NBA

"Energie lässt sich nicht scouten"

Von Bob Hemmen
Kenneth Faried überzeugte mit starken Leistungen bei der WM in Spanien
© getty

An Kenneth Faried war nach der Highschool kein bekanntes College interessiert. Seine Größe und die fehlenden Offensiv-Qualitäten würden ihm in der NBA zum Verhängnis werden, lautete die Meinung der Scouts. Jetzt spielt er eine tragende Rolle im Team USA.

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Kenneth Faried. Ein Name. Eine ganz bestimmte Assoziation. Er lässt einen unweigerlich an diesen Arbeiter, diesen Jungen, der spielerische Defizite durch seine kämpferische Einstellung ausgleicht, denken. Am Ball wirkt der 24-Jährige nämlich mitunter etwas unbeholfen, allerdings setzt er seine Physis geschickt ein, um dieses Defizit zu verstecken. Woher dieser unermüdliche Eifer kommt, lässt sich natürlich nur schwer belegen. Wer sich ein wenig mit der Geschichte des Kenneth Faried befasst, findet jedoch den einen oder anderen Anhaltspunkt.

Der Power Forward wuchs in einer besonderen Familie auf, genoss eine besondere Erziehung, die ihn stärkte: Wauda Lewis, Farieds leibliche Mutter, lebt seit 2007 in einer eingetragenen Partnerschaft mit einer Frau. "Niemand kann mir erzählen, dass man nicht zwei Mütter haben kann, denn bei mir ist es so", sagt Faried deshalb. Mit dieser außergewöhnlichen Mentalität, steckt Faried sein Umfeld an. "The Manimal" wird von den Fans geliebt, er gibt an jedem Abend Vollgas und bringt eine Intensität aufs Parkett, die bei den meisten Kollegen ausschließlich in den Playoffs zu sehen ist.

Immer Vollgas

Für das "Manimal" stand der Erfolg seiner Mannschaft dagegen von Anfang an erster Stelle. Ihm ging es nicht darum, dass Plays für ihn gelaufen werden, er wollte gewinnen. Nur die Rebounds beansprucht Faried für sich: "Die anderen dürfen werfen und Punkte erzielen, aber wenn ein Ball daneben geht, ist es mein Rebound", sagt er. Ein Motto, das galt, noch ehe Faried überhaupt ein NBA-Spiel bestritten hatte.

Dennoch fiel er bei den großen Colleges angesichts seiner geringen Körpergröße durchs Raster. Also wechselte Faried an die kleine Morehead State University, was ihn allerdings kaum davon abhielt, überragende Zahlen aufzulegen. Nach einem überdurchschnittlichen ersten Jahr explodierte er förmlich und meldete sich 2010 für die Draft an. Doch Faried entschied sich um und kehrte noch für eine weitere Saison zurück.

Rebound-Rekord

Im Nachhinein eine gute Entscheidung. Denn so gelang es Faried, Tim Duncans Rebound-Rekord einzustellen, sich in vier Jahren auf dem College insgesamt 1673 Rebounds zu greifen. Eine herausragende Leistung. Noch dazu eine, die ihn bis heute begleitet. "Ich habe gegen Tim Duncan jedes Mal Probleme zu rebounden", gesteht Faried. "Entweder liegt es daran, dass ich ihn so respektiere, oder er ist wütend, dass ich seinen Rekord gebrochen habe."

Mit dem Rekord im Gepäck führte der Vierer Morehead State dann auch noch überraschend in die dritte Runde des NCAA-Turniers - und endlich war Faried bereit. Bereit für die NBA.

Die Draft-Night 2011 begann allerdings mit einer Enttäuschung. Laut Faried hatten die Portland Trail Blazers ihm versprochen, ihn mit dem 21. Pick zu draften. Offensichtlich entschieden sich die Verantwortlichen jedoch um und holten Nolan Smith nach Portland. "Ich fand das richtig respektlos", ärgert sich Faried noch heute. "Jedes Mal, wenn wir gegen sie spielen, ist es für mich eine besondere Motivation, ihnen zu zeigen, was sie verpasst haben."

Für die Denver Nuggets dagegen eine ideale Situation. Faried war noch zu haben, und so entschied sich der damalige General Manager Masai Ujiri mit dem 22. Pick für den Power Forward.

Rasanter Aufstieg

Der musste allerdings abermals Geduld aufbringen. Denn es sollte bis zum 4. Januar 2012 dauern, ehe er seinen ersten Einsatz bekam. Faried musste lange warten, lang genug, um ohne Umschweife das "Manimal" zu entfesseln. Rudy Fernandez spielte den beeindruckenden No-look-Pass. Faried hob ab und hämmerte den Ball durch die Reuse. Alley-Oop - und gleichzeitig die vielleicht spektakulärsten ersten Punkte der NBA-Geschichte.

Und die Entwicklung ging rasant weiter. So rasant, dass Head Coach George Karl gar keine Wahl andere blieb, als Faried immer mehr Spielzeit zuzutrauen. Der belohnte den Mut seines Trainers wiederum mit starken Leistungen und wurde am Ende der Saison ins All-Rookie Team gewählt. Zudem landete er bei der Wahl zum Rookie of the Year hinter Kyrie Irving auf Platz zwei.

Im darauffolgenden Jahr erkämpfte sich "The Manimal" schließlich einen Platz in der Starting Five und steuerte zur besten Regular Season der Nuggets-Franchise-Geschichte bei. Obwohl Faried mit 2,03 Meter eigentlich zu klein für die Power-Forward-Position ist, schnappte er sich durchschnittlich 9,2 Rebounds. Mithilfe seiner Sprungkraft und Ausdauer hechtet er jedem Ball hinterher und sammelt Rebounds in bester Rodman-Manier.

