Dirk Nowitzki feiert. Jeden Abend. Drei Wochen lang. Und er feiert hart. Mit Partys versucht er, sich abzulenken und den Schmerz zu vergessen. Aber die Trauer und der Frust der Finals-Niederlage 2006 gegen die Miami Heat verfolgen ihn. Der Traum der so lang ersehnten Meisterschaft ist ausgeträumt.
Ein Jahr später bekommt Nowitzki nach einer starken Saison die MVP-Trophäe überreicht und lächelt in die Kameras. Aber die Welt ist nicht wieder in Ordnung. Der Schein trügt, denn die Mavericks haben sich längst aus den Playoffs verabschiedet. Das beste Team der Western Conference verliert gegen die achtplatzierten Golden State Warriors. In der ersten Runde!
Nowitzki enttäuscht in der Serie und wird angezählt - von den Fans, von den Medien. Er sei ein guter Spieler, aber er habe keine Sieger-Mentalität, sei schlichtweg zu weich. Niemand, auf den man sich in engen Situationen verlassen könne, einfach kein echter Franchise-Player. So heißt es.
Einen Monat später steht LeBron James im Kabinengang der Quicken Loans Arena in Cleveland. Tim Duncan kommt auf ihn zu und nimmt ihn freundschaftlich in den Arm. Ihm gehöre die Zukunft sagt der Spurs-Veteran zu James - und er meint es ernst. Aber die tröstenden Worte können nicht über LeBrons leeren Gesichtsausdruck hinwegtäuschen. Soeben haben seine Cavaliers die Finals-Serie gegen San Antonio mit 0:4 verloren. Der King ist gescheitert, der Traum der so ersehnten Meisterschaft ausgeträumt.
Auf unterschiedlichen Pfaden
Dass Dirk Nowitzki und LeBron James in den Finals 2011 eine zweite Chance erhielten, um die Meisterschaft zu spielen, war am Ende kein Zufall. Es war vielmehr das Ergebnis zweier arbeitsreicher Wege, die bis zu diesem Punkt kaum unterschiedlicher hätten sein können.
2010 hatte Nowitzki die Chance, auszusteigen. Als Free Agent hätte er die Mavericks verlassen und sich einem Titelanwärter anschließen können. Es wäre der vermeintlich einfachere Weg gewesen, noch einmal einen Angriff auf den fehlenden Ring zu starten. Aber Nowitzki blieb in Dallas - er war noch nicht bereit, seiner Franchise den Rücken zu kehren: "Es fühlte sich an, als wäre ich hier noch nicht fertig", sagte er später rückblickend.
Dabei waren die Aussichten nicht gerade rosig. Einen weiteren Spieler mit All-Star-Format suchte man im Mavs-Roster vergebens. Das Wort von Eigentümer Mark Cuban, alles Menschenmögliche zu versuchen und Dallas noch einmal zu einem Contender zu formen, musste reichen. Und es reichte Nowitzki.
Seine Opferbereitschaft ging sogar noch weiter: Er nahm Gehaltseinbußen in Kauf, um die Verpflichtung von neuen Spielern zu ermöglichen. Ein zweiter Star kam zwar nicht, aber Coach Rick Carlisle erschuf aus dem vorhandenen Spielermaterial eine starke Einheit. Eine Mannschaft, die sich als Team verstand - und genau deshalb erfolgreich war.
Der Star des Kollektivs
Trotz Platz 3 in der regulären Saison hatten dennoch nur die wenigsten das Mavs-Kollektiv auf dem Zettel. Aber das Kollektiv hatte noch einen Star. Und der hieß Dirk Nowitzki.
Die schmerzhafte Niederlage 2006 hatte ihn stärker werden lassen, seine Sinne für das Wesentliche geschärft und ihn angetrieben. Angetrieben zu jedem Wurf-Training, zu jeder Konditionseinheit und jedem Workout im Kraftraum.
Und in den Playoffs 2011 bewies Nowitzki seinen Kritikern schließlich, dass er ein echter Franchise-Player war - und zudem alles andere als weich. 27,7 Punkte, 8,3 Rebounds, 2,5 Assists, 48,5 Prozent aus dem Feld, 46 Prozent aus der Distanz und 94,1 Prozent von der Linie sprechen eine deutliche Sprache. Aber Nowitzki leistete noch mehr: In jeder Situation führte er sein Team.
Ob beim schweren Erstrunden-Matchup gegen die Trail Blazers, beim Sweep gegen die titelverteidigenden Lakers oder mit seiner dominanten Performance in den Conference Finals gegen OKC - Dirk Nowitzki hatte eine Mission und trug die Mavs durch die Playoffs. Fünf Jahre lang hatte er sehnlichst auf diese Chance gewartet und mit all seinem Herzblut darauf hingearbeitet. Jahr für Jahr. Tag für Tag. Und endlich! Endlich standen die Mavericks wieder in den Finals.
Die Grenzen der One-Man-Show
LeBron schlug einen anderen Weg ein. James spielte zwar phänomenal und wurde 2009 und 2010 zum MVP gekürt, aber seine Cavs schafften es nicht über die Conference Finals hinaus. Die Ein-Mann-Show stieß auf dem Parkett an ihre Grenzen, abseits des Courts setzte die Marke "LeBron James" dafür zum Höhenflug an. Sein Gesicht prangte von jeder Werbetafel, er lernte sogar Mandarin, um sich in China besser vermarkten zu können.
Sprüche wie: "Das Team von LeBron James ist niemals verzweifelt" in den Playoffs 2008 oder: "Wenn ich mich klonen könnte, hätten wir kein Problem - leider kann ich das nicht" in der Post-Season 2009 gaben die Gemütslage von James ungefiltert wieder. Die Cavs waren keine Mannschaft, sie waren LeBron.
Und dann waren sie es nicht mehr. In der Free Agency 2010 zog James die Reißleine und wählte einen Neuanfang in Miami. Der Abschied aus Cleveland wurde dank der "Decision" zu einer Farce, ebenso wie die Ankunft am South Beach.
Die Spielerpräsentation von James, Dwyane Wade und Neuzugang Chris Bosh zu Saisonbeginn war an Arroganz kaum zu überbieten. "Nicht eine, nicht zwei, nicht drei, nicht vier, nicht fünf, nicht sechs, nicht sieben" - "eine Vielzahl an Meisterschaften" wollte man laut James nach Miami holen. Und noch ein weiterer Satz von LeBron brannte sich ins Gedächtnis aller NBA-Fans: "It's gonna be easy."
Durch den Osten mit Gebrüll
Diese Worte hallten auch zu Beginn der Playoffs 2011 noch immer nach, weshalb nicht wenige die Heat straucheln sehen wollten. Das "Problem": C.B., Flash und der King taten, was sie angekündigt hatten: Sie gewannen Spiele. Trotz der nur zweitbesten Bilanz wurde Miami der Favoritenrolle im Osten gerecht.
In der Post-Season räumten die Heat zuerst Philadelphia, dann Boston und schlussendlich Top-Seed Chicago aus dem Weg. Und endlich! Endlich stand LeBron wieder in den Finals.