Bereits letztes Jahr war die Offense der Los Angeles Rams und deren Turnaround eine der zentralen Storylines, in diesem Jahr hat L.A. hier nochmals einen Schritt nach vorne gemacht.
Die Rams wirken stabiler, Quarterback Jared Goff scheint bereit für den nächsten Schritt und Los Angeles' vertikales Passspiel ist gefährlicher geworden.
Von allen Teams mit mindestens 100 Pässen verzeichnen nur die Fitzmagic-Buccaneers mehr Yards pro Pass (11,1) als die Rams (9,3), ligaweit haben nur die Buccaneers (18) mehr Big Plays (mindestens 20 Yards) im Passspiel als die Rams (16) und in puncto First-Down-Percentage übertreffen nur Tampa und Kansas City L.A.
Für die Vikings wirft das in einer kurzen Woche inklusive Trip an die Westküste die Frage auf: Was macht diese Rams-Offense aus - und wie stoppt man sie?
Rams vs. Vikings: Wie funktioniert die Rams-Offense?
Man kann die Kern-Kompetenzen der Rams-Offense auf einige große Stärken runter brechen. Auf Tape fällt zuallererst auf, dass McVay unglaublich gut darin ist, vorteilhafte Matchups zu forcieren und auszunutzen. Hier ist ein Beispiel aus dem Spiel gegen Oakland:
Wie so viele Spielzüge (im wahrsten Sinne des Wortes, man sieht nur wenige Rams-Pässe komplett ohne Motion) beginnt auch dieses Play mit einem Spieler, der sich vor dem Snap in Bewegung setzt. Das gibt Goff einen ersten Hinweis auf die Coverage und mit diesem Wissen in Kombination mit der Formation kann er fast sicher davon ausgehen, dass er im Slot Cooper Kupp gegen einen Linebacker hat.
Dann spielen alle Routes zusammen: Die Flat-Route von Gurley aus dem Backfield zieht den einen Linebacker aus der Mitte. Die Go-Route rechts außen zieht den tiefen Safety mit und die tiefe In-Breaking-Route von der linken Seite beschäftigt den anderen Safety. Das räumt den Weg frei für Kupp, um das Eins-gegen-Eins-Matchup gegen den Linebacker ausnutzen zu können. Das Resultat ist ein Big Play bei 2nd&10.
Motion und aufeinander aufbauende Plays sind ein generelles Thema. Los Angeles nutzt schon seit Week 1 auffällig gerne verschiedene Elemente des Jet Sweeps. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um einen Spieler, der sich von einer Seite vor dem Snap in Bewegung setzt, dann in vollem Tempo unmittelbar nach dem Snap beim Quarterback ist und den Ball übergeben bekommt.
Die Rams nutzen das einerseits ganz einfach als Run Play und übergeben den Ball, um ihre schnellen Receiver in Space und die Defense in Bewegung zu bringen. Gleichzeitig aber etablieren sie das Play auch im gewisse Reaktionen der Defense zu testen und zu "ermutigen", und spielen dann daraus Play Action Pässe oder übergeben den Ball an Todd Gurley.
Rams-Offense: Motion, Play Action, Run Game
Generell gibt es viele Elemente in der Rams-Offense, welche die Defense in die Breite ziehen, um sie dann mit einem Downhill-Run-Game zu kontern. L.A. spielt mit weitem, weitem Abstand die meisten 11-Personnel-Formationen, in den ersten drei Wochen gab es keine einzige (!) Formation mit zwei Running Backs oder zwei Tight Ends. 98 Prozent der Rams-Offense-Plays wurden aus 3-Receiver-Sets gespielt, und das mit einem tollen Gleichgewicht: Aus 11-Personnel laufen die Rams in 47 Prozent der Fälle und passen in 53 Prozent.
Zum Vergleich: Tennessee spielte im gleichen Zeitraum 37 Prozent seiner Offense-Plays aus 2-TE-Sets, die Patriots 32 Prozent ihrer Snaps aus 2-Running-Back-Formationen.
Was macht das? Die Rams verstehen es - und viele Teams verstehen das noch immer nicht, deshalb ist es umso erwähnenswerter -, wie man eine leichte Box für Todd Gurley erzwingt: Nur 16,13 Prozent seiner Runs kamen aus 8+ Men Boxes, von allen Running Backs mit mindestens 40 Runs nach drei Wochen ist das der drittniedrigste Wert. Nur Seattles Chris Carson (13,3 Prozent) und Houstons Lamar Miller (15,9 Prozent) geht es da noch besser.
