Wie verteidigt Atletico?
Geht man davon aus, dass sich Real Madrid mehr Spielanteile erarbeiten wird und die Initiative übernimmt, stellt sich auch die Frage nach der Defensivarbeit Atleticos. Die Rojiblancos formieren sich seit etwa zwei Jahren defensiv in einem 4-4-2, in einem tiefen Mittelfeld- bzw. Abwehrpressing.
Dabei steht die Abwehr-Viererkette breiter, als die Mittelfeld-Viererkette. Die beiden Stürmer fallen auf eine Ebene und bilden die Spitze einer pyramidenartigen Formation. So kommt Atletico beinahe von selbst ins Pressing, der Gegner sucht Räume auf beiden Seiten, die von den Rojiblancos bewusst freigelassen werden. Das Zentrum ist versperrt.
Folgt nun der Ball auf eine der beiden Seiten, verschiebt Atletico. Der ballferne Stürmer stellt die Rückspieloption zu, der Ballführende wird zwischen Seitenaus und Formation isoliert und mindestens gedoppelt. Der nähere Außenmittelfeldspieler, Sechser und Stürmer rücken in Richtung des Gegners, der Rest sichert ab, um Zuspiele in die Mitte zu verhindern. Es wird eine Überzahlsituation in Ballnähe hergestellt, aus der anschließend selbst Chancen kreiert werden sollen.
Zuletzt zog sich Atletico gegen Real Madrid jedoch sehr weit in die eigene Hälfte zurück, um in der gefährlichsten Zone vor dem eigenen Tor möglichst kompakt zu stehen. Zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen waren meist nur wenige Meter Platz, Ronaldo und Bale konnten kaum Tempo aufnehmen und kamen nur selten in Eins-gegen-eins-Situationen.
Damit wurde den Königlichen nicht nur der Ballbesitz aufgezwungen, sondern auch deren gefährlichste Waffe gehemmt. Doch Atletico kann auch anders, wie sie im Laufe der Saison immer wieder unter Beweis stellten.
Teils rutschte die Mannschaft situativ weiter nach vorne und begann mit kurzen, aber intensiven Perioden im Angriffspressing. Ganz bewusst vermindert oder erhöht die Mannschaft von Diego Simeone damit den Druck auf den Gegner und sorgte selbst bei ballsicheren Mannschaften wie Celta Vigo oder dem FC Barcelona für Ballverluste in gefährlichen Zonen.
Dies könnte gegen die Abwehrreihe der Madrilenen ebenfalls zu Erfolgen führen. Während Sergio Ramos sich, spätestens unter Carlo Ancelotti, zu einem Spieler mit einer herausragenden Spieleröffnung (durchschnittlich 8,3 angekommene lange Bälle pro Spiel) entwickelt hat, stehen ihm Pepe (6,7) und besonders Raphael Varane (3,7 Bälle) nach. Dies wäre eine potenzielle Möglichkeit für Atletico, das Aufbauspiel empfindlich zu stören, da man den Fokus besonders auf Ramos legen könnte.
Ancelotti lässt gerne das zentrale Mittelfeld überspielen. Das Spiel wird wahlweise über die Flügel vorgetragen oder durch die Innenverteidiger direkt eröffnet. Eine Ballzirkulation vor dem eigenen Strafraum durch Sechser und Verteidiger findet nur äußerst selten statt. Im Liga-Rückspiel passte Ramos keinen einzigen Ball zu Modric und nur drei zu Xabi Alonso. Würde man Real somit zu ungenauen, langen Zuspielen zwingen, könnte Atletico seine eigene Kopfballstärke ausspielen und viele Angriffe schnell ersticken.
Jedoch bedeutet ein Angriffspressing auch immer eine weit aufgerückte Abwehr, ebenso wie viel Raum dahinter für den Gegner. Würde Real es schaffen, das Pressing zu umspielen, könnte man die beiden Innenverteidiger Diego Godin und Miranda in ungeliebte Sprintduelle zwingen.
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