UFC

Die Nacht der Entscheidungen

Von Oliver Copp
Der Kampf des Abends in Houston: Frankie Edgar vs. Gray Maynard
© ufc

Wenn am Samstag, den 8. Oktober im Toyota Center in Houston, Texas vor dem Hauptkampf zwischen Frankie Edgar und Gray Maynard (So., 3 Uhr im LIVESTREAM) die Lichter ausgehen, wird weit mehr auf dem Spiel stehen als nur die Leichtgewichtsmeisterschaft der Ultimate Fighting Championship. Es geht um das, was man im Englischen als "bragging rights" bezeichnet: das Wissen, dass der Gegner einem das Wasser nicht reichen kann.

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Fragt man Leichtgewichtsmeister Frankie "The Answer" Edgar, wird man natürlich gesagt bekommen, dass er seinen Titel unbedingt behalten will. Doch diese Antwort ist nur die halbe Wahrheit.

Tatsächlich ist das erfolgreiche Verteidigen der Weltmeisterschaft ein angenehmer Nebeneffekt, dem etwas ganz anderes übergeordnet ist: den einen Gegner, gegen den man kein Bein auf den Boden zu bekommen scheint, endlich in seine Schranken verwiesen zu haben.

Blog-Vorschau zu UFC 136

Der Spitzenringer Gray Maynard hat sich bislang als die eine Hürde erwiesen, die der Weltmeister nicht überspringen konnte. Nicht in ihrem ersten Kampf vor dreieinhalb Jahren, in dem sich Maynard auf allen drei Punktrichterzetteln jede Runde sicherte.

Die Sache mit dem Angstgegner

Und auch nicht in ihrem Titelkampf bei UFC 125 am 1. Januar dieses Jahres, wo Edgar unglaubliches Kämpferherz bewies, nachdem er in der ersten Runde fast ausgeknockt wurde und trotz allem wieder in den Kampf zurückfand und eine schier aussichtslose Situation noch in ein Unentschieden drehte.

Doch eine Niederlage und ein Unentschieden sind nicht das, was ein Weltmeister will. Ein Weltmeister will der Beste seiner Gewichtsklasse sein - ohne Wenn und Aber.

Nur wie kann man der Beste sein, wenn es einen Angstgegner gibt, dem man einfach nicht beizukommen scheint? Demnach ist es wenig überraschend, dass Frankie Edgar den dritten Kampf der beiden um jeden Preis gewinnen will.

Er will Gray Maynard schlagen - die Weltmeisterschaft rückt dabei in den Hintergrund. Doch auch der Ringer hat mit Zweifeln zu kämpfen, denn wenn jemand einen Gegner in der ersten Runde gleich dreimal am Rande der Niederlage hat und einfach den Sack nicht zubekommt, dann freut man sich auch wenig darüber, dass der andere nicht gewonnen hat.

Ausgang völlig offen

Maynard war sich im letzten Aufeinandertreffen sicher, dass er Edgar gleich in der Eröffnungsrunde klein kriegen würde und verausgabte sich so, dass er nach der Runde in ein Adrenalinloch fiel, aus dem er die restlichen vier Runden nicht mehr herauskam.

Dies frustrierte ihn nach eigenem Bekunden erheblich, war er doch in seiner ganzen Karriere noch nie in ein solches Loch gefallen.

Das Interessante an diesem Fight ist, dass man wirklich nicht sagen kann, wie er ausgehen wird. Frankie Edgar ist nicht nur der Weltmeister, sondern entzauberte UFC-Legende BJ Penn gleich doppelt. Er ist schnell, verfügt über ausgezeichnetes Striking und Beinarbeit, die ihresgleichen sucht.

Gray Maynard hat sich in den letzten Jahren von einem eindimensionalen Ringer zu einem vielseitigen Kämpfer entwickelt, der auf den Beinen eine ebenso gute Figur macht wie am Boden. Beide sind unglaublich zäh, und man kann auf beiden Seiten Argumente finden, warum der eine oder andere Kämpfer gewinnen wird.