Stichwort Formationen: Die Rams sind sehr gut darin, Stack- und Bunch-Formations (also mehrere Receiver eng beieinander postiert) aus engen Sets heraus zu spielen und so das Spielgeschehen vor dem Snap zu komprimieren, um es anschließend zu öffnen.
Das erleichtert einerseits den Release für die Receiver und erschwert Man Coverage, andererseits zwingt es die Outside-Verteidiger, weit weg von der Seitenauslinie zu spielen.
Das macht die Routes der Receiver zusätzlich gefährlich, weil der Defensive Back bereit sein muss, in beide Richtungen zu sprinten, je nachdem wie der Cut des Receivers erfolgt. Umgekehrt gesagt: es verhindert, dass der Verteidiger die Seitenauslinie als Hilfe einsetzt.
Und L.A. geht auch einfach clever an sein Play-Calling ran. Die Run-Looks sind glänzend mit dem Passspiel kombiniert, was es für die Defense oft unheimlich schwer macht, vor dem Snap und selbst in der ersten Sekunde des Plays zu erkennen, was die Offense vor hat.
Kein Quarterback wirft prozentual auch nur ansatzweise so viele Play Action Pässe wie Jared Goff (36,8 Prozent), unter Starting Quarterbacks kam bisher lediglich Jimmy Garoppolo (33,6 Prozent) halbwegs da ran. Das erleichtert dem Quarterback die Reads enorm und weil die Formationen so gut aufeinander abgestimmt sind, gibt es immer wieder große Lücken und offene Pass-Fenster. Goff verzeichnet zwei Yards pro Play-Action-Pass mehr, als er pro Standard-Pass auflegt.
Die Rams: Cooks, Woods, Kupp - ein gefährliches Trio
Und als ob all das nicht reichen würde, hat Los Angeles auch noch ein gefährlicheres Downfield-Passing-Game. Gegen die die Chargers am Sonntag brachte Goff beide Deep Balls (mindestens 20 Yards Downfield) für 75 Yards und einen Touchdown an, auf die Saison gesehen wirft er den Ball im Schnitt 8,2 Air Yards das Feld runter (Rang 15) und verzeichnet durchschnittlich 6,5 Air Yards (Rang 11).
Dabei hat er - und das ist ausdrücklich ein Lob an die Offensive Line - 2,88 Sekunden bis zum Wurf. Lediglich Josh Allen, Deshaun Watson, Dak Prescott, Nick Foles, Carson Wentz und Sam Darnold halten den Ball länger. Allen und Watson vor allem, weil sie viel vor dem Pass scrambeln, die beiden Eagles-QBs spielen hinter der vielleicht besten Line der Liga und Darnold bekommt von den Jets zahlreiche 2- und 3-TE-Sets für zusätzliche Protection.
Darüber hinaus ist er sehr stark in der Mitte des Feldes, man muss gegen die Rams die Intermediate-Routes zu Cooks, Woods und Kupp irgendwie verteidigt bekommen. Goff trifft hier konstant enge Fenster, Kupp und Woods sind beide in der ligaweiten Top-25 was Yards pro gelaufener Route aus dem Slot heraus angeht (2,44 beziehungsweise 2,38).
Umgekehrt öffnen McVays Play-Designs auch immer wieder ganz einfache Completions. Seine vertikalen Routes zielen häufig darauf ab, Underneath-Pässe komplett frei zu bekommen und die Screen-Designs sind äußerst effizient.
Das Beispiel hier ist ein gutes Beispiel dafür. Der ganze Flow der Defense wird auf die (aus Sicht der Offense) rechte Seite gelenkt, indem die Line so blockt und Goff den Pitch zu Gurley antäuscht. Nur zwei Blocker und eine Route auf der anderen Seite reichen, um über den Screen ein Big Play zu erzielen.
Die Play- und Screen-Designs - hier kombiniert McVay gerne Play Action mit Screens - sind auch ein Grund dafür, dass das Passspiel zu den Running Backs so effizient ist: In Woche eins gab es fünf Receptions bei fünf Targets für 57 Yards, einen Touchdown und drei First Downs. In Week 2 (3 Targets, 3 REC, 31 YDS, 1 First Down) und Week 3 (7 Targets, 5 REC, 51 YDS, 2 First Downs) setzte er Gurley und Co. ebenfalls bei Screens und kurzen Pässen über die Jet-Sweep-Designs gut ein.
