Trikot von Borussia Dortmund zeigt. Welchen Hintergrund hatte das?
Mkhitaryan: Es konnten sich zur damaligen Zeit nur die wenigsten armenischen Vereine leisten, ihre Spieler mit Trikots und Hosen auszustatten. Oft haben die Eltern der Spieler etwas Geld gesammelt und es dem Trainer geben, damit dieser für eine vernünftige Ausstattung sorgte. So kamen bei mir über die Jahre viele unterschiedliche Trikots zusammen: Neben dem des BVB beispielsweise auch welche von der deutschen und niederländischen Nationalelf. Als wir im Dortmunder Trikot spielten und das Foto entstand, gewannen wir das Turnier, das jährlich zu Ehren meines Vaters in Jerewan ausgerichtet wird.
SPOX: Dann gab es da noch das Video "Les yeux dans les Bleus", das laut Ihrer Mutter Ihre Jugend prägte. Eine Dokumentation über das Innenleben der französischen Nationalmannschaft, als diese 1998 die WM gewann.
Mkhitaryan: Ich habe mir diese Videokassette sehr oft mehrmals am Tag angeschaut. Meine Mutter konnte das nicht begreifen (lacht). Ich himmelte Zinedine Zidane an. Es hat mich damals natürlich sehr gefreut, dass das Land, in dem ich zu Teilen aufgewachsen bin, den Weltmeistertitel holte. Durch das Video habe ich viel über den Beruf Profifußballer gelernt.
SPOX: Inwiefern?
Mkhitaryan: Damit meine ich nicht nur Dinge, die auf dem Fußballplatz wichtig sind. Auch das Verhalten der Spieler abseits des Feldes wurde in vielen Facetten gezeigt. Wie bereiten sie sich auf ein Match vor, wie geben sie sich in der Kabine oder gegenüber den Fans, wie nehmen sie zusammen ihre Mahlzeiten zu sich? All das hat mir einen wichtigen Eindruck von Professionalität und Bescheidenheit vermittelt.
SPOX: Nun sind Sie selbst Profifußballer geworden und der Spieler, für den Borussia Dortmund vor zwei Jahren das meiste Geld seiner Vereinsgeschichte hinblätterte. Wie problematisch lief die Anfangszeit in Deutschland, war die Umstellung groß?
Mkhitaryan: Ich hatte kaum Schwierigkeiten, um ehrlich zu sein. Man ist als Fußballer ja auch viel unterwegs, daher hatte ich schon ein Gefühl dafür und konnte ich mich ein wenig darauf einstellen, was mich in Deutschland erwarten würde. Ich musste mich vielleicht ein wenig an die neue Mentalität gewöhnen, aber das ging eigentlich auch zügig. Der Verein stellte mir dazu noch einen Assistenten, der mich zu Beginn bei vielen Dingen unterstützte. Mittlerweile habe ich viele Freunde in Dortmund, auch zahlreiche deutsche.
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