Nahezu jeder Basketball-Fan, der etwas auf sich hält, kann sich noch ganz genau daran erinnern, als sich die drei großen, neuen Stars der Miami Heat zusammengetan hatten und der selbsternannte "Chosen One" nach einer von Selbstinszenierung nur so triefenden "Entscheidung" auf der Antritts-Pressekonferenz in Miami bekannt gab, dass er mit diesem Team "nicht ein, nicht zwei, nicht drei Titel" holen wollte. Eine Ära wollte er mit dieser Mannschaft bilden.
Das ganze ist nun fast drei Jahre her. Die Geschichte der Miami Heat seitdem bekannt. Die Medienpräsenz rund um das Team war und ist gigantisch. Sportseiten richteten einen Heat-Index ein, die Ticket-Verkäufe schossen in die Höhe und die neuen Superfriends um Bosh, Wade und James marschierten schon im ersten Jahr nach anfänglichen Startschwierigkeiten fast mühelos in die NBA Finals, wo sie aber völlig überraschend den Dallas Mavericks unterlagen.
Weil in dieser Phase insbesondere in LeBron James eine Wandlung stattfand, hielten die Superstars nur ein Jahr später die NBA-Trophäe in den Händen, nachdem James selbst mit einer überragenden Serie gegen die Celtics alle Kritiker, die ihm mangelnde Closer-Fähigkeiten vorwarfen, in die Schranken wies.
Nun stehen die Heat nach zwei hart umkämpften Playoffserien gegen die Pacers und Spurs erneut auf dem NBA-Thron. Repeat. James kürte sich mit einer phänomenalen Leistung in Spiel 7 zum zweiten Mal in Folge zum Finals-MVP. Der zweite Titel in Folge, ist das der Beginn der selbst prophezeiten Ära?
Miami in elitärem Kreis
Die Heat haben sich auf jeden Fall einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Zunächst einmal haben sie sich gemeinsam mit den Spurs eine der besten Final-Serien aller Zeiten geliefert. Miami gehört nun zum elitären Kreis der Franchises, die ihren Titel verteidigen konnten. Das schafften als Franchise bislang nur die Lakers, Celtics, Bulls, Pistons und Rockets.
Insbesondere gehen diese Heat als erstes Smallball-Team, das den Titel gewinnen konnte, in die Geschichtsbücher ein. Außerdem haben sie es aufs Neue allen Kritikern bewiesen, die ein Scheitern des Projekts vorhergesagt hatten.
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Eine viel größere Bedeutung hat dieser Titel aber für den MVP der Finals. LeBron James hat durch den erneuten Titel und die abermals überragende Leistung in den Playoffs endgültig auch in der Endrunde Einzug gehalten in den Dunstkreis von Spielern wie Jordan, Duncan, Bryant oder Olajuwon, die ihr Team nahezu alleine in den Finals auf ihren Schultern getragen hatten. Dieses siebte Spiel von James wird vielen Menschen noch lange im Gedächtnis bleiben.
Es ist völlig klar: Ein Team, das innerhalb von drei Jahren 11 von 12 Best-of-Seven-Serien in den Playoffs für sich entschieden hat, welches in allen drei Jahren in den Finals stand und zwei Meisterschaften geholt hat, das hat per se schon eine Ära gestartet. So ist die Frage vielmehr, ob diese Heat in die Sphären von Jordans Bulls, O'Neals Lakers oder gar Bill Russells Celtics vorstoßen können.
Schicksal hängt an James
Das Schicksal der Ära hängt einzig und alleine an James. Starteten die Heat vor drei Jahren noch als fast ebenbürtige Big Three, ist James mittlerweile der Spieler, der alleine dafür sorgt, dass Miami das beste Team der Welt ist. Ohne den Finals-MVP wäre das Team zwar ein Anwärter auf die Playoffs, mehr aber auch nicht.
