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If you live by the three…

Stephen Curry (r.) wurde in den Finals (auch) durch seine eigene Waffe geschlagen
© getty
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7 Seconds or Less: Unter Mike D'Antoni spielten die Suns fortan eine Offense fernab jeglicher Konventionen. Jeder Spieler hatte grünes Licht, solange er einen einigermaßen offenen Wurf hatte. Selbst Shawn Marion mit seiner prähistorischen Technik wurde dazu ermuntert, Dreier zu schießen - und obwohl das Team die Experten komplett verwirrte, hatte dieser chaotische Tempo-Basketball einen riesigen Erfolg.

Nash wurde zweifach MVP, die Suns schafften die 20-Dreier-38-Prozent-Marke, die Dallas 02/03 erstmals überhaupt knackte, gleich viermal in Folge, und das bei über 25 Dreiern pro Spiel. Sie erreichten zweimal die Conference Finals (ein drittes Mal 2010 ohne D'Antoni), stellten dreimal die beste Bilanz der Liga und lieferten 04/05 mit 114,5 das neuntbeste Offensiv-Rating der Liga-Historie.

Ein Titel blieb ihnen verwehrt, was zum Teil auch mit Verletzungen zu tun hatte, den Kritikern aber immer wieder für die Aussage reichte, Jumpshooting-Teams könnten eben nicht alles gewinnen. Charles Barkley, von Volumen und Quote her einer der schlechtesten Dreierschützen aller Zeiten, behauptete dies ja selbst 2015 noch, bevor die Warriors sich zum Meister krönten. Da hatte er die Entwicklung der letzten Jahre allerdings auch längst verschlafen.

Der Erfolg der Suns veränderte die NBA Mitte der 00er in Sachen Spieltempo und Wurfauswahl - binnen kürzester Zeit switchten etliche Teams vom langsamen, methodischen Bullyball der Pistons oder Spurs (alte Inkarnation) zu einem neuen, offeneren Spielstil. Die neuen Regeln gegen Handchecking zu dieser Zeit spielten dieser Entwicklung perfekt in die Karten.

Bei allem Respekt für Chuck: 2009 zogen die Magic in die Finals ein, weil um Dwight Howard herum vier Shooter postiert wurden und 38 Prozent ihrer 26 Dreier pro Spiel trafen. 2011 wurden die Mavericks Meister, weil sie nicht nur Nowitzki in Welt-Form, sondern auch etliche hochkarätiger Shooter um ihn herum hatten. Die Heat der LeBron-Ära wie auch die Spurs in neuerer Inkarnation nutzten den Dreier längst als Waffe.

Die Steph-Olution: Wenn man auf die Parallelen zwischen den alten Suns und den Warriors der letzten Jahre blickt, ist es derweil keine große Überraschung, dass ausgerechnet in Golden State nun die neueste Version der Dreier-Manie entfacht wurde. Steve Kerr war einst GM in Phoenix, sein Ex-Assistent Alvin Gentry davor ebenfalls als rechte Hand von D'Antoni angestellt.

Man kennt und versteht sich - insofern überraschte das jüngste Geständnis von D'Antoni nicht. Der neue Head Coach der Rockets gab unlängst zu, wie er sich die Finals 2015 zwischen den Warriors und Cleveland angesehen hatte: "Ich dachte nur: 'Gewinnt bitte!' Ich wollte es einfach sehen. Ich wollte, dass sie endlich dieses Stigma vernichten, man könnte auf diese Art und Weise nicht gewinnen."

Die Warriors haben diese Spielweise nicht nur weiterentwickelt, sondern auch um eine überragende Defense ergänzt, die Phoenix nie hatte. Zudem nutzen sie den Dreier noch deutlich mehr - bei den Suns waren 04/05 29 Prozent ihrer Abschlüsse Dreier, bei den Warriors, die letzte Saison das beste Offensiv-Rating der Liga-Geschichte auflegten, waren es 36 Prozent.

