SPOX: Die BBL steigert sich stetig und bietet mit dem Wettstreit von Alba, den Bayern und Bamberg den Nährboden für das weitere Wachstum des deutschen Basketballs. Wird dieser aber vom sportlich schwachen Abschneiden des DBB in Gefahr gebracht?
Baldi: Wir müssen uns die Frage stellen: Wie soll die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der BBL und dem DBB konkret aussehen? Es gibt sie aktuell praktisch kaum. Bei allem gegenseitigem Respekt müssen wir jetzt die Kräfte bündeln. Vor ungefähr zehn Jahren fing die BBL an, sich quantifizierbare Ziele zu setzen und einen Businessplan aufzustellen. Seitdem messen wir uns konkret an Budgetzahlen, am Zuschauerinteresse, an der Quote an eingesetzten deutschen Spielern und so weiter. Ich glaube, dass der DBB jetzt so weit ist, sich ebenfalls messbare Ziele zu setzen. Denn erst so besitzen wir die Basis, um effektiv zusammenzuarbeiten und in eine Richtung zu rudern. Die Voraussetzungen sind gegeben. Mit dem neuen Vizepräsidenten Armin Andres verantwortet jemand den Leistungssport beim DBB, der die Motivation mitbringt, etwas zu bewegen. Dazu wird ein Gremium aus BBL- und DBB-Vertretern initiiert, die sich ähnlich wie früher der "Beirat für Spitzensport" zusammensetzt, um die vielen Themen anzugehen: Wie gehen wir mit den A-Nationalspielern um? Was ist mit den Juniorennationalspielern? Wie werden Spielpläne abgestimmt? Wie sieht die Trainerausbildung aus? Es gibt 1000 Themen. Wenn wir sie richtig angehen, werden wir alle erheblich profitieren.
Tim Ohlbrecht im SPOX-Interview
SPOX: Was ist mit der ungeklärten Frage, wer der neue Bundestrainer wird?
Baldi: Das ist die klare Aufgabe des DBB. Man hat sich sicherlich keinen Gefallen getan, in diesem Jahr so lange zu warten. Deswegen fand vor der EM-Qualifikation praktisch keine Kommunikation mit den Nationalspielern statt. Es kann sich niemand vom Verband beschweren, dass einige von ihnen an der Summer League teilnahmen oder sonstige Pläne hatten. Jetzt ist etwas Zeit da. Wichtig ist, dass die Anforderungen und das Profil genau definiert sind, um den passenden Trainer zu engagieren.
SPOX: Sie begleiten den deutschen Basketball seit 30 Jahren und erlebten viele Höhen und Tiefen der BBL und des DBB. Kennen Sie das Gefühl, dass Ihnen die Welt zu klein wird und Sie etwas Neues ausprobieren wollen? Sie sollen in der Vergangenheit Angebote aus dem Fußball erhalten haben.
Baldi: Es waren zwei Fußball-Bundesligisten dabei. Es gab andere interessante Optionen, Basketball-Klubs aus dem Ausland und einiges auf Verbandsebene. Ich sage das nicht, um zu kokettieren, sondern um zu verdeutlichen, dass ich keinen Karriereplan verfolge. Ich habe mir nie vorgenommen, 25 Jahre für Alba zu arbeiten. Genauso wenig hatte ich den Wunsch, bei der erstbesten Gelegenheit ein vermeintlich besseres Angebot anzunehmen. Jedes Mal, wenn ich in mich hineinhorche, weiß ich, dass mich Alba Berlin nach wie vor erfüllt und reizt.
SPOX: Bambergs ehemaliger Macher Wolfgang Heyder sprach immer ähnlich über seinen Klub und rückt nun - freiwillig oder nicht - in den Nachwuchsbereich zurück. Kommen Gedanken hoch, ob es einem irgendwann ähnlich ergehen könnte?
Baldi: Ich möchte die Vorgänge in Bamberg nicht bewerten, wobei ich es persönlich sehr bedauere. Es gibt alte Kempen wie Wolfgang oder früher Otto Reintjes, die Blut, Schweiß und Tränen investiert haben, um den Basketball voranzubringen. Daher habe ich eine Träne im Augenwinkel. Es kann wie bei Wolfgang bei mir mal der Punkt kommen, an dem ich feststelle, dass ich mich nicht mehr mit der Klubstruktur identifizieren kann. Oder umgekehrt. Ich habe Alba mit groß gezogen, sehe es wie ein eigenes Kind - und irgendwann wird man es loslassen. Aber es wird immer in meinem Herzen bleiben, egal was passiert.
SPOX: 2014 feiert Alba Berlin beziehungsweise der Vorgängerverein BG Charlottenburg das 25-jährige Jubiläum. Sie sind seit 24 Jahren dabei. Was macht die Faszination Alba aus?