Kenny Florian vs. Jose Aldo

Am Ende bleibt uns nur, gespannt abzuwarten, wie sich der Hauptkampf von UFC 136 in Houston entwickelt. Auch im zweiten Main Event geht es um UFC-Gold, wenn der seit sechs Jahren ungeschlagene Federgewichtsmeister Jose Aldo auf einen der bekanntesten Namen der UFC trifft, den Ultimate Fighter-Veteranen Kenny Florian.

Anders als im Kampf um die Leichtgewichtsmeisterschaft scheinen sich die Experten hier allerdings weitgehend einig zu sein, dass es einen klaren Favoriten gibt.

Kenny Florian kam im Jahr 2005 als einer der Kandidaten der ersten Staffel von The Ultimate Fighter zur UFC. Er stand im Mittelgewichtsfinale der Realityshow gegen Diego Sanchez und ging sang- und klanglos unter.

Als Mittelgewicht war Florian viel zu klein und wechselte zunächst ins Weltergewicht, dann ins Leichtgewicht. Im Oktober 2006 bekam er die Chance, gegen Sean Sherk um die vakante Weltmeisterschaft anzutreten.

Anders als vorhergesagt ging Florian mit dem späteren Champion über die volle Distanz und war zu keinem Zeitpunkt chancenlos.

Florian will Aldo deklassieren

In den nächsten drei Jahren war Florian der Kämpfer in der UFC, der sich am kontinuierlichsten verbesserte und sich Schritt für Schritt zu einem echten Weltmeisterschaftsanwärter mauserte.

Im Titelkampf gegen Meister BJ Penn hatte er jedoch eine völlige Ladehemmung und wurde über vier Runden vorgeführt und schließlich mit einem Würgegriff besiegt. Es folgten imposante Siege gegen Clay Guida und Takanori Gomi, bevor Florian gegen Gray Maynard ins Octagon stieg, um den nächsten Herausforderer auf die Krone auszumachen.

Die Geschichte wiederholte sich, Florian bekam völlig unerwartet kein Bein auf den Boden, wurde vom körperlich viel stärkeren Maynard überwältigt und zog für sich die Konsequenz, sein Glück im Federgewicht zu versuchen. Nun trifft der Mann, dem der Ruf anheftet, im Ernstfall wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen, auf einen der dominantesten Kämpfer unserer Zeit: Jose Aldo.

Zwölf Siege in Folge, davon sieben der letzten neun vorzeitig durch Knockout oder technischen Knockout - das jagt den meisten Kämpfen in der Gewichtsklasse einen Schauer durch Mark und Bein. Nicht so Florian. Der Amerikaner ist völlig überzeugt davon, dass er Jose Aldo nicht nur dominieren, sondern deklassieren wird.

Nächster Herausforderer für Anderson Silva gesucht

Mit dieser Meinung steht er allerdings allein da, denn Experten, Fans und Kämpfer sind sich einig: Aldo wird durch Florian hindurchmarschieren und ihn blamieren.

Der Glaube versetzt manchmal Berge - man denke nur an Dennis Sivers Kampf gegen George Sotiropoulos in Sydney zurück. Vielleicht gelingt Kenny Florian die Sensation, das Unmögliche... doch die Chancen dafür stehen nicht gut.

Der dritte Hauptkampf im Bunde trägt Zündstoff in sich, denn das unterhaltsame Enfant Terrible der UFC, Chael Sonnen, kehrt nach einjähriger Abstinenz ins Octagon zurück und trifft auf den hochdekorierten Ex-Marinesoldaten Brian Stann. Der Sieger wird zum nächsten Herausforderer auf Mittelgewichtsmeister Anderson Silva.

Sonnen, der zuletzt mit einigen regulatorischen und rechtlichen Problemen zu kämpfen hatte, brachte den Weltmeister in seinem letzten Kampf an den Rand einer Niederlage und ließ ihn zum ersten Mal in seiner UFC-Karriere schlagbar wirken.

