Er werde sich auf die Rennen am Wochenende über die halbe Stadionrunde und in der Staffel vorbereiten. "Ich weiß, dass ich in jetzt guter Form bin und werde mich darauf fokussieren, über die 200 Meter gut auszusehen", ließ der Jamaikaner wissen, dessen Ausschluss die Kritik an der Startregel angeheizt hatte.
"Regeln sind keine Spielmasse"
Nach dem spektakulärsten Fehlstart der Leichtathletik-Geschichte war der Weltverband IAAF um das Ende der Diskussionen über die umstrittene Regel 162.7 bemüht. "Wir haben keine Regeln für Stars, sie gelten für alle und sind keine Spielmasse", sagte Councilmitglied Helmut Digel aus Tübingen der "dapd".
Auch Digels Amtsbruder Frankie Fredericks, der frühere 200-Meter-Weltmeister aus Namibia, sah für eine Ac-hoc-Entscheidung weder Anlass noch Möglichkeiten: "Wer die Regeln bricht, muss sanktioniert werden. Ich mag die Regel. Wir können sie auch nicht einfach ändern."
Noch am Abend des von Bolts Trainingskollegen Yohan Blake gewonnenen 100-Meter-Finals hatten sich aktuelle und frühere Sprinter für eine Lockerung des umstrittenen Paragrafen stark gemacht. Bronzemedaillengewinner Jim Collins nannte die Vorschrift "Unsinn", weil die Zuschauer Bolt sehen wollten.
Sydney-Olympiasieger Maurice Greene war schon immer gegen sie und wiederholte seine Kritik ("grausam"), der derzeit verletzte Tyson Gay hatte sie auch stets abgelehnt. Jamaikas Sportministerin Olivia Grange bezeichnete die Regel als "verrückt".
Nur Kongress kann Regeln ändern
Digel verwies Meldungen in das Reich der Fabel, wonach das 27-köpfige Spitzengremium am kommenden Sonntag über eine Reform der erst seit Januar 2010 geltenden Vorschrift beraten oder gar abstimmen werde.
"Eine Regeländerung kann nur der Kongress mit Stimmenmehrheit beschließen", erklärte der Funktionär. Die Vertreter der 210 Mitgliedsländer treffen sich erst wieder unmittelbar vor der Weltmeisterschaft 2013 in Moskau. Auch bei Olympia 2012 wird sich also Usain Bolt keinen Fehlstart erlauben dürfen, wenn er seine Titel erfolgreich verteidigen will.
Regel 162.7 besagt, dass frühzeitiges Zucken oder gar Verlassen der Startblöcke zum Ausschluss des Läufers führt. Die Änderung zum 1. Januar 2010 wurde auf dem Kongress 2009 in Berlin mit 97:55 Stimmen beschlossen. Bis dahin war sieben Jahre lang eine Bestimmung gültig, wonach pro Rennen ein Fehlstart insgesamt erlaubt war.
Der Athlet, der dann den zweiten verursachte, erhielt die Rote Karte. So geschehen bei der Leichtathletik-WM 2003 in Paris, als US-Sprinter Jon Drummond für einen Eklat sorgte. Weil er die Disqualifikation nicht akzeptieren wollte, legte er sich auf die Bahn und blockierte minutenlang den Ablauf.
Schritt gegen Zocker
Dabei war gerade die schnelle Abwicklung von Läufen das Argument für die IAAF gewesen, die althergebrachte Regel zu kippen, nach der sich jeder Athlet einen Fehlstart leisten konnte. Das hatte dazu geführt, dass durch Zocker in den Startblöcken die Zeitpläne und damit die Fernsehübertragungszeiten durcheinandergerieten.
Zocker wie 9,9-Sekunden-Sprinter Drummond, der 1993 in Monaco das Limit von 0,100 Sekunden - eine noch kürzere Reaktionszeit wird als Fehlstart gewertet - auf die Tausendstel ausgereizt hatte. Bei Bolt betrug am Sonntag die Reaktionszeit -0,104 Sekunden. Er verließ den Startblock also schon vor dem Schuss.
Der schnellste Mann der Welt, der sich am Sonntag selbst besiegt hatte, dankte am Montag "allen Leuten, die mir gute Wünsche geschickt haben. Ich werde mein Bestes geben, um euch über die 200 Meter stolz zu machen." Und sich auch.