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NFL Draft - Trevor Lawrence in der Analyse: Der Hype ist nur teilweise gerechtfertigt

SPOX nimmt Top-Talent Trevor Lawrence genau unter die Lupe.
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Trevor Lawrence: Das Armtalent ist überdeutlich

Doch selbstredend sind die spektakulären Würfe das, was jedem College-Football-Fan bei Lawrence in erster Linie im Gedächtnis geblieben ist.

831 Deep-Passing-Yards (Yards bei Pässen über mindestens 20 Yards tief) legte er in der vergangenen Saison auf, zehn (!) Touchdowns warf er bei tiefen Pässen.

Zumindest die Yard-Zahl wäre noch deutlich höher gewesen, hätte er nicht vier Drops seiner Receiver bei Pässen über mindestens 20 Yards bekommen, darunter einige Würfe, bei denen er den Ball perfekt platziert hatte.

Lawrence wirft einen fantastischen Deep Ball. Über seine College-Karriere bevorzugt zu seinen großen Receivern mit enormem Catch-Radius nach außen, die gezielt Eins-gegen-Eins-Duelle erhielten. Mit seinem Arm kann Lawrence das gesamte Feld bedienen.

Aber man findet auf seinem Tape auch über die Mitte perfekt platzierte Bälle 40, 50 Yards tief und auf den Zentimeter genau in die Hände des Receivers geworfen.

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Das Armtalent insgesamt ist einfach beeindruckend. Lawrence trifft mühelos Out-Routes, er bringt den Ball wie an der Schnur gezogen 30 Yards das Feld runter. Er öffnet das ganze Feld, er zeigt Antizipation in seinen Würfen.

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"Armtalent" ist hier ein wichtiger Punkt, weil es eben mehr als nur Armstärke ist. Rein von der Stärke des Arms her, geht in dieser Klasse wohl niemand über North Dakota States Trey Lance - aber Lawrence kann einerseits seine Würfe variieren und auch mit Touch anbringen, und andererseits hat auch er jede Menge Power im Arm.

Diese Kombination erlaubt es ihm, Plays kreieren zu können, wo so einige andere Quarterbacks - auch unter den aktuellen Startern in der NFL - mit ihrem Latein ans Ende kommen.

Dieser Wurf im Spiel gegen Virginia - der eigentlich ein Touchdown sein muss, doch der Receiver kann den Ball nicht lange genug sichern - ist ein gutes Beispiel dafür.

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Zunächst einmal arbeitet Lawrence abermals mit einem Pump Fake, um sich Räume zu kreieren. Doch es ist eine Route, die Zeit braucht und Lawrence weiß, dass er den Ball nicht sofort werfen kann.

Gleichzeitig allerdings wird ihm sein Right Guard ins Gesicht geschoben, die Pocket wird in dem Moment, in dem er im Idealfall in sie rein treten müsste, unsauber.

Das ist der Punkt, an dem die Armstärke übernimmt. Lawrence kann seine Füße nicht richtig setzen, muss also den Ball knapp 40 Yards tief werfen, ohne dass er dabei Kraft aus den Beinen mitnehmen kann. Er bleibt nicht nur ruhig gegen den nahenden Druck, sondern platziert den Ball perfekt über den Verteidiger in die Arme seines Receivers.

Trevor Lawrence: Tendenzen von Patrick Mahomes?

Lawrence hat gut innerhalb der Clemson-Offense-Struktur funktioniert, die es ihm erlaubt hat, seine Armstärke vollends einzusetzen und zu zeigen. Und er hatte selbstredend auch meist gute Mitspieler um sich herum.

Doch ebenfalls auffällig war, dass er eben nicht rein auf die Struktur angewiesen ist. Lawrence kann Plays kreieren.

Das ist ein zweischneidiges Schwert, für nahezu jeden Quarterback und auch für Lawrence. Er hat die Tendenz, Plays erzwingen zu wollen oder den Ball hier und da zu lange zu halten - zumeist aber ist er sehr gut, wenn es darum geht, Plays spät im Down zu machen oder einen Protection-Fehler innerhalb des Plays noch auszugleichen.

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In diesen Momenten erinnert er gelegentlich an Patrick Mahomes, der ebenfalls fraglos von guten Matchups innerhalb der Offense profitiert, aber so auffallend ruhig gegen Pressure ist und eben häufiger dann doch in der Lage ist, ein vermeintlich verlorenes Play noch zu retten.

Diese Art der Improvisation - sprich: das richtige Mittelmaß zu finden, zu wissen, wann man in der Struktur bleiben muss, aber auch, wann man daraus ausbrechen muss und dann die physischen Möglichkeiten zu haben, um ein Play selbst zu kreieren - ist in der NFL über die letzten Jahre signifikant präsenter geworden. Wir sehen es bei Mahomes, bei Josh Allen, bei Justin Herbert, bei Kyler Murray und schon davor bei Russell Wilson und Aaron Rodgers.

Es ist keine Basis, auf welcher eine Offense aufbauen sollte, deshalb ging es in Green Bay zum Ende der Mike-McCarthy-Ära auch mit der Offense derart bergab. Aber in der richtigen Dosis eingestreut kann es den Unterschied ausmachen zwischen einer rundum guten und einer Elite-Offense. Denn die Umstände (Offensive Line, Wide Receiver, Play-Calling) werden selten perfekt sein und dann braucht es einen Quarterback, der die Fehler ausgleichen kann.

Bei Lawrence bin ich davon überzeugt, dass er das kann, und dass er es auch im richtigen Maß kann.

Dazu kommt außerdem seine Athletik: Lawrence ist nicht der nächste Lamar Jackson, aber man sollte seine Fähigkeiten als Runner nicht unterschätzen. In der vergangenen Saison lief er nur für 203 Yards, 2019 allerdings waren es 563 Rushing-Yards bei 103 Runs, sowie neun Rushing-Touchdowns (acht 2020).

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Lawrence mit seinen großen, langen Schritten kann schon mal einem Verteidiger davonlaufen und so auch Big Plays auflegen.

Doch was sind die Schwächen? Wo bekommt Lawrence Probleme?