Karrramba: Am 1. Juli war Trainingsauftakt. Einem Trainingslager in Neuruppin ein weiteres in Zell am Ziller. Unter anderem stehen schon Testspielsiege gegen den FC Valencia, RB Salzburg und 1860 München zu Buche. Eine intensive, anspruchsvolle Vorbereitung! Kannst Du persönlich schon einige Schlüsse aus dem bisher gesehenen ziehen?
Arnd Zeigler: Für mich deutet sehr viel darauf hin, dass Werder aktuell über eine gute erste Elf verfügt, in der schon sehr viel zusammenzupassen scheint. Man darf derartige Ergebnisse nie zu hoch bewerten, aber man darf sich über Dinge freuen, die man sehen kann: Ruhiger Spielaufbau, kreatives Spiel nach vorne, gute Harmonie zwischen den Mannschaftsteilen, und hinter der sich abzeichnenden Stammformation drängen so viele erfreuliche Talente, wie wahrscheinlich noch nie zuvor, nach.
Karrrramba: Noch ist das Transferfenster eine ganze Weile geöffnet. Wichtige Neuzugänge bei den Bremern sind neben Felix Wiedwald, der aus Frankfurt zurückgeholt wurde, Anthony Ujah vom 1.FC Köln. Davie Selke hat dagegen den Verein Richtung Leipzig verlassen. Wie schwer wiegt in deinen Augen jetzt der Abgang Franco di Santos im Verein? Mir fällt gerade noch Lorenzen als Alternative im Angriff ein.
Arnd Zeigler: Es scheint so zu sein, dass Viktor Skripnik auch über Varianten mit falscher Neun nachdenkt oder mit Fin Bartels, Izet Hajrovic oder Levin Öztunali als hängender zweiter Spitze antreten könnte. Di Santos Verbleib wäre aber ungeheuer wichtig gewesen, weil wir mit ihm und Ujah ein wirklich richtig gutes Sturmduo gehabt hätten. Ungeachtet der Torquote war di Santo mit seiner Spielweise und Kampfkraft enorm wichtig für Werders Spielweise.
Karrramba: Im Moment laufen bereits Gespräche bezüglich einer Vertragsverlängerung mit Thomas Eichin. Er hat in einer finanziell wirklich schwierigen Situation durch kluge Transfers und das Bewahren der Ruhe für Ordnung gesorgt und ist mitverantwortlich für den durchaus gelungenen Umbruch. Wie wichtig wäre eine Vertragsverlängerung und wie würdest du die Entwicklungen unter Eichin beurteilen?
Arnd Zeigler: Ich muss zu Thomas Eichin mal ein paar grundlegende Dinge sagen, die mir am Herzen liegen. Er leistet seit seinem Dienstantritt unter sehr schwierigen Bedingungen sehr gute Arbeit. Mit Wolfsburgs oder Bayerns Transferbudget kann man ziemlich einfach tolle Spieler auf dem Markt eintüten. Mit Werders Voraussetzungen eine Mannschaft aufzubauen, die mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln konkurrenzfähig in einer so starken Liga wie der Bundesliga mitspielen kann, ist dagegen eine wirklich harte Nuss. Im Team mit Rouven Schröder und Viktor Skripnik leistet Eichin extrem gute Arbeit. Das freut mich persönlich, weil ich dieses anfängliche Miesmachergequatsche vom "Eishockey-Manager" immer entsetzlich stumpf und dümmlich fand. Ich habe nie verstanden, weshalb ein langjähriger Ex-Fußballprofi mit einschlägiger Erfahrung in der DEL weniger qualifiziert für einen Managerposten in der Fußball-Bundesliga sein sollte, als anderswo Sportdirektoren oder Manager, die überhaupt keinen nennenswerten Background besaßen, als sie mit ihrem Job anfingen. Thomas Eichin macht das gut. Er ist eine Bereicherung für den Verein und wer ihn bisher ablehnte tat das meistens, weil er als Typ eher unnahbar und kühl wirkt. Das ist Eichins Naturell. Es hindert ihn nicht daran, seine Funktion bei Werder perfekt auszufüllen. So - Liebeserklärung beendet.
Karrramba: Europapokal der Pokalsieger 1992, Deutsche Meisterschaft 2004, DFB Pokalsieger 2009 - wann ist der nächste Titel für Werder fällig?
Arnd Zeigler: Es ist ein wenig deprimierend, sich über diese Frage konkrete Gedanken zu machen. Den Cup der Pokalsieger gibt es nicht mehr. Und der Weg zu Meisterschaft, Pokal oder gar einem anderen internationalen Titel scheint durch das riesige finanzielle Gefälle zwischen Werder und den wirklich reichen Klubs (oder denen, die sich folgenlos und hemmungslos verschulden dürfen) ungleich größer als 2004. Wenn alles normal läuft, wird es Überraschungsmeister wie Werder oder den VfB Stuttgart für lange Zeit nicht mehr geben. Insofern freuen wir uns jetzt doch bitte einfach erstmal über den "Audi Quattro Cup". Den kann uns keiner mehr nehmen. Und die weitere Entwicklung warten wir ab. Mit etwas Geduld und Sinn für Realismus können auch Jahre ohne Titel viel Befriedigung bringen, wenn man einer Mannschaft dabei zusehen kann, sich weiterzuentwickeln.
Karrramba: Du bist ja Stadionsprecher bei Werder Bremen. Am 15. August beginnt die Saison mit dem Heimspiel gegen Schalke 04. Hast du zu Beginn der Saison ein bestimmtes Ritual? Wie wirst du die Fans zur neuen Saison begrüßen?
Arnd Zeigler: Mit "Hallo!".
Karrramba: Bleibt mit noch, Dir für das Interview herzlich zu danken und Dir für Deine kommenden Aufgaben, auch im Namen der Spox-Leser, alles Gute zu wünschen. Ich persönlich kann nur hoffen, auch in Zukunft ab und an mit Dir zusammenarbeiten zu dürfen. Und ich freue mich natürlich darauf, wenn Du an den Bundesligawochenenden wieder zu deiner wunderbaren Welt des Fussballs einlädst.. Alles Gute Arnd!
Arnd Zeigler: Danke Euch. Viel Erfolg auch für Euch, und weiter so!
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Werder Bremen im Überblick