Das eiserne Kampfschwein

Von Denis Frank
David Pocock gilt als einer der besten Rugby-Spieler der Welt
© getty

Wenn am späten Samstagnachmittag Australien im Finale der Rugby-WM auf die All Blacks treffen wird, müssen sich die Wallabies auf ihren charismatischen Stürmer mit der Nummer Acht verlassen. An ihm wird es liegen, Neuseelands Kapitän und Rekordnationalspieler Richie McCaw zu neutralisieren. Doch David Pocock ist auch abseits des Rugbyfelds ein ganz besonderer Charakter.

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Der 27-jährige Australier ist nicht nur der momentan heißeste Kandidat auf den Titel Spieler des Turniers. Der in Simbabwe geborene Stürmer, dessen Familie ihre Farm 2002 im Zuge der Landreform von Diktator Robert Mugabe verkaufen musste und daraufhin nach Australien zog, macht auch immer wieder mit seinem politischen Engagement Schlagzeilen.

Für einen jungen gut aussehenden Rugby-Star, mit einem hohen sechstelligen Jahreseinkommen, hat er außergewöhnliche Prioritäten. Der gelernte Flanker der Brumbies aus der australischen Hauptstadt Canberra verzichtet freiwillig auf tausende Sponsoring-Dollars jährlich.

Pocock verzichtet auf Sponsorengelder

Pocock hat keinen wie bei fast allen Nationalspielern üblichen Vertrag mit einem Schuh-Ausstatter, da er kein Geld von Unternehmen wolle, die nachweislich von Kinderarbeit profitierten. Im Gegenteil: Jahrelang schwärzte er gar seine Rugby-Treter um nicht mit einem dieser Unternehmen assoziiert zu werden.

Pocock zitiert in Interviews gerne den Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, der einmal warnte, dass jeder, der nichts gegen Ungerechtigkeit täte, den Status Quo unterstützen würde. Folgerichtig bezeichnet er den südafrikanischen Bischoff und guten Freund Nelson Mandelas auch als sein Vorbild.

Aus Solidarität mit homosexuellen Freunden weigern er und seine langjährige Partnerin Emma sich formell zu heiraten, als symbolisches Zeichen, so lange bis in Australien Gleichberechtigung in Sachen Ehe herrsche.

Aktivist für Rechte von Homosexuellen

Diesen Standpunkt verlieh er 2012 noch einmal Ausdruck, als im australischen Äquivalent der politischen Talkshow Günther Jauchs auftrat. Während der Sendung im öffentlich-rechtlichen ABC-Kanal, kritisierte er die Position der Regierung im Bezug auf gleichgeschlechtliche Ehe scharf.

Als in einem Super Rugby Spiel im März diesen Jahres in Sydney sein südafrikanischer Gegenspieler Jaques Potgieter einen Mitspieler Pococks mit einem homophoben Schimpfwort beleidigte, machte dieser er dies öffentlich.

Doch sein politisches Engagement hat ihm auch wiederholt Kritik eingebracht. Genau vor einem Jahr wurde er von der Polizei in Gewahrsam genommen, als er sich mit zusammen mit einem lokalen Farmer zehn Stunden lang an einen Tagebau-Bagger einer Kohlemine kettete.

Der Protest richtete sich gegen den im Aufbau befindlichen Tagebau in Maules Creek, New South Wales. Pocock betonte, dass es um sehr viel mehr als um klimaschädliche Emissionen der Kohlekraft ginge, sondern auch um den Lebensraum der umliegenden Bevölkerung und die abgeholzten Wälder, die der Bau verursache.

Zwei Kreuzbandrisse in Folge

Er wurde zwar später vor Gericht freigesprochen, doch in den Sportmedien des Landes wurde Pocock geradezu zerissen und es wurde in Frage gestellt, ob er überhaupt wieder für die Wallabies auflaufen solle. Zu diesem Zeitpunkt war eine solche Forderung aber sicherlich auch einfacher zu machen. Pocock hatte in den beiden vorherigen Spielzeiten nur ganze fünf Spiele gemacht, zwei aufeinanderfolgende Kreuzbandrisse hatten ihn für fast zwei Jahre außer Gefecht gesetzt.

