SPOX: Wie viele der Kinder schaffen es unter dem Strich nach Madrid und dürfen vorspielen?
Kohfahl: Letztes Jahr waren insgesamt 4800 Kinder in allen Camps, rund 300 bei den Tryouts und acht, die nach Spanien durften und in der Jugendakadamie von Real mittrainiert haben. Dieses Jahr werden es hoffentlich noch mehr sein, weil wir alleine in den Camps über 10.000 Kinder haben werden.
SPOX: Hand aufs Herz: Wie viel kann man den Kindern in den fünf Tagen, die die Clinics dauern, überhaupt mitgeben?
Kohfahl: Von den angesprochenen kulturellen, sozialen und sportlichen Werten eine ganze Menge. Der Zugang ist da, weil wir für diese Kinder Real Madrid sind. Wir sind wie Carlo Ancelotti, wie Cristiano Ronaldo. Und wenn man das nicht in eine Marketingschiene drückt, sondern die Erwartungen erfüllt, kann man den Kindern viel vermitteln. Ich werde keinen in fünf Tagen zum besseren Techniker machen, das ist klar. Aber in Sachen Spielintelligenz kann man durchaus Anreize schaffen.
SPOX: Andersherum gefragt: Wie schwer ist es für Sie und ihr Trainerteam, innerhalb kürzester Zeit zu beurteilen, ob jemand das Potenzial für den ganz großen Sprung haben könnte?
Kohfahl: Da wir mehrere Punkte bewerten, ist es nicht immer derjenige, der sofort auffällt. Der Lauteste oder der, der die meisten Tore schießt, ist nicht unbedingt der, der von uns gewünscht ist. Es ist ein Prozess, in den wir alle Trainer miteinbeziehen. Aber: Eine allgemeine Talent-Prognose bei Neun- oder Zehnjährigen ist eigentlich zu früh.
SPOX: Was erwartet Real von Ihnen?
Kohfahl: Real Madrid ist in Deutschland auf dem Gebiet mittlerweile Marktführer. Wir haben alles überrollt und unseren Pflock in der Landkarte. Wir haben dieses Jahr 150 Camps und sind alle 50 Kilometer präsent.
SPOX: Woran liegt es denn, dass die deutschen Vereine in diesem Bereich so hinterherhinken?
Kohfahl: Mir steht es nicht zu, andere Klubs zu kritisieren. Aber ich glaube, dass die deutschen Vereine eine andere Zielrichtung haben. Da sind die Nachwuchs-Camps dem Marketing untergeordnet. Das Handelsblatt hat einmal von der "Millionen-Chance" Fußballschule geschrieben, weil man kurzfristig große Erlöse erzielen kann und Fans im Präge-Alter für sich gewinnt. Ich glaube, dass sich uns einige in Zukunft im Preis-Leistungs-Verhältnis annähern werden.
SPOX: Haben Sie keine Angst vor Konkurrenz?
Kohfahl: Da hilft wieder der Name Real Madrid. Außerdem hatten wir die Idee zuerst. Viele übernehmen bereits Punkte von uns. Ein Beispiel: Das Ernährungsprogramm. Ich war vier Jahre CAMP-Leiter der damals marktführenden Fußballschule eines großen Bundesligisten. Und es gab vier Jahre lang jeden Mittwoch Pizza und jeden Freitag Fast Food von Sponsoren. Hier gibt's ein Salatbüffet. Das wurde zwar beim ersten Mal nicht angerührt. Aber wenn man den Kindern mit Storytelling bewusst macht, dass Ernährung zum Fußball gehört, dass Ronaldo seinen Körper nicht von irgendwo her hat - dann funktioniert auch das Salatbuffet wunderbar.
SPOX: Gab es kritische Stimmen von der deutschen Konkurrenz?
Kohfahl: Ich habe etwas von St. Pauli gehört, aber das ist die Maus, die brüllt. Ich glaube, die haben ganz andere Probleme. Das fand ich relativ schwach, das war ein krampfhafter Versuch, sich auf die gleiche Ebene zu stellen. Das reicht nicht - da muss ich jetzt mal eine Spur Arroganz walten lassen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben eine Kooperation mit dem FC Ingolstadt, der eine sehr gute Nachwuchsschule hat. Es gibt Kontakt zu Mainz 05, die auch eine gute Nachwuchsförderung haben. Es sind nicht alle so doof und merken nicht, was hier passiert.
SPOX: Was entgegnen sie dem Klischee, dass Real Madrid eher mit aberwitzigen Millionen-Transfers in Verbindung gebracht wird und nicht mit guter Jugendausbildung?
Kohfahl: Nach außen hin scheint es so. Aber momentan spielen mit Casillas, Nacho, Arbeloa und Jese vier Spieler aus der eigenen Jugend bei den Profis. Es gibt ein sehr strukturiertes Programm in der Jugendakademie, 90 Prozent der Spieler kommen aus Madrid oder der Umgebung. das ist spannend zu beobachten und es könnten sich viele deutsche Klubs vom spanischen Modell eine Scheibe abschneiden.
SPOX: Als Jugendexperte dürfte sie bestimmt ein Auge auf Martin Ödegaard haben. Der debütierte als jüngster Real-Spieler der Liga-Geschichte gegen Getafe, musste sich aber im Laufe der Rückrunde einiges an Kritik anhören.
Kohfahl: Man muss zuerst klar sagen: Er ist 16 Jahre alt! Auf ihn ist eine Menge hereingebrochen, da ist es egal, wie bodenständig er ist. Alle Spitzenvereine haben ihn eingeladen und in die besten Restaurants geführt. Die Gründe, dass er sich für Real entschieden hat, waren Ronaldo und Co., die ihn großartig aufgenommen haben. Es ist gut, dass er diese Akzeptanz bereits hat und in der Castilla, die von Zinedine Zidane trainiert wird, regelmäßige Einsätze hat - das ist schon eine Hausnummer. Wenn es ein 18-Jähriger zu Real schafft, muss man bereits den Hut ziehen. Er ist wesentlich jünger, man sollte ihm einfach Entwicklungszeit geben. Man muss in Spanien auch ein anderes Maß ansetzen. Es gibt vier Sportzeitungen, die jeden Tag acht oder mehr Seiten über Real berichten - die müssen etwas schreiben. Und leider ist das Negative nach wie vor interessanter als das Tatsächliche.
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