Kleinkrieg zwischen Silva und Sonnen

Sonnen dominierte auf den Beinen und am Boden. Über viereinhalb Runden traf er Silva über 300-mal und brach damit den UFC-Rekord für die meisten Treffer in einem Kampf.

Der Weltmeister nutzte nur zweieinhalb Minuten vor Schluss eine Unaufmerksamkeit Sonnens, nahm seinen Herausforderer in einen Triangle Choke und zwang ihn damit zur Aufgabe. Seitdem tobt ein Kleinkrieg zwischen Silva und Sonnen, der in der UFC-Geschichte seinesgleichen sucht.

Während Sonnens Dopingsperre mauserte sich der frühere WEC Weltmeister Brian Stann mit vorzeitigen Siegen gegen Mike Massenzio, Chris Leben und Ex-Sengoku-Weltmeister Jorge Santiago heimlich, still und leise zur zweiten großen Macht im Mittelgewicht in der UFC.

Der charismatische Ex-Marine ließ der UFC damit keine andere Wahl, als ihn gegen Sonnen aufzustellen, denn der Sieger hat ohne Zweifel den nächsten Titelkampf verdient.

Sonnen noch nie ausgeknockt

Sonnens Schwachstelle ist seit jeher seine Anfälligkeit für Aufgabegriffe. Kein Kämpfer auf seinem Leistungsniveau hat mehr Siege verschenkt, indem er sich förmlich in den Aufgabegriff seines Gegners hineingelegt hat als er.

Jeremy Horn, Babalu Sobral, Paulo Filho, Demian Maia und Anderson Silva haben Sonnen in den letzten Jahren alle durch vermeidbare Aufgabegriffe besiegt. Auf der anderen Seite gibt es im Mittelgewicht keinen besseren Ringer als ihn.

Er geht aggressiv in den Infight und knallt seine Gegner auf gefühlt einhundert verschiedene Weisen auf die Matte. Er macht von der ersten bis zur letzten Sekunde Druck, wird nicht müde und hat ein Kinn aus Granit. Tatsächlich wurde Chael Sonnen in seiner inzwischen vierzehn Jahre umfassenden Karriere noch nie ausgeknockt.

Das könnte sich als Zünglein an der Waage erweisen, denn Brian Stann ist dafür bekannt, den Standkampf zu bevorzugen und den Knockout zu suchen. Berüchtigt ist der amerikanische Kriegsheld allerdings dafür, dass er im sportlichen Bereich ein "front runner" ist, also jemand, der sensationell gut aussieht, solange der Gegner mitspielt.

All American vs. Enfant Terrible?

In der Vergangenheit kam Stann nie gut mit zähen Kämpfern klar, deren Taktik es ist, ihm Stück für Stück den Schneid abzukaufen. Er machte in seinen letzten Kämpfen gegen Ringer eine alles andere als gute Figur: drei Niederlagen in drei Kämpfen.

Auf dem Papier ist Chael Sonnen der Favorit, aber es wäre ein Fehler, Brian Stann zu unterschätzen. Im Irak hatten ihn Aufständische sechs Tage lang mit seiner Einheit eingekesselt und unter Dauerbeschuss genommen. Er behielt einen kühlen Kopf und brachte seine Männer ohne Verluste nach Hause.

Das weiß auch der sonst immer laute und respektlose Sonnen, der sich im Vorfeld dieses Kampfes ungewohnt zurückhaltend zeigte und immer wieder betonte, dass er nichts Schlechtes über seinen Gegner, einen Volkshelden, sagen werde.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Schlacht am Samstag nicht vom Körper entschieden werden wird, sondern von der Psyche. All American oder Enfant Terrible - wer wird das Rennen machen?

UFC 136 wird in der Nacht von Samstag auf Sonntag ab 3 Uhr auf SPOX.com und UFC.tv übertragen. Die Vorkämpfe starten um Mitternacht auf facebook.com/UFC.

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