Frau Staab, Sie trainieren seit September die neugeschaffene Frauen-Nationalmannschaft von Saudi-Arabien. Wie ist es dazu gekommen?
Monika Staab: Letzten November habe ich einen Anruf von einer saudischen Nummer bekommen. Ich war überrascht, bin aber rangegangen. Dann wurde ich gefragt, ob ich den ersten C-Lizenz-Trainerkurs des Landes für Frauen ausrichten könnte. Mir war sofort klar: Das muss ich machen, das muss noch in meine Vita. Abgesehen von Jemen, wo Bürgerkrieg herrscht, war Saudi-Arabien unter den arabischen Ländern mein letzter weißer Fleck. Beim Trainerkurs war ich vom Engagement der Frauen absolut hingerissen. Die Einheiten begannen jeden Tag um sechs Uhr in der Früh. Alle waren immer pünktlich da und haben das zwei Wochen lang durchgezogen. Anschließend war ich dafür verantwortlich, aus aktuell rund 700 registrierten Spielerinnen den ersten Nationalmannschaftskader zusammenzustellen. Anfang nächsten Jahres wollen wir das erste Länderspiel durchführen.
Wie ist das Niveau der Spielerinnen? Gibt es auch einen regulären Meisterschaftsbetrieb?
Staab: Bisher haben die wenigsten auf Großfeld gespielt, sondern nur auf Siebener- oder Neunerfeldern. Sie sind keine Profis, trainieren aber dreimal pro Woche. Mitte November hat die erste Meisterschaft mit 16 Klubs aus den drei wichtigsten Städten Riad, Dschidda und Dammam begonnen. Solche Wettkampf-Erfahrungen sind sehr wichtig.
Welche Rolle spielt die Religion im Fußball-Alltag der Frauen?
Staab: Ich versuche, die Trainingseinheiten nach den Gebetszeiten zu richten. Aber wenn wir mal ein bisschen länger trainieren oder etwas zu besprechen haben, schieben die Frauen ihre Gebetszeiten flexibel ein paar Minuten nach hinten. Anschließend gehen sie in ihre Ecke, breiten ihren Teppich aus und beten. Beim Sport tragen nur wenige Spielerinnen einen Hijab. Aber alle versuchen, ihre Haut zu bedecken. Beispielsweise mit Leggins und langen Sleeves in den Trikotfarben. Die Religion mindert ihre Freude am Fußballspielen überhaupt nicht.
Hatten Sie schon vor Ihrer Tätigkeit vor Ort Berührungspunkte mit Saudi-Arabien?
Staab: Meine erste Station in der Gegend war 2007 Bahrain, wo ich ebenfalls eine Frauen-Nationalmannschaft aufbauen sollte. Aus Bahrain gibt es eine Brücke nach Saudi-Arabien. Als Frau durfte ich damals nicht alleine rüber reisen. Wenn du keinen Mann als Sponsor hattest, hast du kein Visum bekommen. Damals habe ich gehört, dass es in Saudi-Arabien keinen Frauenfußball gibt. Aber das hat sich als falsch herausgestellt.
Inwiefern?
Staab: Die Frauen in Saudi Arabien haben bereits seit 2006 Fußball gespielt, meist hinter verschlossenen Türen und auf privaten Farms. Außerdem organisierten sie Community-Turniere auf Siebener- oder Neunerfeldern. Aber erst 2019 wurde im nationalen Fußballverband eine Frauenfußballabteilung gegründet.
In Katar wurde die einst ebenfalls von Ihnen aufgebaute Frauen-Nationalmannschaft später wieder eingestellt. Denken Sie, dass die Bestrebungen in Saudi-Arabien langfristiger sind?
Staab: Ja, hier gibt es im Unterschied zu vielen anderen Ländern der Region einen Strategieplan auf längere Sicht. Der Frauenfußball wird vom Verband sehr seriös gefördert. Ich kümmere mich nicht nur um die Nationalmannschaft und die Trainerkurse, sondern auch um den Aufbau von lokalen Trainingszentren. Kürzlich haben wir in Riad das erste mit über 35 Spielerinnen in U13-, U15- und U17-Mannschaften gegründet. Von den 240 Angestellten im Verband sind 35 Frauen, die gleich wie die Männer bezahlt werden. Equal Pay wird in Saudi-Arabien ganz groß geschrieben.