Auch in der Red Zone funktionieren diese Designs. Hier ist einer der Touchdown-Pässe gegen die Chargers: Die Rams nutzen den Jet Sweep von Gurley als Fake, um die Defense in die "falsche" Richtung in Bewegung zu setzen. Und dann nutzen sie die Coverage der Chargers gegen sie (die Coverage-Pärchen sind im Bild farblich markiert), indem der Tight End den Weg frei räumt für eine kurze Comeback-Route des Receivers.
Vikings vs. Rams: Wie stoppt man diese Offense?
Und damit die entscheidende Frage: Wo sollten die Vikings gegen dieses Monster einer Offense ansetzen? Ein zentraler Punkt muss der Pass-Rush sein, und das auch mit Aggressivität - heißt, mit dem Blitz.
Von allen Starting-Quarterbacks wird prozentual nur Ryan Tannehill (78,8 Prozent) häufiger "sauber" gehalten, also kann ohne Pressure werfen, als Goff (77,4 Prozent). Das liegt auch daran, dass die Raiders und die Chargers nahezu komplett zahnlos im Pass-Rush waren. Einzig Arizona konnte Goff länger Probleme bereiten und ihn auch häufiger unter Druck setzen.
Saison 2018: Jared Goff gegen Blitz und Pressure
Gegner | Dropbacks | Blitz (Stats) | Pressure (Stats) |
@OAK | 34 | 5 (2/5, 40 YDS) | 5 (1/4, 10 YDS, Sack) |
vs. ARI | 34 | 14 (9/13, 183 YDS, TD, INT, Sack) | 14 (7/12, 118 YDS, INT, 2 Sack) |
vs. LAC | 38 | 6 (4/6, 37 YDS) | 5 (4/4, 86 YDS, TD, Sack) |
Statistiken gemäß Pro Football Focus.
Arizona hatte dabei am ehesten aus komplexeren Pressure-Paketen Erfolg. Mit mehreren Spielern an der Line of Scrimmage und dann daraus immer wieder unterschiedlichen Rushern. Man muss Goff permanent unter Druck setzen, und das auf eine Art, die er Pre-Snap nicht sehen kann. Die Cardinals verpassten mit dieser Taktik mehrere Strip-Sacks im wahrsten Sinne des Wortes um Haaresbreite.
Die gute Nachricht für die Vikings: Dazu ist Minnesota in der Lage! Genau diese Art Blitz-Paket wurde in der Week-1-Kolumne bereits ausführlicher analysiert, Minnesota brachte damals gegen San Francisco mehrfach Blitzer aus unterschiedlichen Richtungen, nachdem sie die Line of Scrimmage komplett zugestellt hatten.
Und das zieht sich durch die bisherige Saison. Mike Zimmer ist als kreativer und effizienter Blitz-Designer bekannt, die Vikings brachten gegen San Francisco neun Blitze (4/8, 53 YDS, 2 INT, Sack), gegen die Packers 13 (9/10, 87 YDS, 2 Sacks) und gegen Buffalo elf (5/8, 45 YDS, Sack).
Ein hohes Maß an Disziplin in Kombination mit Aggressivität ist nötig, um gegen diese Rams-Offense etwas auszurichten. Auch wenn es am Sonntag gegen die Bills nicht danach aussah - normalerweise ist das eine gute Kurzbeschreibung der Vikings-Defense unter Zimmer.
Der Week-4-Auftakt verspricht jedenfalls ein hochspannendes Duell. Letztes Jahr noch hatte Zimmer die klare Oberhand gegen McVay und die Vikings-Defense dominierte die Rams-Offense in Minnesota. Vor allem die Screen-Play-Action-Kombination sowie die Rollout-Play-Action verteidigte Minnesota glänzend, spielte die Screens sehr aggressiv und gegen Play Action nahmen die Vikes Goff die offenen (schnellen) Pässe, indem der Edge-Defender hier zurückhaltender agierte und sich häufig in Coverage fallen ließ.
Die Rams könnten das mit Inside-Power-Runs kontern und gegen Zone Coverage Lücken hinter den Linebackern Lücken für das Intermediate-Play-Action-Passspiel ausnutzen. Etwas, das L.A. dieses Jahr sehr gut macht und ein Bereich des Feldes, den vor allem Cooks glänzend attackiert.
Es wird ein Schachspiel auf höchstem Level, eines das wir in den Playoffs sehr gut nochmal sehen könnten - und eines, das jede Menge Spaß machen sollte.