Der Titel führt nur über Frankreich
Markus Götz: Das muss man so sagen, ja. Wir haben es häufig erlebt, was der Heimvorteil bei so einem Turnier bedeutet. Frankreich ist nach wie vor mit unglaublichem Talent gesegnet. Es kommen auch richtig gute Spieler nach, für mich ist Frankreich der Topfavorit. Trotzdem gibt es ein paar Parameter, die für gewisse Zweifel sorgen. Man muss erst einmal abwarten, wie es mit dem neuen Trainergespann Dinart und Gille funktioniert. Auch die Erwartungshaltung spielt eine Rolle. Der Druck, im eigenen Land liefern zu müssen, ist enorm. Das kann auch mal nach hinten losgehen.
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Sascha Staat: Auch ich gehe schwer davon aus, dass diese These zutrifft. Allerdings sehe ich die Franzosen nicht als den großen, eindeutigen Topfavoriten an, wie das viele andere tun. Claude Onesta hat seinen Platz als Trainer, der mehr ein stiller Begleiter war, geräumt, aber der ehemalige Co-Trainer Dinart und sein neuer Partner Gille standen noch nie komplett in der Verantwortung. Der Druck als Gastgeber ist - wie Markus richtigerweise sagt - entsprechend groß. Hinter den Schlüsselspielern liegt eine enorm lange Zeit mit höchsten Belastungen. Egal ob Thierry Omeyer, Nikola Karabatic oder Daniel Narcisse, sie alle waren bei der EM in Polen mit dabei, schafften es dann bis in das Final Four der Champions League, um schließlich in Rio das Endspiel zu erreichen. Körperlich sind die Grenzen der "Les Experts" definitiv erreicht. Ihre sportliche Klasse könnte dies ein letztes Mal aber wettmachen.
Felix Götz: Wer will dir schon Recht geben, Sascha? Eben: niemand! Aber in diesem Fall komme ich zumindest teilweise nicht drum herum. So klar wie die Buchmacher sehe ich die Franzosen aufgrund der von dir genannten Argumente ebenfalls nicht in der Favoritenrolle. Dänemark, Spanien und Deutschland sind auf jeden Fall auch in der Lage, das Ding zu gewinnen. Selbst die Kroaten würde ich nicht so ganz vom Zettel streichen. Einen wichtigen, von Markus bereits angesprochenen Punkt, sollte man dabei allerdings nicht vergessen: Bei vier der letzten fünf Weltmeisterschaften stand der Gastgeber immer mindestens im Endspiel. Und ich will es mal ganz vorsichtig ausdrücken: Die Schiedsrichter waren dabei selten keine große Hilfe. Das war 2015 in Katar so, das war aber auch 2007 in Deutschland nicht anders.
Henning Fritz: Ich stricke den Favoritenkreis eng und sehe zwei Mannschaften, denen alles zuzutrauen ist. Das ist natürlich Frankreich, das mit seiner alten Generation im eigenen Land den Titel nochmal unbedingt holen möchte - und Deutschland. Ich komme noch einmal auf Olympia zurück: Hätten wir gegen Frankreich von Beginn an nicht diesen Respekt gezeigt, hätten wir gewonnen. Die Franzosen wussten in der zweiten Halbzeit nicht mehr, was sie gegen die deutsche Abwehr machen sollen. Gefühlt sind wir auch stärker als Dänemark, weil wir in der Breite besser aufgestellt sind. Bei den Dänen konzentriert sich das Spiel im Angriff sehr auf Mikkel Hansen. Natürlich haben sie eine gute Abwehr und mit Niklas Landin einen überragenden Torhüter dahinter. Aber das deutsche Spiel ist insgesamt deutlich variantenreicher. Und in der Abwehr hat das DHB-Team alle Tugenden, die man braucht, um sehr gut zu sein.