Golden Boy mit Makel

Canelo Alvarez will gegen Amir Khan seine Ambitionen auf den Pound-for-Pound-Thron untermauern
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Knockout? Kontrolle!

Aufgrund seiner Kombinationen sowie des Drucks, den sein Offensivpotential mit sich bringt, ist die Kontrolle über das Geschehen im Ring ebenfalls ein wichtiger Vorzug des gereiften Mexikaners. Hier kommt vor allem der langezogene linke Haken ins Spiel, der den Gegner dazu zwingt, sich zur eigenen linken Seite zu bewegen. Eine Bewegung, die Canelo mit einem linken Aufwärtshaken oder einer Rechten, in die sich sein Gegenüber hinein bewegt, ausnutzt.

Zieht Canelo den Haken nicht bis zum Kinn durch, landet dieser im mittleren Körperbereich seines Kontrahenten. Generell entspricht die gute Arbeit zum Körper, den Erwartungen, die an einen Boxer aus der mexikanischen Schule nahezu vorausgesetzt werden. Durch seine Variabilität kann er Haken in sämtlichen Varianten einstreuen. Gegen Shane Mosley zeigte er etwa einen rechten Aufwärtshaken Richtung Kopf als Finte, nur um den US-Amerikaner mit dem linken Haken schwer in dessen Körpermitte zu treffen.

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Raum für Verbesserungen

Auch der Jab Canelos kann sich durchaus sehen lassen, wenngleich er mit seiner Führhand noch deutlich mehr im petto hat. Im Vergleich zum regulären Jab, der in der Regel aus der Grundposition mit der linken Schulter deutlich vor der rechten geschlagen wird, zieht der Mexikaner seine linke Schulter zurück, legt so sein Körpergewicht auf den linken Teil der Hüfte und nachfolgend in den Schlag, der für den Gegenüber überraschend schnell und hart kommt. Ein Ausweichen ist kaum möglich. Doch auch beim Mexikaner ist nicht alles Gold, was glänzt.

Die schnellsten Hände im Boxsport hat Canelo nicht. Ein Umstand, der vor allem gegen bewegliche Boxer wie Erislandy Lara zu Problemen führen kann - und auf den auch sein nächster Gegner, Amir Khan, große Hoffnungen setzen wird. Gegen den Kubaner brachte Canelo, der nicht zu den mobilsten Kämpfern gehört, bei seinem Sieg via Split Decision nur 22 Prozent seiner Schläge ins Ziel. Ähnliche Probleme hatte er gegen Mayweather. Auch seine Beinarbeit und die Fähigkeit den Ring abzuschneiden haben noch Luft nach oben.

Treffen und getroffen werden

Aufgrund der offensiven Grundhaltung und der Power wird die Defensive Canelos hingegen oftmals falsch eingeschätzt. Zumal er inzwischen auch aus der selbiger heraus in Form von Kontern erheblich mehr Schläge anbringen kann, als es noch vor Jahren der Fall war. Weshalb ihm auch Trainer-Legende Freddie Roach unlängst "eine große Entwicklung, die noch lange nicht zu Ende ist", attestierte.

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In der Regel ist es aber Canelo, der Druck aufbaut und im Vorwärtsgang agiert, ohne dabei die Geduld zu verlieren, seine defensiven Bewegungen des Kopfs sind zudem inzwischen ein probates Mittel. Seine Auffassungsgabe und die Fähigkeit, den Gegner zu timen, stechen heraus und werden gegen Khan von Bedeutung sein.

Dennoch muss Canelo durch seine Art vor allem mit dem Kopf Schlägen auszuweichen und nicht wie Mayweather mit einer kompletten Bewegung, hin und wieder auch Treffer einstecken. Da er zuletzt mit körperlich unterlegenen Gegnern - zu denen trotz seiner Leistungen auch ein Miguel Cotto zu zählen ist - im Ring stand, konnte er diesen Umstand gut verschleiern.

Auch Khan dürfte nicht die höchste Knockout-Gefahr für den Mexikaner darstellen. Deshalb dürfte nur eine überzeugende Vorstellung und ein vorzeitiges Ende aus eigener Sicht den Ansprüchen in der Nacht auf den 8. Mai genügen. Danach muss sich der neue Golden Boy des Boxsports zeitnah Herausforderungen stellen, die keinen Raum für Zweifel lassen.

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