SPOX: Besonders bitter muss es 2008 für Sie gewesen sein, als ihr Traum von Olympia platzte, weil Heiner Brand sie nicht berücksichtigte. Fühlten Sie sich in den vergangenen Jahren nicht entsprechend wertgeschätzt beim DHB?
Heiner Brand im SPOX-Interview
Lichtlein: Das war hart damals, keine Frage. Und ich gebe zu: Da fühlt man sich teilweise schon ein wenig verkannt. Aber jetzt ist meine Chance da. Ich bin davon überzeugt, dass ich sie nutzen werde. Vielleicht hat mich das alles ja auch nur noch einen Schritt voran gebracht.
SPOX: Sie machen zumindest den Eindruck, wirken sehr gefestigt.
Lichtlein: Stimmt schon irgendwie. Ich bin reifer geworden, was mich in den entscheidenden Situationen nach vorne bringt. Ich verspüre mittlerweile Ruhe und Gelassenheit. Das versuche ich an die Mannschaft weiterzuleiten. Die Jungs sollen wissen, dass da einer steht, der Bälle hält und sie in Ruhe vorne weiterspielen können, damit keine Hektik aufkommt.
SPOX: Ruhe strahlte die Mannschaft bisher selbst bei Rückständen aus. Das war vor nicht allzu langer Zeit noch anders. Woran liegt es?
Lichtlein: Wir gehen mit Rückständen bisher tatsächlich sehr gut um. Das liegt vielleicht daran, dass wir eine junge Mannschaft mit unbekümmerten Spielern haben, die sich nicht entmutigen lassen. Das wirkt sich auf die Spielweise aus. Das ist das Schöne, das Erfrischende an unserem Handball. Wir haben verinnerlicht: Selbst wenn wir zurückliegen, geht es weiter und es ergeben sich Chancen zur Wiedergutmachung.
SPOX: Welche Rolle spielt Sigurdsson dabei?
Lichtlein: Er trägt einen großen Teil dazu bei. Weil er diese Ruhe draußen auf der Bank auch dann ausstrahlt, wenn es mal nicht so läuft. Er verfällt nicht in Hektik, gibt klare Anweisungen. Bisher funktioniert das sehr gut.
SPOX: Auch die Spieler sollen untereinander einen sehr respektvollen Umgang pflegen.
Lichtlein: Das ist ein wichtiger Punkt. Auch wenn mal einer einen Fehler macht, wird derjenige von keinem zusammengeschissen oder so etwas. Ganz im Gegenteil: Wir bauen uns gegenseitig auf.
SPOX: Und das gilt auch für Silvio Heinevetter und Sie?
Lichtlein: Selbstverständlich. Klar will jeder spielen, aber wir sind ein Duo. Zwei unterschiedliche Typen, die sich gut ergänzen.
SPOX: Wagen wir einen Blick voraus. Ägypten im Achtelfinale, danach würde Katar warten. Kann man es als Spieler wirklich ausblenden, was sich da für eine riesige Chance für den deutschen Handball ergibt?
Lichtlein: Ihr Journalisten und die Fans schauen schon einen Schritt weiter voraus, das könnt ihr ruhig alle machen. Ihr analysiert die Situation ja auch nicht falsch. Aber es wäre doch fatal, wenn wir ebenso denken würden. Jetzt steht Ägypten an, was definitiv nicht einfach wird. Wir brauchen volle Konzentration. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ergebnisse und Auftritte bisher ganz hart am Optimum waren.
SPOX: Sind diese Auftritte eigentlich zumindest so ein bisschen eine Rechtfertigung für die Wildcard?
Lichtlein: Wir Spieler können für die bösen Stimmen nichts, die es im Vorfeld wegen der Wildcard gab. Darüber wird bei uns auch gar nicht gesprochen. Fakt ist: Wir haben diese Chance bekommen und nun wollen wir sie auch nutzen.
SPOX: Apropos Chance. Durch die WM könnte Rio 2016 plötzlich sehr nahe rücken. Wäre das so etwas wie ein Traum für Sie nach der Enttäuschung von 2008?
Lichtlein: Absolut. Diesen Traum hab ich noch, das ist mein großes Ziel. Ich war noch nie bei Olympia, das will ich einmal erleben. Sollte es 2016 gelingen, ist es gut möglich, dass es das dann mit der Karriere in der Nationalmannschaft war.
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