Bekanntheitsgrad wächst

Dass der ehemalige All-American am Brett dominieren kann, hatte sich mittlerweile rumgesprochen. Die ganz große Aufmerksamkeit erregte Faried dann allerdings bei der Rising Stars Challenge im Jahr 2013. Im Spiel der besten Talente während des All-Star-Weekends steuerte er 40 Punkte zum Sieg von Team Chuck bei. Natürlich war das lediglich ein Show-Event, allerdings hatten die Medien Faried plötzlich auf dem Zettel. Das aufstrebende Talent bekam eine größere Rolle in Denver und die Postseason stand an.

In der ersten Playoff-Runde gegen die Golden State Warriors war Faried die Unerfahrenheit allerdings deutlich anzusehen. Das verlangsamte Spiel bereitete dem Power Forward einige Probleme, Faried konnte offensiv kaum Akzente setzen und die Nuggets mussten sich überraschend in der ersten Runde geschlagen geben. Ein neuer Coach sollte her, Brian Shaw kam aus Indiana.

Probleme mit Shaw

Und der 48-Jährige nahm sich in seinem ersten Job als Head Coach einiges vor: Das Run-and-Gun-Spiel der Nuggets wollte er abschaffen und eher klassische Half-Court-Sets einbauen. Keine guten Nachricht für Faried. Schließlich war der Vierer diesem Zeitpunkt im Post noch sehr limitiert und passte deshalb nicht sonderlich perfekt ins neue System. Wo Denver dank Fast-Breaks und schneller Abschlüsse unter George Karl noch der ideale Ort für das "Manimal" gewesen war, traten plötzlich jene basketballerischen Defizite zu Tage, die Faried zuvor durch Einsatz und Athletik kaschiert hatte.

Beinahe machte es sogar den Anschein, als plane Coach Shaw gar nicht wirklich mit seinem Power Forward. Zu Saisonbeginn fand er sich mit einem Mal auf der Bank wieder. Mit J.J. Hickson war schließlich ein Spielertyp im Kader, der offenbar besser zum neuen System passte. Selbstverständlich kamen schnell Tradegerüchte auf. So ist das Geschäft. Denver wollte sich am Perimeter verstärken und verhandelte mit den New York Knicks über einen möglichen Deal Shumpert für Faried.

Auslaufender Vertrag

Allerdings musste sich Coach Shaw schnell eingestehen, wie unverzichtbar Faried für die Nuggets ist. Im Laufe der Saison näherte sich Denver der alten Philosophie zusehends an - und der Vierer blühte wieder auf. Nach dem All-Star-Break überragte Faried mit 18,3 Punkten und 10,1 Rebounds pro Spiel.

Derartige Leistungen sorgten natürlich auch außerhalb Colorados für Anerkennung, entsprechend wurde Farieds auslaufender Rookie-Vertrag noch nicht verlängert. Nun müssen die Nuggets davon ausgehen, dass er einen Max-Contract angeboten bekommt. Wahrscheinlich auch in Denver. "Ich will, dass Faried bei uns bleibt und ich gehe auch davon aus", macht Brian Shaw unmissverständlich klar, wie viel Gefallen er mittlerweile an seinem Power Forward gefunden hat - und ist damit nicht allein.

Denn auch beim Team USA erkannte man den Wert des Rebound-Monsters. Nach überzeugenden Auftritten in der Vorbereitung nahm Coach Mike Krzyzewski den Big Man schlussendlich sogar mit zur Weltmeisterschaft nach Spanien.

Spektakuläre Auftritte

Eine Entscheidung, die nicht überall auf Verständnis stieß. Gerade im Hinblick auf das vorausgesagte Finale gegen Spanien bezeichneten die Medien den 2,03 Meter großen Forward als Fehlbesetzung. Er sei zu klein, um gegen die Gasol-Brüder und Serge Ibaka in der Zone dauerhaft bestehen zu können, hieß es.

Coach K interessierte sich allerdings reichlich wenig für derartige Ausflüge in die Theorie. Faried durfte nicht nur mit nach Spanien, er begann die WM sogar als Starter. Im Nachhinein zurecht. Gemeinsam mit Anthony Davis verteidigte er erfolgreich den eigenen Korb und leitete mit seiner Handlungsschnelligkeit permanent Fast-Breaks ein. Nicht nur mit spektakulären Abschlüssen, sondern auch mit spielerischer Effizienz wurde er so zu einem wichtigen Bestandteil des Team USA.

Mehr noch: Dank seiner Energie brachte Faried die Mannschaft durch schwierige Phasen in Spielen wie gegen die Türkei in der Vorrunde. Zudem war er der vielleicht konstanteste Akteur im Team von Coach K.

Einerseits werden derartige Leistungen sicherlich auch in Denver wohlwollend zur Kenntnis genommen, andererseits stehen die Nuggets nun auch vor einem kleinen Problem. Gute Performances vor großem Publikum steigern den Marktwert. Dennoch wird Denver vermutlich alles tun, um Faried langfristig zu binden. Notfalls matchen sie ein Maximalangebot. Schließlich wissen sie in der Mile High City am besten, wie gut Faried wirklich ist. Oder frei nach Monty Williams, Coach der New Orleans Pelicans und Assistent beim Team USA: "Er hat jeden überrascht. Energie kann man nicht scouten." Offensichtlich nicht einmal die großen Colleges.

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