Baldi: Es ist die gesamte Stadt Berlin. Als ich 1990 anfing, ging das fast zeitgleich einher mit dem Mauerfall. Ich konnte Teil dessen sein und dabei helfen, dass mit Alba ein Klub entstand, der Ost und West vereint. Ein Klub, der viele Erfolge vorweist, immer neue Wege ging, mittlerweile zum mitgliedstärksten deutschen Basketballverein geworden ist und mit seinem Wirken über 25 Jahre ein hohes internationales Ansehen aufgebaut hat.
SPOX: Die Anfangszeiten sollen vogelwild gewesen sein. Es heißt, Sie hätten im ersten Jahr nichts verdient. Wie wurden Sie überhaupt überzeugt?
Baldi: Von einem, den die gesamte Alba-Familie vermisst: Unser Mannschafts-Arzt Gerd-Ulrich Schmidt, der vor vier Jahren leider viel zu früh verstarb. Ich kannte ihn aus meiner aktiven Zeit. Als ich von Berlin nach Ludwigsburg gewechselt war und parallel mein Studium beendet hatte, rief er mich zwei Jahre lang bestimmt alle vier, fünf Wochen an und forderte mich auf: "Wir sind in Berlin soweit, alles steht, wir brauchen nur einen, der die Fäden zusammenbindet!" Ich dachte mir: Was gibt es Aufregenderes für einen basketballverrückten Menschen, als in Berlin etwas auf die Beine zu stellen? Ich traf mich also mit dem damaligen Präsidenten, mit dem ich einen Vertrag aufsetzte. Ich war wohl ziemlich blauäugig - und wurde gleich mit der Realität konfrontiert. Es war einfach gar nichts da und wir hatten drei Monate Zeit, um bis zum Saisonstart ein Team aufzustellen und das Nötigste für den Spielbetrieb zu organisieren. Ich bekam im ersten Jahr keinen Cent, der Präsident meinte: "Du bist der Manager, du besorgst die Kohle, also schau', wo du sie herkriegst." Natürlich hätte ich kündigen und wieder verschwinden können.
SPOX: Aber?
Baldi: Ich konnte in der Wohnung eines ehemaligen Mitspielers unterkommen. Es sollten eigentlich nur ein paar Wochen sein, es wurde allerdings über ein Jahr. Um etwas Geld zu verdienen neben der Arbeit für das Basketball-Projekt, kam ich kurz nach dem Mauerfall über einen anderen Kumpel zu einem Backkombinat, das von der Treuhand gerade übernommen wurde. Sie engagierten mich als eine Art Marketingberater. Für mich öffnete sich so eine komplett neue Welt. Es war tough. Zwei-, dreimal in der Woche fing ich morgens um 6 Uhr früh im Backkombinat an und fuhr dann um 9 Uhr rüber in den Westen, um von Grund auf einen Basketball-Verein aufzubauen. Meistens war ich bis Mitternacht unterwegs. Ich hatte also zwei komplett unterschiedliche, herausfordernde Projekte gleichzeitig - und für diese Einblicke bin ich bis heute sehr dankbar.
SPOX: Inwiefern?
Baldi: Nur ein paar Beispiele: Im Backkombinat waren an die 1500 Mitarbeiter - und im gesamten Betrieb nur ein Telefon. Besprechungen fanden mit bis zu 40 Leuten statt - und 10 Sekretärinnen tippten anschließend das Protokoll, weil es keinen Kopierer gab. In der Produktionshalle, wo die Backstraße stand, saßen zig Spatzen unter dem Dach, so dass man hier und da Vogelkot vom Brötchen wegwischen musste, bevor sie in den Verkauf gingen. Und alles wurde mit Bargeld bezahlt. Ich wusste nicht einmal, ob die Firma überhaupt ein Konto besaß. Meine Hauptaufgabe war allerdings, die ganzen Hasardeure, die aus dem Westen kamen, abzuwehren. Davon, eine Marke aufzubauen, waren wir himmelweit entfernt. Dafür war es ein tiefer, wertvoller Einblick beim Zusammenwachsen zweier Wirtschaftssysteme.
SPOX: Welchen Job hatten Sie vor der Zeit in Berlin?
Baldi: Ich hatte während des Studiums und dem Basketballspielen in Ludwigsburg nebenbei ein Praktikum bei einem Startup-Unternehmen absolviert, das schnell auf 250 Mitarbeiter wuchs. Die Firma war spezialisiert auf Hightech-Lösungen für Werkzeugmaschinen. Ich bekam das Angebot, nach dem Praktikum und ohne jede Berufserfahrung als Marketingleiter zu beginnen. Ich sollte ein Firmenmarketing aufbauen und hatte in meinem Büro zunächst nur ein leeres Blatt und einen Stift. Das war ähnlich wie bei Alba - nur dass ich Budget zur Verfügung hatte. (lacht) Ich bin sehr dankbar für die Chance und die Erfahrung, merkte aber nach einiger Zeit, dass die Branche nichts für mich war. Ich bin kein Technik-Freak und ich wollte immer meiner Leidenschaft nachgehen: Basketball.
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