Vor seinen Verletzungen war der gebürtige Afrikaner kurzzeitig Kapitän der Wallabies und galt zusammen mit Richie McCaw als bester Flanker im internationalen Rugby. Doch während seiner Abwesenheit hatte sich mit Micheal Hooper ein weiterer überragender 7er auf seiner Position festgespielt.

Die Wallabies hatten sich nach einer katastrophalen Saison 2013 im Jahr darauf wieder verbessert und Hooper war einer der herausragenden Spieler. Als sich Pocock im Frühjahr diesen Jahres aufmachte, wieder auf sein bestes Niveau zu kommen, schien ein Stammplatz im goldenen Trikot Australiens allerdings in weiter Ferne.

Schnelle Rückkehr zur Topform

Doch der noch relativ junge Stürmer der Wallabies fand erstaunlich schnell wieder zu seiner Topform. Es wurde zu einem überragenden Comeback, seine krachende Tackles und seine überragende Fähigkeit gegnerische Bälle in den Rucks zu klauen, stellten Australiens Trainer Micheal Cheika vor ein Dilemma.

Dem ebenfalls überragenden Micheal Hooper, der zudem noch einige Jahre jünger ist, konnte er eigentlich nicht seinen Stammplatz nehmen. Also entschied sich Cheika aus der Not heraus entgegen der gängigen Spielweise mit zwei klassischen Siebenern zu spielen.

Diese sind im Sturm einer Mannschaft eigentlich die kleinsten Spieler und dafür verantwortlich in den gegnerischen Rucks Bälle zu klauen. Als explosive Ballträger kommen klassische Openside-Flanker aufgrund ihres vergleichsweise geringen Gewichts nicht in Frage und auch als Springer in den Gassen sind sie eigentlich zu klein.

Trainer setzt auf "Pooper"-Formation

Doch Pocock hatte während seiner Verletzungspause an Gewicht zugenommen, wurde damit für Coach Cheika eher zu einer Option als Nummer Acht. Der Trainer entschied sich schließlich im August die sogenannte Pooper (Pocock und Hooper) Kombination zu probieren.

Der Erfolg war überragend, erstmals nach jahrelanger Erfolglosigkeit konnten die Wallabies ihren neuseeländischen Erzfeind besiegen. Pocock und Hooper dominierten die Rucks, und behinderten damit das schnelle Spiel der All Blacks.

Im Finale wird es mindestens eine ähnliche Leistung brauchen, um die All Blacks zu besiegen. Sie haben im bisherigen Turnierverlauf jeden Gegner mit ihrer Geschwindigkeit dominiert, aber genau an dieser Stelle können ihnen Pocock und Hooper schaden.

Duell mit Neuseelands McCaw

Neuseelands Kapitän Richie McCaw wird sich aller Voraussicht nach diesem Spiel zur Ruhe setzen. Trotzdem könnte das morgige Duell mit David Pocock vielleicht nicht das letzte gewesen sein.

McCaw gilt als enger Vertrauter von Neuseelands konservativem Ministerpräsidenten John Key, und letzterer hatte in den vergangenen Monaten mehrmals öffentlich suggeriert, dass McCaw eine hervorragende Option als Premierminister des Landes sei.

Als erfolgreichster All Black aller Zeiten, und außerdem eloquenter Botschafter des Landes, dürfte er im Rugby verrücktesten Land der Welt durchaus Chancen in der Politik haben.

Fortsetzung in der politischen Arena?

Ähnliches gilt auch für Pocock, auch wenn seine Pensionierung wahrscheinlich noch ein paar Jahre auf sich warten lassen wird. Er gilt ebenfalls als Kandidat auf ein politisches Amt, allerdings eher am linken Rand des politischen Spektrums. Wer weiß? Vielleicht treffen beide in ein paar Jahren auf der politischen Bühne wieder aufeinander.

Morgen werden sich beide auf dem Platz um die WM-Krone bekriegen, bald schon könnte es ein Duell im Anzug in der politischen Arena geben.

Dieses dürfte gleichfalls hart ausfallen, wenn auch nicht dermaßen physisch. Der Respekt, den beide auf dem Feld voreinander haben, wird dabei zweifelsohne nicht abhanden kommen.

Rugby-WM: Neuseeland trifft im Finale auf Australien