NBA

"Habe zwölf Jahre in einer Blase gelebt"

Von Daniel Herzog
Martell Webster sprach mit SPOX über Musik, Basketball und Familie
© getty
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SPOX: Sie haben gerade gesagt, dass Sie gerne mit Dirk zusammenspielen würden - wie geht es Ihnen im Moment? Wären Sie bereit für ein Comeback?

Webster: Im Großen und Ganzen bin ich gesund. Aber nachdem ich Kobe Bryants "Muse"-Dokumentation gesehen habe, wurde mir klar, dass es zu diesem Zeitpunkt meines Lebens einfach extrem viel Zeit in Anspruch nimmt, den Körper in Stand zu halten, nach allem, was er schon durchmachen musste. Deswegen würde ich nicht für jedes beliebige Team zurückkommen - es muss sich für mich wirklich lohnen, die ganzen Opfer aufzubringen. Das bezieht sich ja nicht nur auf das Spiel an sich.

SPOX: Was meinen Sie noch?

Webster: Ich möchte meine Töchter aufwachsen sehen. Nicht ständig für sie da sein zu können ist sehr hart. Wenn ich also zurückkomme, werde ich nicht für irgendein Team spielen, das sich in der Entwicklung befindet. Wäre das die einzige Option, würde ich meine Basketballschuhe sofort an den Nagel hängen. Das ist es nicht wert. Ich hatte nie einen Vater oder eine Mutter und deshalb weigere ich mich, meine Töchter ohne mich aufwachsen zu lassen. Meine Frau und meine Töchter leben in Portland und haben dort ihr komplettes soziales Umfeld. Deshalb ist es keine Option, sie einfach so umzusiedeln. Es kommt jetzt schon zu oft vor, dass ich sie über Face Time erziehen muss. Ich danke Gott dafür - Ruhe in Frieden, Steve Jobs! Aber das ist natürlich keine dauerhafte Lösung.

SPOX: Was wären also Ihre Optionen? Angeblich trainieren sie ja trotzdem fünf Stunden pro Tag für ein Comeback?

Webster: Während der Summer League hatte ich ein privates Workout, bei dem sechs oder sieben Teams anwesend waren. Natürlich gibt es Dinge, die ich verbessern kann. Kondition etwa, aber das ist ein Prozess und ich habe ja noch etwas Zeit. Darüber mache ich mir auch keine Sorgen. Ich mache das alles auch nicht des Geldes wegen. Für mich geht es vielmehr darum, die richtige Organisation zu finden, für die meine Kompetenzen am besten geeignet sind. Es muss ein Contender sein. Wie gesagt, es muss mit meinen Prioritäten und meiner Familie vereinbar sein.

SPOX: Für welches Team würden Sie sich denn entscheiden, wenn Sie einfach so wählen könnten?

Webster: Jim Marsh, mein AAU-Coach (Amateur Athletic Union) war der beste Coach, den ich je hatte. Wenn ich ihn mit einem Trainer aus der NBA vergleichen müsste, wäre das Gregg Popovich. Deshalb würde ich sehr gerne für San Antonio spielen.

SPOX: Aber nur, weil Sie ihn nicht interviewen müssten. Das ist unmöglich.

Webster: Ich weiß, ich weiß, aber ich verstehe ihn auch. Gerade in den US-Medien werden dauernd Fragen gestellt, bei denen der Interviewer ohnehin weiß, was die Antwort sein wird. Da sagt Pop dann einfach Ja oder Nein - ich liebe das! Das ist ja gewissermaßen sein Markenzeichen, das macht ihn aus. Aber zu den Spielern ist er ganz anders.

SPOX: Auch zu den Gegnern der Spurs?

Webster: Ja. Jedes Mal, wenn ich gegen die Spurs gespielt habe, hat er sich Zeit genommen, um mit mir zu sprechen. Das hat mich beeindruckt. Er ist ein Coach, der den Unterschied zwischen Coach sein und Mensch sein versteht. Er will dich nicht ständig coachen, er spricht auch über alltägliche Dinge und macht Witze. Vielleicht wollte er mich damit auch nur ablenken, aber am Ende hat er immer etwas Gehaltvolles gesagt. Das werde ich niemals vergessen, selbst wenn ich nie für ihn spielen sollte. Er verlangt immer 100 Prozent von sich und seinen Spielern und schafft es, das ganze Team zusammenzuhalten. Das verdient Respekt.

SPOX: Popovich hat mit seinen Spurs natürlich eine Menge gewonnen in der Vergangenheit, derzeit ist Golden State das Nonplusultra. Glauben Sie, dass dort eine Dynastie entsteht?

