"Die Welt hat ein Auge auf das Projekt"

Utz Claassen (l.) war Präsident bei RCD Mallorca
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Utz Claassen ist seit rund drei Monaten Präsident und Mehrheitseigner des RCD Mallorca. Der Investor spricht im Interview über seine Rolle als Pionier, mögliche Auswirkungen auf Deutschland und seine langfristigen Ziele. Außerdem verrät er wie er das "Irrenhaus" Real Mallorca neu aufgestellt hat, wie er die Kraft des Tourismus' anzapfen will und warum der FC Bayern ein Vorbild ist.

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SPOX: Herr Claassen, Sie sind der erste Deutsche weltweit, dem ein Fußballklub gehört. Wie klingt das für Sie?

Claassen: Das klingt nach einer großen Chance, einer großen Herausforderung und einer großen Verantwortung. Denn im Klartext heißt das: Ob mein Engagement erfolgreich endet oder nicht, wird für viele andere, die sich in Deutschland mit solchen Gedanken tragen, eine Signalwirkung haben. Gleichzeitig wird der Rest der Welt ein Auge darauf haben, wie man einen deutschen Fußballinvestor wahrzunehmen und zu bewerten hat.

SPOX: In Deutschland ist ein Modell wie beim RCD Mallorca aufgrund der 50+1-Regel noch nicht denkbar. Glauben Sie, dass Sie Bedenkenträger hierzulande umstimmen können, wenn Sie mit Ihrem Projekt Erfolg haben?

Claassen: Ich bin eng mit Martin Kind befreundet. Der hat sich als Präsident von Hannover 96 viele Jahre dafür eingesetzt, dass in Deutschland professionelle, private Investoren Mehrheitsbeteiligungen an Klubs halten können. Schließlich hat man auch eine einvernehmliche Regelung geschaffen, mit der im Sommer für Herrn Hopp bei 1899 Hoffenheim und möglicherweise in zwei Jahren für Herrn Kind bei Hannover 96 die Tür geöffnet wird.

SPOX: Sie meinen die Ausnahmeregelung, die besagt, dass Investoren mehr als 50 Prozent der stimmberechtigten Anteile halten dürfen, wenn Sie sich mehr als 20 Jahre in einem Klub engagiert haben.

Claassen: Ich glaube sogar, dass sich Martin Kind durchsetzen können hätte, wenn er seinen Kampf gegen die 50+1-Regel vor Gericht konfliktär betrieben hätte. Ich bin mir nämlich sicher, dass die in Deutschland aktuell geltende Rechtslage europäischem Recht widerspricht. Aber sei es, wie es sei. Ich bin der Meinung, dass Leute, die mit eigenem Geld aktiv sind, in aller Regel verantwortungs­voller handeln, als Menschen, die mit fremden Geld hantieren. Wenn man sich die Klubs anschaut, die an die Wand gefahren wurden, dann ist das häufig leichtfertig mit fremden Geld geschehen.

SPOX: Welches Beispiel haben Sie vor Augen?

Claassen: Bleiben wir in Hannover. Hier ist man vor meiner Amtszeit 1997 mitunter nicht sehr sparsam, nicht sehr effizient und nicht sehr bewusst mit dem Geld umgegangen. Die Leute haben mit fremdem Geld zum Teil echte Dummheiten gemacht. Seit Herr Kind auch mit eigenem Geld dabei ist, wird vernünftig gewirtschaftet. In Hannover ist eine Marke entstanden, die in der Bundesliga fest etabliert sowie in Europa bekannt ist, und die Fans haben viel Freude an vielen Jahren Erstligafußball in einem herausragenden Stadion. Das Beispiel Kind zeigt, dass das der richtige Weg ist. Er führt den Klub seit 18 Jahren herausragend.

SPOX: Was heißt das auf Ihren Klub RCD Mallorca runtergebrochen? Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

Claassen: Im Verwaltungsrat von Real Mallorca sitzen sechs Menschen mit exzellenter Ausbildung. Ein Rechtsanwalt, der in Frankfurt lebt und in New York, München und Salamanca studiert hat und Spezialist für internationale Finanzierungsthemen ist. Ein Rechtsanwalt, der in Bilbao, in Saarbrücken und in Boston studiert hat. Ein Hotelier. Ein internationaler Kommunikationsexperte. Ein spanischer Steuerberater mit multinationaler Familie und Kundenbasis. Und meine Wenigkeit. Alle sechs sprechen fließend Englisch, Spanisch und Deutsch. Und mit Verlaub, ich glaube, dass man in einem so qualifiziert besetzten Verwaltungsrat Entscheidungen ruhiger und sachlicher besprechen und treffen kann als in einer emotionalen Mitgliederversammlung mit 3000 Personen.

SPOX: Emotionen spielen im Fußball aber eine bedeutende Rolle. Um beim Beispiel Hannover zu bleiben, dort haben die unterschiedlichen Auffassungen zu einem tiefen Graben zwischen den Ultras und Herrn Kind geführt.

Claassen: Auch auf Mallorca gibt es Ultras, mit denen ich mich mehrfach getroffen habe, so dass wir bisher eine gute bis sehr gute und vernünftige Beziehung haben. Die geht sogar so weit, dass sich die Ultras schriftlich auf bestimmte Verhaltensregeln mir und dem Verein gegenüber verpflichtet haben. Aber in Hannover und in Deutschland im Allgemeinen ist die Situation schwieriger und komplexer. Ich kann das von außen nicht im Einzelnen bewerten. Aber eines ist ganz klar: Martin Kind genießt den Rückhalt der großen Mehrheit der Fans. Es passiert in fast jedem Heimspiel, dass irgendwann aus dem Ultrablock "Kind-muss-weg"-Sprechchöre kommen und sofort ein Pfeifkonzert der übrigen Fans beginnt. Das ist schon fast ein Ritual. Und Martin Kind kann gut damit umgehen.

