Frankreich: Die Situation im Sturm
WM-Personal: Antoine Griezmann (27, Atletico Madrid), Olivier Giroud (31, FC Chelsea), Kylian Mbappe (19, PSG), Ousmane Dembele (21, FC Barcelona), Nabil Fekir (24, Olympique Lyon), Thomas Lemar (22, Atletico Madrid), Florian Thauvin (25, Olympique Marseille)
Spieler im Blickfeld: Kingsley Coman (22, FC Bayern München), Anthony Martial (22, Manchester United), Alexandre Lacazette (27, FC Arsenal), Wissam Ben Yedder (27, FC Sevilla), Kevin Gameiro (31, Atletico Madrid), Moussa Dembele (22, Celtic), Jonathan Bamba (22, OSC Lille), Jean-Kevin Augustin (21, RB Leipzig), Allan Saint-Maximin (21, OGC Nizza), Alassane Plea (25, Borussia Mönchengladbach)
Situation:
Im Angriff kommt die Frage der zukünftigen taktischen Ausrichtung am deutlichsten zum Tragen. Heruntergebrochen: Wird Frankreich weiter den Fokus auf die Arbeit gegen den Ball legen oder gelingt es, die hoch veranlagten Angreifer besser ins System zu integrieren und dadurch automatisch einen anarchischeren Offensivfußball zu spielen? Ein kleines bisschen Belgien zu emulieren?
Das Potential dazu wäre zweifelsohne da: Kylian Mbappe ist nach der WM zu Recht als bester Jungspieler ausgezeichnet worden. Seine Geschwindigkeit war im Umschaltspiel der Franzosen die größte Waffe. Bereits jetzt ist er aus der Equipe kaum wegzudenken - und das mit gerade einmal 19 Jahren. In der französischen Offensive der Zukunft wird er ein wichtiger Baustein sein.
Ousmane Dembele und Kingsley Coman drängen in die Startelf
Ousmane Dembele begann bei der WM als Stammspieler, war jedoch im Turnierverlauf außen vor. Der 21-Jährige ist einer der talentiertesten Spieler im Kader. Sollte er bei Barca ohne größere Verletzungen bleiben und sich dort festspielen, wird es schwierig vermittelbar sein, auf seine Qualitäten zu verzichten.
Auch Kingsley Coman, der die WM aufgrund einer Verletzung in der Rückrunde verpasste, wird wieder in den Kader drängen. Coman soll beim FC Bayern kurz- bis mittelfristig ein Nachfolger von Franck Ribery und Arjen Robben werden und wird voraussichtlich bereits in dieser Saison Stammspieler sein.
Bis zu seiner Verletzung machte er in der vergangenen Spielzeit unter Jupp Heynckes große Fortschritte in Sachen Effizienz. Comans Vorteil ist, dass er wie Dembele und Mbappe das Tempo für schnelles Umschaltspiel und eine flexible Offensive mit fluiden Positionen mitbringt. Mit allen drei Spielern in der Startelf könnte Frankreich einen deutlich ansehnlicheren Fußball spielen. Aber es wäre eben auch die risikoreichere Variante, da Coman, Mbappe und Dembele nicht die fleißigsten Defensivspieler sind.
Wie sieht die Zukunft von Nabil Fekir und Florian Thauvin aus?
Ähnliche Qualitäten bringt Nabil Fekir mit. Beim 24-Jährigen steht aber die nähere Zukunft noch in den Sternen. Das Theater um einen möglichen Wechsel von Lyon zu Liverpool droht eine der größten Possen des Sommers zu werden. Der Hochgeschwindigkeitsfußball unter Jürgen Klopp könnte Fekir weitere Argumente für eine häufigere Berücksichtigung in der Nationalelf liefern.
Thomas Lemar wechselte im Sommer für 70 Millionen Euro zu Atletico Madrid. Dort wird er unter Diego Simeone vermutlich vor allem in der Arbeit gegen den Ball dazulernen und sich somit stark positionieren, falls Deschamps weiterhin an seiner defensiven Spielidee festhalten wird.
Florian Thauvin kam bei der WM lediglich auf wenige Minuten im Achtelfinale gegen Argentinien. Sollte er Olympique Marseille treu bleiben, könnte es angesichts der großen Konkurrenz eng werden. Schließlich konkurriert OM in der kommenden Saison nicht in der Champions League.
Anthony Martial: Verlässt er Manchester United für eine wichtigere Rolle?
Ein Härtefall bei der WM-Nominierung war Anthony Martial. Der Außenstürmer traf bei Manchester United in der vergangenen Saison zwar neunmal. Der ganz große Hype, den er zu Beginn seiner Karriere entfachte und der im 60-Millionen-Euro-Transfer zu den Red Devils mündete, ist aber abgeklungen.
Allerdings ist Martial auch gerade einmal 22. Er hat das Potential, noch einmal richtig durchzustarten und er ist auf dem Radar von Deschamps (immerhin schon 18 A-Länderspiele).
Das Potential auf den offensiven Außenbahnen ist bei den Franzosen riesig. Mindestens sieben schnelle, kombinationsstarke und torgefährliche Spieler werden sich um die Plätze im Kader streiten. Bleibt Deschamps jedoch dabei, einen größeren Fokus auf die Defensive zu legen, wird es auf dieser Position auch in Zukunft viel diskutierte Nicht-Nominierungen geben.
Die Situation von Olivier Giroud
Weniger luxuriös ist die Auswahl im Sturmzentrum. Während der WM war die Variante mit Olivier Giroud als "Stoßstürmer" die pragmatisch beste Lösung. Und eine Lösung, die Erfolg brachte.
Giroud ist mit 31 Jahren allerdings der deutlich älteste Angreifer im Kader und hat aufgrund seiner fehlenden Torgefahr auf Dauer kaum Argumente, Stammspieler zu bleiben. Weltmeisterbonus und wichtige Defensivarbeit hin oder her, aber null Schüsse aufs Tor während der gesamten WM sprechen eine deutliche Sprache.
Antoine Griezmann ist eher ein Halbstürmer
Bei der Besetzung des Sturmzentrums sind die Alternativen aber dünner als auf den Außen. Antoine Griezmann kann die Rolle zweifelsfrei spielen. Derzeit ist er nach Giroud dort auch die erste Wahl.
Wertvoller ist Griezmann mit seinen Läufen und Pässen aus der Tiefe eher als Halbstürmer. Dort kann er seine Teamkollegen dirigieren. Wie bei der jetzt schon legendären Szene während des Argentinien-Spiels, als er das Team dazu anleitete, nicht nach vorne zu rennen, sondern abzusichern. Als Halbstürmer hat Griezmann zudem die Freiheiten, die er braucht. Auch bei Atletico bringt Griezmann seine Stärken als freier Radikaler neben einem klassischen Stoßstürmer wie Kevin Gameiro oder Diego Costa am effektivsten ein.
Gameiro wäre auch eine Alternative für Frankreich. Ähnlich wie Giroud ist aber auch er kein klassischer Knipser. Das träfe eher auf Alexandre Lacazette zu. Dieser bestätigte seine überragenden Torquoten aus der Ligue 1 nach seinem Wechsel zu Arsenal aber nicht. Celtics Moussa Dembele stand noch vor einem Jahr auf der Wunschliste vieler europäischer Topvereine. Doch er stagnierte in der vergangenen Saison in seiner Entwicklung.
Aufgrund des Überangebots an schnellen Außen auf höchstem Niveau im Gegensatz zur Qualität im Zentrum ist ein flexibles Offensivsystem mit drei nominellen Außen und Griezmann, die untereinander fluide die Positionen tauschen, möglich.