SPOX: Sie steigen am Samstag zum Abschluss der Super-Six-Vorrunde gegen Carl Froch in den Ring und treffen damit zum dritten Mal in den letzten drei Kämpfen auf einen hochklassigen Boxer. Die Klitschkos hingegen suchen sich zweit- oder drittklassige Gegner aus, verdienen dennoch eine Millionengage und erfreuen sich trotz einseitiger Kämpfe großer Beliebtheit. Ist das fair?
Arthur Abraham: Gerecht oder ungerecht ist keine Kategorie, in der ich denke, weil jeder für sich selbst wissen sollte, was das Beste für einen ist. Mir bedeutet es zum Beispiel sehr viel, mich im Boxen der ultimativen Herausforderung zu stellen und am Super Six teilzunehmen. Egal ob ich gewinne oder verliere, der nächste Kampf wird mindestens genauso hart. Das macht für mich den Reiz aus. Einige wären mit der Gnadenlosigkeit des Turniers aber wohl überfordert.
SPOX: Ein Seitenhieb in Richtung Klitschkos?
Abraham: Um das vorweg zu sagen: Die Klitschkos sind richtig gute Boxer und sie können nichts dafür, dass im Schwergewicht anders als in meinem Super-Mittelgewicht die Qualität in der Breite fehlt, um für jeden Kampf einen interessanten Gegner zu finden. Witali Klitschkos Kampf gegen Shannon Briggs haben 13 Millionen Menschen in Deutschland gesehen - doch diese 13 Millionen bekommen einen völlig falschen Eindruck von der Sportart. Im Super Six hingegen wird den Zuschauern alles geboten: zwei Weltklasse-Boxer, ein interessantes Turnierformat und zwei WM-Gürtel, die auf dem Spiel stehen. So etwas fasziniert. Mehr Mut würde den Klitschkos nicht schaden.
SPOX: Die Klitschkos haben jedoch Planungssicherheit, während Sie im Falle einer erneuten Niederlage im schlimmsten Fall zwei, drei Jahre auf eine erneute Weltmeister-Chance warten müssten.
Abraham: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mich so sehr unter Druck setze wie noch nie. Ich muss unbedingt siegen, ich muss einfach. Meine Zukunft steht auf dem Spiel. Die Disqualifikation gegen Andre Dirrell war eine Katastrophe und schmerzt seit Monaten höllisch, und der Schmerz kann nur durch einen Sieg gegen Froch gelindert werden.
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SPOX: Einige Experten urteilten, dass der Dirrell-Kampf endgültig bewiesen hätte, dass sie taktisch limitiert seien. Froch sagte jüngst: "Abraham ist ein roher, eindimensionaler Kämpfer und jeder weiß, wie er boxen wird." Haben die Kritiker recht?
Abraham: Natürlich haben wir den Dirrell-Kampf analysiert und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ich vielseitiger werden muss. Ich darf nicht einfach so die ersten Runden abgeben und darauf hoffen, am Ende aufzudrehen. Die wichtigste Lehre war, dass ich aggressiver starten und mehr Risiko gehen muss. Wir haben das Trainingsprogramm dahingehend umgestaltet.
SPOX: Ein weiterer Kritikpunkt: Sie sind erst vor zwei Kämpfen aus dem Mittelgewicht ins Super-Mittelgewicht aufgestiegen und seien von daher nur bedingt konkurrenzfähig.
Abraham: Dann fragen Sie mal Jermain Taylor, wie konkurrenzfähig ich bei meinem K.o.-Sieg gegen ihn war. Die Frage um Gewichtsklassen wird überbewertet, denn entscheidend ist doch die Einstellung. Manny Pacquiao wurde zuletzt in seiner achten Gewichtsklasse Weltmeister. In seiner achten! Das ist doch Beweis genug, dass der Wille wichtiger ist als alles andere.
SPOX: Es heißt, dass Sie Probleme haben, über einen langen Zeitraum eine hohe Trainingsintensität durchzuhalten. Deswegen wird gemunkelt, dass Dirrell immer wieder eine Verletzung vorgetäuscht hat, um - am Ende erfolgreich - den Kampftermin nach hinten zu verschieben. Mitte September hat nun Froch überraschend erklärt, dass er sich am Rücken weh getan habe und der Fight deswegen erst im November und nicht im Oktober stattfinden könne. Zufall?
Abraham: Natürlich hat er sich nicht verletzt. Das sind die klassischen Methoden eines Simulanten, um sich irgendwie einen Vorteil zu verschaffen. Wenn man nicht boxen will, kann man immer tausend Gründe finden.
SPOX: Dennoch bleibt das Problem der sehr langen Vorbereitungsphase.
Abraham: Deswegen haben wir nach Frochs Absage das Training dosiert und ich habe etwas locker gelassen, um in den letzten Wochen noch einmal richtig anzuziehen. Von daher sehe ich überhaupt keine Probleme auf mich zukommen. Ich fühle mich blendend.
SPOX: Egal ob echt oder simuliert: Verletzungen überschatten das Super-Six-Turnier. Der Ausstieg von Taylor, Dirrell und Mikkel Kessler führte zu Konfusion und zur kuriosen Situation, dass sich Ersatzmann Glen Johnson mit nur einem Kampf für das Halbfinale qualifiziert hat...
Abraham: ... das alles ist aber unerheblich. Ich sehe es ganz pragmatisch: Ich freue mich für jeden, der tatsächlich boxen will und sich der Herausforderung stellt. Das ist das absolut Entscheidende, um den Zuschauern gute Kämpfe zu liefern. Ich glaube Kessler, wenn er sagt, dass er wegen Augenproblemen aufhören musste. Aber bei Dirrell klingt es danach, als ob er eine Ausrede gesucht hat, um auszusteigen. Warum soll dann jemand wie er am besten Box-Turnier der Welt teilnehmen?
SPOX: Sie hingegen planen, das Super Six als Sprungbrett für eine große Karriere in den USA zu nutzen, um dort so berühmt zu werden wie Max Schmeling. Ein realistisches Ziel?
Abraham: Absolut, dieses Ziel verfolge ich mit allen Kräften. Schmeling war eine große Nummer in den USA, und ich will der zweite deutsche Boxer sein, dem das gelingt. Es wird schwierig, aber mit dem Super-Six-Triumph und zwei WM-Gürteln sollte es machbar sein, den amerikanischen Markt zu knacken und dort drei, vier große Kämpfe zu veranstalten.