Den einen oder anderen Moment gab es in Spiel 2, da hätte man sich fast Sorgen machen können, dass die Suns langsam etwas ZU selbstbewusst werden. Der Breakaway-Dunk von Devin Booker im zweiten Viertel etwa, als der All-Star noch eine Weile länger am Ring baumelte. Oder das gesamte Schlussviertel des 123:98-Blowouts, als die frenetischen Fans in der Halle "Suns in 4!" skandierten und die Welle machten.
Der Erfolg der vergangenen Spiele, den viele Akteure im Kader so noch nicht kannten, könnte einem gewöhnlichen jungen Team zu Kopfe steigen. Die Suns allerdings sind zwar überwiegend jung, gewöhnlich sind sie aber nicht. Folglich spielten sie nicht nur die Partie sauber zu Ende, sie predigten auch danach, dass sie noch nichts erreicht haben und sich auf Spiel 3 konzentrieren müssen.
Den Fehler, die Nuggets bei einem Vorsprung in den Playoffs zu unterschätzen, haben schließlich schon andere gemacht. Und Fehler machen, das ist derzeit nicht die Sache der Suns. Das ist auch kein Wunder: Dieses Team hat Chris Paul nicht nur verpflichtet, es hat ihn auch verinnerlicht. "Wir können jetzt nicht zufrieden auf der Farm sein", sagten Paul, Devin Booker und Coach Monty Williams nach dem Spiel allesamt unabhängig voneinander.
Chris Paul schreibt mit Statline erneut Geschichte
Der Point God wurde seinem Ruf in Spiel 2 erneut gerecht, wie schon in Spiel 1 und wie schon in Spiel 6 der vorigen Serie gegen die Lakers. Paul hat seine Probleme mit der Schulter offenbar endgültig hinter sich gelassen, in jedem Fall wirkt er derzeit nicht mehr eingeschränkt: Über die vergangenen drei Spiele hat er 38 Assists verteilt und bloß zweimal den Ball verloren.
Spiel 2 war sein bisheriges Meisterstück dieser Postseason: 17 Punkte und 15 Assists ohne Ballverlust sind so eine Statline, die man in den Playoffs nahezu nie zu sehen bekommt. Das letzte Mal, dass dies jemand schaffte, ist tatsächlich schon sieben Jahre her: Damals legte ein gewisser Chris Paul in Diensten der Clippers ein 15/15/0-Spiel hin. Sein Vorgänger: Chris Paul, im Jahr 2008!
NBA: Alle 15/15/0-Spiele der Playoff-Geschichte seit 1984
Spieler | Datum | Punkte | Assists | Turnover |
Johnny Moore | 26.4.1983 | 24 | 17 | 0 |
Magic Johnson | 5.5.1991 | 21 | 17 | 0 |
Jason Kidd | 29.4.2001 | 19 | 16 | 0 |
Chris Paul | 29.4.2008 | 24 | 15 | 0 |
Chris Paul | 9.5.2014 | 21 | 16 | 0 |
Chris Paul | 9.6.2021 | 17 | 15 | 0 |
"Er leitet Spiele besser als jeder andere, den ich je erlebt habe", staunte Williams, der Paul bereits in New Orleans gecoacht hatte. "Er versteht es sofort, sobald er ein Gespür für die Offense und seine Mitspieler hat, wie er jeden Spieler um sich herum besser macht, und dann weiß er auch noch, wann er selbst übernehmen muss."
Chris Paul liest Spiele besser als jede andere
CP3 ist seit bald zwei Jahrzehnten einer der besten Game-Manager, die dieses Spiel gesehen hat. Wobei das nicht weit genug führt: Er ist grundsätzlich einer der besten Denker. Er liest das Spiel und jeden einzelnen Spieler auf dem Court, sowohl in seinem als auch im gegnerischen Team. Er wirkt immer vorbereitet, weiß immer, wen er wann wie bedienen muss.
Er versteht dadurch auch, welche Schwächen beim Gegner existieren. Dieses Nuggets-Team hat jede Menge davon, insbesondere im überforderten Backcourt, in dem neben Jamal Murray auch P.J. Dozier schmerzlich vermisst wird. Defensive Rotationen passen oft nicht, weshalb die Nuggets für die variablen und methodisch Pick'n'Roll-spielenden Suns immer wieder gefundenes Fressen sind.
Paul spielte in dieser Partie No-Look-Pässe, Bullet-Pässe über den halben Court für freie Eckendreier, er warf Lobs für Deandre Ayton, spielte Paul Millsap Knoten in die Beine und fütterte den cuttenden Torrey Craig. Er hatte wieder die Spritzigkeit, um die gegnerische Defense zu manipulieren, wie es kaum jemand sonst vermag.
Chris Paul gesteht Foul an Facundo Campazzo - nach dem Spiel
Sein IQ zeigte sich auch in etlichen anderen Situationen. Als er Anfang des zweiten Viertels auf dem Flügel von Michael Porter Jr. verteidigt wurde, wusste jeder, der Paul über Jahre beobachtet hat, was kommen würde: Mit einem Tänzchen brachte er den Forward aus dem Gleichgewicht, der die Hand nach vorne streckte - hochgesprungen, eingefädelt, zwei Freiwürfe.
Defensiv gab es eine ähnliche Situation, als Facundo Campazzo im Fastbreak angelaufen kam und zum Korbleger hochsteigen wollte. Paul bekam seine Hand an den Ball und blockte den Wurf, hatte aber Glück: "Ich habe ihn gefoult. Ich war überrascht, dass sie das nicht gepfiffen haben", sagte der 36-Jährige nach der Partie und verzog dabei keine Miene.
Natürlich sagte er das nicht während der Partie, denn dort nutzt Paul jeden Vorteil, auch die unverhofften. Und das hat sich auf sein Team übertragen. Phoenix ist kein erfahrenes Team, das war die ganze Spielzeit über zu hören. Die Suns haben aber spätestens nach dem Ausscheiden von LeBron James den vielleicht cleversten Typen der Liga auf ihrer Seite.
Phoenix Suns: Noch lange nicht fertig
Dieser ist auch clever genug, um zu erkennen, wenn sich eine goldene Gelegenheit bietet. Paul stand bekanntermaßen noch nie in den Finals, als er sich in Runde eins an der Schulter verletzte, sah es nicht danach aus, als könnte sich dies ändern. Nun nimmt er jedoch auch den eigenen Wurf wieder mit Selbstvertrauen und die Suns wirken wie ein Team, das nicht allzu viele Schwächen hat.
"Book punktet im Schlaf. Jae [Crowder, d. Red.] lässt sich nie beirren. Mikal [Bridges] ist sozusagen unser unbesungener Held. DA [Deandre Ayton] verteidigt, er rennt, er reboundet, er macht alles. Er ist der MVP unserer Playoffs", zählte Paul im Anschluss an Spiel 2 die Vorzüge seines Teams auf. Es stimmt schon: Die Suns sind tief, sie sind bei weitem nicht nur Chris Paul.
Die Fäden laufen indes beim Point Guard selbst zusammen. Er sorgt dafür, dass das gesamte Team hochkonzentriert verteidigt, den Ball sauber bewegt und Fehler vermeidet. Und dass niemand abhebt - denn noch haben die Suns ihre Ziele noch nicht erreicht. Wenn sie diesen Fokus weiter bewahren, muss hier noch lange nicht Endstation sein.