Sigurdssons Abschied wirft den DHB nicht zurück
Henning Fritz: Dagur Sigurdsson war derjenige, der den Mut hatte, junge Spieler in diese Mannschaft einzubauen. Er hat das Gesicht der Mannschaft deutlich verändert und war damit sehr schnell sehr erfolgreich. Das muss man zunächst einmal festhalten. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass es auch ohne Sigurdsson erfolgreich weitergehen wird, weil wir aktuell so viele gut ausgebildete Spieler haben und die Qualität im deutschen Handball einfach sehr hoch ist. Egal, was der neue Trainer taktisch plant, er hat viele Möglichkeiten, die Basis ist geschaffen. Und ein Blick in die Junioren-Nationalmannschaften zeigt, dass weitere gute Spieler nachkommen.
Markus Götz: Dieser These möchte ich ganz deutlich widersprechen. Meiner Meinung nach hat die Mannschaft in Polen und in Rio extrem von einem ganz außergewöhnlichen Geist profitiert, der in dieser Gruppe und mit diesem Trainer entstanden ist. Ich habe schon jetzt die Befürchtung, dass die Tatsache, dass Sigurdsson nach der WM weg ist, Einfluss auf diesen Geist haben könnte. Ich hoffe, ich werde eines Besseren belehrt. Aber gefühlt ist die Magie bereits jetzt nicht mehr zu 100 Prozent da. Natürlich sehe auch ich wie Henning das große Potenzial, das im deutschen Handball steckt. Doch dass sich das, was in der Zeit unter Sigurdsson positiv passiert ist, unter einem anderen Trainer problemlos 1:1 fortsetzen lässt, glaube ich nicht.
Sascha Staat: Das kommt darauf an, ob der designierte Nachfolger Christian Prokop von den Spielern so akzeptiert wird, wie das bei Sigurdsson vom ersten Tag an der Fall war. Dessen Vorgänger Martin Heuberger hatte definitiv auch ein Autoritätsproblem. Sigurdsson kam als Erfolgstrainer aus der Bundesliga, keiner, vor allem die jungen Akteure nicht, hätten je seine Kompetenz in Frage gestellt. Gelingt es Prokop, die Spieler ähnlich hinter sich zu bringen, wie das dem Isländer bisher gelang, ist der DHB weiterhin gut aufgestellt. Die aktuelle Spielergeneration kann im Kern mindestens noch bis
Tokio 2020 weiterspielen. Akteure wie Andreas Wolff, Paul Drux, Jannik Kohlbacher oder auch ein Tim Suton, der gar nicht bei der WM dabei ist, haben mindestens noch zehn Jahre auf einem hohen Niveau vor sich.
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Felix Götz: Der DHB ohne Sigurdsson - irgendwie kann ich mich an diese Vorstellung noch immer nicht gewöhnen. Sportlicher Erfolg aufgrund seiner ungeheuren Expertise und sozialen Kompetenz, dazu diese sympathische isländische Coolness. Man kann es drehen und wenden wie man will: Sigurdsson ist der perfekte Bundestrainer. Egal, wer nun seine Nachfolge antreten wird - die Fallhöhe ist enorm. Aber es hilft ja nichts, es muss auch nach Sigurdsson weitergehen. Die massive Kritik, die es bei der Suche nach einem neuen Coach an der DHB-Führung zuletzt gegeben hat, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Bob Hanning & Co. haben sich ein gewisses Vertrauen verdient. Schließlich wurden in den vergangenen Jahren beim DHB unter dem Strich nicht die schlechtesten Entscheidungen getroffen.
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