SPOX: Sie sind in etwa seit dem Jahreswechsel Präsident und Hauptaktionär von Real Mallorca. Wie kam es dazu, dass Sie vier Jahre nach ihrem Einstieg im November 2010 im Klub vollends die Macht übernommen haben?

Claassen: Die in dieser Zeit führenden Personen um Llorenç Serra Ferrer haben bekanntermaßen an den verschiedensten Stellen Probleme und Konflikte verursacht. Ich habe in diesen vier Jahren oft genug meine Unzufriedenheit über diese Situation zum Ausdruck gebracht. Am Ende haben fast alle eingesehen, dass sie nicht mehr in der Lage waren, die Dinge zum Positiven zu wenden, und haben ihre Anteile an mich verkauft. In der klaren Einsicht, dass ich aus dem Gesellschafterkreis der Einzige war, der die Dinge regeln könnte. Die bemerkenswerten Entwicklungen der letzten zwei Monate zeigen, dass diese Entscheidung richtig war. Wir haben in zwei Monaten von Grund auf alles neu, besser und professioneller gemacht. Im sportlichen, institutionellen, finanziellen, rechtlichen und sozialen Bereich sind uns herausragende Fortschritte gelungen. Jetzt geht es darum, dass wir uns stabilisieren und konsolidieren. Wir gehen die Dinge mit Bescheidenheit an und wissen, dass es viel Arbeit ist und dass viele kleine Maßnahmen zusammenkommen müssen, um etwas Großes zu gestalten.

SPOX: Wie sehen die Fortschritte auf den einzelnen Ebenen konkret aus?

Claassen: Beginnen wir mit dem institutionellen Bereich. Wir haben die Beziehungen zu den drei wichtigsten Gremien im spanischen Fußball wiederhergestellt: der Fußballliga LFP, dem königlich spanischen Fußballverband RFEF und dem Consejo Superior de Deportes, einer Ausgliederung des Sportministeriums, der für die Aufsicht des Berufssports zuständig ist. All die zuvor angespannten Verhältnisse habe ich durch Besuche in Madrid und Gespräche mit den Präsidenten dieser Institutionen auf eine saubere, freundschaftliche und konstruktive Basis gestellt. Außerdem gab es gerichtliche Auseinandersetzungen des Klubs mit einem Fernsehprovider sowie den G30, einem Verbund von 30 Profiklubs. Der Gerichtstermin wurde abgesagt, und die Themen werden zum Vorteil aller Beteiligten einvernehmlich gelöst. Auch die gerichtlichen Aktivitäten zwischen dem Klub und der Stadt Palma habe ich befrieden können. Mit dem Präsidenten der Regierung der Balearen verbindet mich ohnehin eine freundschaftliche Beziehung, so dass wir nunmehr auf allen Ebenen eine gute Relation haben, die von Freundschaft und gegenseitigem Respekt gekennzeichnet ist.

SPOX: Ihr ehemaliger Trainer Waleri Karpin sagte, der Klub glich Ende des Jahres 2014 einem Irrenhaus.

Claassen: Ich würde es mal so sagen: Das, was wir hier vor meiner Präsidentschaft erlebt haben, war in jeglicher Hinsicht ungewöhnlich. Ich habe niemanden gehört, der Karpins Aussage widersprochen hätte.

SPOX: Karpin hat sich nach seiner Entlassung im Februar sehr positiv über Sie und die neuen Strukturen im Verein geäußert: "Jetzt ist Ruhe eingekehrt und die Leute, die jetzt das Sagen haben, werden die Normalität zurückbringen. Jetzt ist Real Mallorca wirklich ein Klub." Das kommt überraschend für einen Trainer, der gerade gehen musste.

Claassen: Ich hatte mit Karpin ein super Verhältnis, er ist ein toller Trainer und ein guter Typ. Man muss ja eines wissen: Karpin war von meinen Vorgängern geholt worden, ich wollte damals einen anderen Trainer...

SPOX: ... Sie wollten den damals amtierenden und jetzt wieder engagierten Miguel Soler halten, der von Serra Ferrers eingestelltem Manager Dudu Aouate durch Karpin ersetzt wurde.

Claassen: Richtig. Aouate hat Soler trotz einer herausragenden Saisonvorbereitung entlassen und dann etliche Spieler geholt, von denen der bekanntermaßen teuerste, Marko Scepovic, den Klub schon wieder verlassen hat. Aouate war ein sehr guter Torhüter bei Real Mallorca, dafür habe ich ihn auch mit der Ehrennadel des Klubs ausgezeichnet, aber seine Amtszeit als General Manager wird heute sehr kritisch gesehen. Dass sich Karpin über meine Vorgänger so kritisch äußert und über meine Amtszeit so positiv, ehrt Karpin, zeigt aber auch, wie schwierig die Situation vor meinem Amtsantritt war und wie viel sich seitdem verändert hat. Nachdem ich Karpin entlassen musste, haben wir uns herzlich umarmt und nochmal über eine Stunde geredet. Ich hätte gern mit ihm über mehrere Jahre zusammengearbeitet, weil ich ihn sehr mag und respektiere. Aber man muss situativ entscheiden, und in dieser Situation war ein Trainerwechsel geboten. Dass die Entscheidung richtig war, hat sich in den letzten Spielen gezeigt.

Seite 1: Claassen über die Bedeutung seines Projekts und das Irrenhaus Mallorca

Seite 2: Claassen über die Ziele, Mallorcas Beckenbauer und den Vorteil Tourismus

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