Faszinierend daran: Mit diesen 36 Prozent führten sie 15/16 nicht einmal die Liga an, Platz 1 belegte Houston mit 37 Prozent. Auch daran sieht man, wie sehr sich die Liga verändert hat: Vergangene Saison gab es zum ersten Mal in der Geschichte der Liga mehr Dreier (24,1) pro Spiel als Freiwürfe (23,4).

Im Auge dieses Sturms steht selbstverständlich Stephen Curry. Nie zuvor war ein dermaßen dominanter Spieler so auf seinen Distanzwurf fokussiert und gleichzeitig so effektiv dabei. Mit seinen Dreiern aus den Jahren 15/16 (402), 14/15 (286) und 12/13 (272) stellt Curry drei der vier Bestmarken der Geschichte - und nur sein Mitspieler Klay Thompson (15/16: 276 Dreier) schiebt sich derzeit noch dazwischen.

Steph Curry: Die Herrschaft des Feuers

Curry ist keinesfalls ein One-Trick-Pony, allerdings kommen über 55 Prozent seiner Wurfversuche von Downtown. Er schießt aus dem Dribbling, von drei Metern hinter der Dreierlinie und ohne groß nachzudenken. Was nach konventionellem Wissen als schlechter Wurf gilt, ist bei Steph eine hoch effektive Waffe.

Defensivstrategien haben sich ligaweit verändert, jemand wie Curry muss bereits ab der Mittellinie eng verteidigt werden. Auch gibt es erste Nachahmer: Damian Lillard hat mittlerweile beispielsweise ebenfalls grünes Licht, wenn er von weit hinter der Linie abdrücken will. Und er wird bei weitem nicht der letzte bleiben.

Um bei den bereits genannten Teams zu bleiben: Houston wird in der kommenden Saison, mit D'Antoni als Head Coach und den neuen Shootern Ryan Anderson und Eric Gordon sowie natürlich James Harden, vermutlich noch mehr von draußen abschließen. Ihnen fehlt es an Defensiv-Potenzial, aber offensiv ist ein Top-3-Finish - dem Dreier sei Dank - durchaus realistisch.

Nahezu garantiert in der Top 3, eher auf Platz 1, werden die Warriors landen. Durch die Verpflichtung von Kevin Durant stehen nunmehr nicht nur zwei, sondern gleich drei der zehn (fünf?) besten Shooter der Welt in ihren Reihen.

Und vergessen wir auch nicht den Champion: Während Cleveland unter David Blatt noch mehr innerhalb der Linie agierte, lockerte Nachfolger Tyronn Lue die Offense auf und verlegte den Fokus wesentlich mehr auf den Dreier. Bis zu den Finals waren 40,8 Prozent der Cavs-Abschlüsse in den vergangenen Playoffs Dreier, ein Wert, dem nicht einmal die Warriors nahe kamen.

In den Finals relativierte sich dies. Je mehr LeBron James selbst den Abschluss forcierte, umso weniger verließen sich die Cavs auf den Dreier (Verhältnis 2er/3er: 70,5/29,5), während die Warriors (43,6 Prozent der Abschlüsse) sich immer weiter nach draußen verlagerten.

In Erinnerung bleiben werden die 2016er Finals allen voran für LeBrons Dominanz, und das auch vollkommen zu Recht. Ähnlich wichtig ist jedoch: Curry wurde, zumindest temporär, vom Symbol der Revolution zum Symbol der Kritik, die diesem "Gimmick" seit seiner Einführung entgegenschlägt.

Curry, der Dreiergott höchstpersönlich, traf in den Finals für ihn unterdurchschnittliche 40 Prozent von Downtown. Im alles entscheidenden siebten Spiel waren es gar nur vier von 14. Den entscheidenden Wurf der Finals und damit der gesamten Saison traf Kyrie Irving - per Dreier. Über Curry. Als hätte sich ein Kreis geschlossen.

Coaching-Legende Jim O'Brien stellte es bereits 1986 fest: "If you live by the three, you can die by the three."

Die Statistiken in diesem Artikel stammen von nba.com/stats und basketball-reference.com und sind auf dem Stand vom 12. Oktober 2016.

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