Webster: Das ist schon passiert - aber wer weiß, wie lange sie besteht. Dynastien sind nichts für die Ewigkeit. Manchmal halten sie sogar nur ein Jahr. Nehmen Sie LeBron James: Als er zu den Heat gewechselt ist, wurde schon darüber spekuliert, wie viele Championships sie holen werden, aber ein Typ namens Dirk Nowitzki hat sie gleich im ersten Jahr eines Besseren belehrt. Man kann es einfach nie wissen. Wenn der Wille da ist und man 15 Spieler hat, die gut zusammenpassen, kann man jede Dynastie zerschlagen. Wer weiß, vielleicht war dies schon der letzte Titel für Durant. Es ist extrem schwer, wieder in die Finals zu kommen, und natürlich gibt es auch Verletzungen. Ich persönlich fände es gut, wenn jedes Jahr ein anderes Team den Titel holt, aber das ist natürlich unrealistisch. Momentan sind die Warriors eine Dynastie, aber sobald es so ein Team gibt, stachelt das die anderen ja nur umso mehr an und stärkt ihren Hunger.

SPOX: Sie wirken ebenfalls hungrig- zu wieviel Prozent sehen wir Sie nächste Saison wieder in der NBA?

Webster: Ich kann das nicht kontrollieren, ich kann mich nur bestmöglich vorbereiten. Da ich sehr gut werfen kann, ist die Wahrscheinlichkeit immer relativ hoch, dass mich Teams wollen, aber letzten Endes kann ich nur mich selbst kontrollieren. Und ich kann Ihnen eines versprechen: Ich werde mir für den Rest der Offseason meinen Arsch aufreißen. Ich will gerne wieder in die NBA. Aber wenn es nicht klappt, dann ist das auch okay. Ich werde nicht frustriert sein. Ich habe zwölf Jahre in der NBA gespielt, mein Körper hat sich drei Mal gegen alle Schmerzen durchgesetzt. Wenn es nicht klappt, bleibe ich eben Zuhause. (lacht) Ich habe jetzt zwei Jahre lang regeneriert und in dieser Zeit gemerkt, worauf es wirklich ankommt. Für den größten Teil meines Lebens war das Basketball, aber es gibt einfach so viel mehr. Ich habe in dieser Zeit zum Beispiel kaum Basketball geschaut.

SPOX: Sie haben sich nicht mal die Finals angesehen?

Webster: Von den diesjährigen Finals habe ich mir ein Spiel angeschaut, aber nicht komplett. Für mich zählen meine Frau, meine Kinder und meine engsten Freunde. Für die letzten zwölf Jahre habe ich quasi in einer Blase gelebt. Es gab nur meine Frau, meine Kinder und Basketball, das war alles. Und natürlich war Basketball der größte Teil, weil dieser Sport so viel Fokus und Verzicht verlangt. Deshalb waren diese zwei Jahre ohne den Sport einerseits eine Befreiung für mich, aber auf der anderen Seite auch deprimierend, weil der gewohnte Tagesablauf weg war. Manchmal habe ich mich gefragt: 'Was zur Hölle mache ich hier eigentlich?' Und dann habe ich mich sozusagen in die Musik geflüchtet, weil ich den Sport nicht mehr hatte.

SPOX: Das führt uns zu meiner letzten Frage: Dem Rolling Stone haben Sie einmal gesagt, dass Ihre Basketball-Karriere nur einen Augenblick darstellt und Sie danach hoffentlich noch gute 60 Jahre vor sich haben werden. Und dass Sie nicht nur für diese kurze Zeit in Erinnerung bleiben möchten. Wofür würden Sie denn gerne in Erinnerung bleiben?

Webster: Eigentlich nur für meine Frau und meine Kinder. Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich will nicht sterben, weil ich eigentlich gerne für immer mit meiner Frau zusammen leben würde. Meine Frau ist mein Ein und Alles. Sie verdient jeden nur erdenklichen Respekt. Es heißt immer, Männer müssten in einer Beziehung viel opfern. Aber Frauen ändern ihre Namen, kriegen Kinder, ziehen mit dir an einen fremden Ort, um dich zu unterstützen. Meine Frau, meine Kinder und meine besten Freunde, diesen Personen möchte ich in Erinnerung bleiben. Und vielleicht bin ich einigen Menschen ja auch ein Vorbild gewesen. Ich musste die NBA zwei Mal verlassen und nun schau dir an, wo ich bin. Alles ist möglich, man muss nur daran glauben. Im Leben warten viele schwierige Entscheidungen und es verlangt einem eine Menge ab. Deshalb rate ich: Umgib dich mit Menschen, die dich verstehen und die dich besser machen. Wenn man das beherzigt, liegt einem die Welt zu Füßen und es gibt keine Grenzen. Dein Schicksal hängt von den Entscheidungen ab, die du triffst. Das Leben ist unglaublich.