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Steht die NFL in diesem Jahr vor einer historischen Free Agency?
Ben, Moe: Inwiefern wird sich diese Free Agency von den letzten unterscheiden?
Ich denke schon, dass wir einige andere Herangehensweisen beobachten werden. Der offensichtliche Punkt ist selbstredend, dass nach jahrelangem, konstantem Wachstum der Salary Cap erstmals fallen wird, mutmaßlich um rund 15 Millionen Dollar.
Das wird einerseits zu einigen kritischen Personalentscheidungen führen - vielleicht traden die Saints deshalb Marshon Lattimore, vielleicht geben die Eagles neben Zach Ertz auch einen Spieler wie Derek Barnett ab -, andererseits aber wird der Markt für Spieler, die jetzt Free Agents werden, auch deutlich schwieriger sein.
Es gibt weniger Teams, die größeren finanziellen Spielraum haben, und Teams werden weniger bereit sein, die gewohnten Top-Preise zu bezahlen. Wenn also ein Spieler wie Will Fuller seine Optionen sondiert, wird er vermutlich einige kurzfristige Optionen bei stärkeren Teams sowie Verträge mit mehr langfristigen Sicherheiten bei schwächeren Teams erhalten. Letztere aber werden sich mutmaßlich nicht, wie gewohnt, an den Top-Verträgen seiner Positionsgruppe orientieren.
Für diese Kategorie Top-Spieler könnte es also durchaus lukrativ sein, einen Einjahresvertrag zu unterzeichnen, auf langfristige Garantien zu verzichten, um sich so bei einem starken Team mit einer guten Saison für einen noch viel größeren Zahltag in der Free Agency 2022 in Position zu bringen.
Diese Dynamik wird hochspannend sein. Sollten mehrere Spieler einen solchen Schritt wählen, könnte das eine Art Dominoeffekt haben. Womöglich sehen wir dann in der NFL tatsächlich so etwas wie die Entstehung kurzfristiger Superteams.
Niklas B: Was sollten die Chargers deiner Meinung nach in Free Agency und Draft machen, um Justin Herbert die besten Umstände zu geben?
Ich hab diese Frage ein wenig auch aus repräsentativen Gründen mit reingenommen, denn es gibt aktuell auffallend viele Teams in einer ähnlichen Situation, für die diese Offseason unheimlich wichtig und weichenstellend werden kann. Dazu gehören neben den Chargers die Bengals mit Joe Burrow, die Dolphins mit Tua Tagovailoa, die Cardinals mit Kyler Murray und auch die Giants mit Daniel Jones.
Insbesondere für die Giants, aber auch für Miami geht es darum, in der kommenden Saison eine Entscheidung zu treffen. Bleibt man bei Tua und Jones? Und umso wichtiger kann es für eine Organisation sein, möglichst ideale Umstände zu kreieren, wie es etwa auch die Broncos letztes Jahr für Drew Lock gemacht haben. Damit man eben nicht nach mehreren Jahren an dem Punkt steht wie die Jets jetzt, wo diskutiert wird, ob Sam Darnold nur das Opfer der Umstände war und eigentlich viel besser ist.
Gute Umstände für den Quarterback zu kreieren sorgt für Gewissheit in der Quarterback-Entscheidung, und das ist extrem viel wert.
Die Chargers, Bengals und Cardinals wähnen sich da einen Schritt weiter und sehen sich mit Herbert, Kyler Murray und Joe Burrow für die Zukunft aufgestellt. Doch der Ansatz in puncto Roster Building ist ja unverändert, auch wenn das Motiv vielleicht etwas anders ist: Herbert, Murray und Burrow sind nur für begrenzte Zeit so günstig wie jetzt, und dieses Fenster gilt es, möglichst aggressiv zu bespielen.
Für Herbert und Burrow spezifisch muss man auf die Offensive Line schauen. Burrow war schon als Rookie exzellent darin, den Ball schnell loszuwerden und Herbert war als Rookie einer der besten Quarterbacks ligaweit im Umgang mit Pressure. Doch auf Letzteres sollte man nicht konstant bauen, und bei Ersterem war festzustellen, dass Burrow trotz seiner schnellen Entscheidungen konstant unter Druck geriet.
Bei den Chargers wird man drei, vielleicht sogar vier Starter in der Line austauschen müssen, um für Herbert eine konstantere Pocket zu kreieren. Idealerweise stabilisiert Herbert sich dann auch hier, und die Chargers können mit noch mehr Zuversicht in die Zukunft blicken. Das muss die oberste Priorität in L.A. sein. Murray spielte in der vergangenen Saison bereits hinter einer soliden Line, für die Cardinals sollte in dieser Offseason auch ein Jahr nach dem Trade für DeAndre Hopkins das Waffenarsenal im Vordergrund stehen.
Kevin Penning, Marco Warlies: Alex Smith möchte seine Karriere fortsetzen. Welche Teams sollten bei ihm anfragen?
Darüber, dass Smith' Story fantastisch ist, müssen wir nicht diskutieren. Dass er es tatsächlich nochmal nicht nur einfach zurück, sondern zum Comeback als Starting-Quarterback eines NFL-Teams geschafft hat, ist absolut aller Ehren wert.
Rein sportlich muss man nach der vergangenen Saison aber auch so ehrlich sein, zu sagen, dass er an diesem Punkt eben nicht mehr viel mehr ist als ein solider Game Manager, respektive ein High-End-Backup und eine exzellente Locker-Room-Präsenz, gegebenenfalls auch als Mentor für einen jungen Quarterback.
Letzteres ist für mich auch sein größter "Value" für ein NFL-Team mit Blick auf die kommende Saison. Ich könnte mir vorstellen, dass die Jacksonville Jaguars - jetzt mit Smiths Ex-College-Coach Urban Meyer am Ruder - ein idealer Spot für ihn wären. Meyer kennt ihn bestens, und Smith könnte dann - mutmaßlich - Trevor Lawrence unter seine Fittiche nehmen, ohne dass irgendwer Zweifel daran hätte, wer in Woche 1 startet.