Ganz nah läuft er am Publikum vorbei. Den Körper gebückt, die Arme tief unten. Daumen und Zeigefinger beider Hände formen einen Kreis, die anderen drei Finger sind ausgestreckt. Die Geste von Curry zeigt es an: Der Dreier ist drin.
Noch auffälliger ist allerdings der Blick. Seine Stirn steht tief in Falten, die Augen eng zusammen gekniffen, der Mund regungslos. Kein Lachen. Kein Lächeln. Nicht einmal ein Schmunzeln. Der MVP ist böse. Und zwar richtig.
Der tödliche Curry
Kurz zuvor hatte James seine Cavs mit einem langen Dreier in Führung gebracht, doch die Antwort von Curry folgte prompt. Er bat Matthew Dellavedova und Mike Miller zum Tanz - und spielte die beiden schwindelig. Dribbling durch die Beine, In-and-Out-Move, Dribbling hinter dem Rücken, Stepback, Dreier - Bang!
Es war einer von sieben getroffenen Distanzwürfen und es waren 3 der 37 Punkte, die der Warriors-Playmaker an diesem Abend auflegte. Angestachelt von Currys Dreier startete Golden State den spielentscheidenden 17:6-Run. Und der Chef war noch nicht fertig: 17 Punkte erzielte er im vierten Viertel und stellte damit den Finals-Rekord der letzten 40 Jahre ein.
Gegen diese Offense war einfach kein Kraut gewachsen. Auf seinen Bewacher Dellavedova hat sich Curry inzwischen gut eingestellt, Delly war phasenweise völlig überfordert. Zu schnell, zu explosiv, zu tödlich agierte der MVP.
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LeBron: unfassbar gut
Doch sein großer Widersacher gab nicht klein bei. Bereits zur Pause hatte James sein zweites Triple Double der Finals schon fast in der Tasche und bestach dabei mit Effizienz (8/15 FG). Am Ende standen für den Ex-MVP 40 Punkte und 14 Rebounds Buche.
Und wenn der King nicht selbst in Richtung Korb feuerte, dann fanden seine geschossartigen Vorlagen (11 Assists) eines seiner Clan-Mitglieder. Iman Shumpert und J.R. Smith trafen - vor allem in Hälfte eins - aus der Distanz deutlich besser als noch in Game 4. Wäre dieses Spiel ein Western gewesen, die Kugeln wären zwischen den Häuserwänden nur so umhergezischt.
Eines hätten die Fans des Genres aber trotz des großartigen Duells vermisst: die direkte Konfrontation zwischen den beiden Helden. James gegen Curry. Nur ein einziges Mal verteidigte einer der beiden Stars den jeweils anderen, diese Aufgabe überließen sie ansonsten ihren Sekundanten.
Delly ist nicht Iggy
Doch während Dellavedova gegen Curry klar das nach Nachsehen hatte, leistete Andre Iguodala gegen LBJ einmal mehr einen überragenden Job. Er machte ihm das Leben mit seiner Defense wie schon in Spiel 4 unglaublich schwer, jeder Angriff kostete LeBron enorme Kraft.
Im vierten Viertel setzte James vermehrt auf lange Jumper - das war einerseits der Müdigkeit geschuldet, andererseits hatte er bei den Referees den ganzen Abend über einen schweren Stand. Seine körperliche Stärke wurde ihm beim Zug zum Korb mehrfach zum Verhängnis.
Der Kontakt, mit dem ihn allen voran Draymond Green immer wieder am Korb empfing, hätte fast alle anderen Spieler der Liga aus dem Gleichgewicht gebracht. Nicht aber LeBron, der trotzdem den Abschluss suchte und dabei insbesondere im dritten Viertel oft glücklos blieb.
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Der hässliche Andre
So gut und so vielseitig Iguodala auch spielte (14 Punkte, 8 Rebounds, 7 Assists), so hässlich war es anzusehen, was der LeBron-Stopper an der Freiwurflinie veranstaltete. Lediglich 2 seiner 11 Versuche von der Linie verwandelte Iggy. Zu kurz, zu lang, rechts und links vorbei - der Spalding landete überall, nur nicht im Korb.
Kein Wunder, dass David Blatt zum Ende des Spiels gar die Hack-an-Andre-Strategie auspackte und Cleveland damit sogar noch einmal heran brachte. Doch Iguodala hatte genug gearbeitet. Steve Kerr nahm seinen Allrounder vom Feld, Chef Curry besorgte den Rest. Gegen James. Und wie.
Mitten ins Herz
Mit eineinhalb Minuten auf der Uhr zog Curry im Lucky-Luke-Stil blitzschnell seine gefährlichste Waffe und feuerte aus der Hüfte von ganz weit draußen ab. Den Schuss hatte LeBron nicht kommen sehen. In dieser einen Possession war er der direkte Gegenspieler von Curry - der MVP traf James und die Cavs mit seiner Kugel mitten ins Herz.
Als sich der Staub in Oakland verzogen hatte, waren sowohl Protagonisten als auch Augenzeugen des großartigen Duells verschwunden. Es könnte sein, dass es der letzte Kampf war, den die Warriors dieses Jahr in der Bay Area geschlagen haben. Denn nur, wenn sie ihren Job in Cleveland in der Nacht auf Mittwoch nicht zu Ende bringen, müssen sie für den finalen Showdown noch einmal zurückkehren.
In jedem Fall sollten sich die Saloons der ganzen Region schon einmal mit genügend Vorräten eindecken, die besten Bar-Pianisten des Landes engagieren und auf die größte Party seit dem letzten Titel 1975 vorbereiten.
Denn die Revolverhelden aus Oakland müssen nur eines der noch ausstehenden zwei Duelle für sich zu entscheiden. Und Stephen Curry hat den Finger am Abzug.