So wird sich James auch ganz genau anschauen, was im nächsten Jahr passiert und überlegen, wie es weitergehen soll, denn nach der Saison 2013/2014 läuft dessen Vertrag aus. Er kann diesen per Spieleroption über zwei weitere Jahre verlängern. Das gleiche gilt für den Rest des Kaders. Stand heute hat der amtierende Champion keinen einzigen Spieler in der übernächsten Saison unter Vertrag.
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Fakt ist aber auch, dass das bestehende Team genauso in der nächsten Saison zusammengehalten werden kann. Betrachtet man lediglich die für den Titel relevanten Spieler, laufen nur die Verträge von Chris Andersen und Ray Allen aus.
Allen hat ebenfalls eine Spieleroption, Andersen könnte wohl wieder zum Minimumgehalt weiterverpflichtet werden, womit klar ist, dass die Heat auch im nächsten Jahr der absolute Favorit auf den Titel sind.
Probleme mit Moral und Gegnern
Bei aller Partystimmung darf aber nicht vergessen werden, dass das Team zwar eine atemberaubende Regular Season spielte, in den Playoffs aber sowohl teamintern wie auch spielerisch große Probleme offenbarte. Gegen die Spielweise der Pacers tat sich Miami sehr schwer und stand am Rande der Niederlage.
Das Team schien zerstritten. Wade und Bosh warfen James Egoismus vor, der wiederum zeigte sich überrascht ob der schwachen Leistung seiner Mitspieler. Dass das Team in den Playoffs gleich ein paar Klatschen hinnehmen musste, nur um zwei Tage später wie ausgewechselt aufzutreten und intensive Defensive zu spielen, spricht zumindest für eine fragwürdige Arbeitseinstellung.
Auf dem Feld fand Miami so gut wie nie eine Antwort auf Roy Hibbert, der sich mit 26 Jahren noch in einem sehr entwicklungsfähigen Alter für einen Center befindet, so wie das gesamte Team der Pacers noch relativ jung ist und in der nächsten Saison sicher nicht schwächer wird.
Pacers und Bulls werden stärker
Nicht nur die Pacers, auch die Bulls mit einem wiedergenesenen Derrick Rose sind ein ernstzunehmender Konkurrent für die Heat, die wiederum in ihren Reihen so gut wie gar kein Entwicklungspotenzial mehr besitzen. Dwyane Wade ist 31 Jahre alt und baut körperlich immer weiter ab. Für einen Spieler, der von seiner Dynamik lebt und sich in diesen Playoffs nahezu weigerte, Dreier zu werfen, ein sehr schlechtes Zeichen.
Chris Bosh spielte äußert schwache Playoffs, stand in der Serie gegen die Pacers neben sich und machte auch gegen die Spurs nicht immer einen guten Job. Aus dem Umfeld der Heat sind sogar Stimmen zu vernehmen, wonach man darüber nachdenkt, Bosh aus Kosten- und Leistungsgründen abzugeben.
LeBron James fühlte sich nicht zu unrecht nach der Serie gegen die Pacers an seine Zeiten in Cleveland erinnert, als er fast vollkommen auf sich alleine gestellt war. Die Lage in Miami entwickelt sich immer mehr dahingehend, dass James der Alleinunterhalter ist, mit dem feinen Unterschied, dass James tatsächlich ein eindeutig besserer Spieler ist als der, der in den Finals 2007 mit den Cavaliers noch von den Spurs gesweept wurde.
Dritter Titel realistisch
Ein dritter Titel und die Fortsetzung der Post-Decision-Ära sind also ein absolut realistisches Unterfangen. Allerdings wird es im nächsten Jahr mit noch stärkerer Konkurrenz und dem körperlichen Abbau von Wade und anderen alten Spieler wie Allen oder Miller sicher nicht leichter für die Miami Heat und spätestens danach ist die Zukunft völlig ungewiss. Selbst wenn James bleiben sollte, laufen etliche Verträge aus.
Zunächst darf sich der Champion aber seine Sieger-Zigarren gönnen und die Meisterschaftsparade genießen. Ein Ende der gerade erst begonnenen Ära ist zumindest in der nächsten Saison noch nicht in Sicht.