"Schwanzvergleiche über das Internet"

Von Interview: Jan Dafeld
Ciro Immobile und Massimiliano Allegri werden in den sozialen Medien von Andrea Saule betreut
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SPOX: Viele Spieler sind sowohl auf Twitter, als auch bei Facebook aktiv. Was sind Vor- und Nachteile dieser beiden Plattformen?

Saule: Für uns ist Facebook aktuell wesentlich wichtiger. Dort erreichen wir unsere Hauptzielgruppe der 18- bis 25-Jährigen. Das ist auf Twitter anders, weil es dort deutlich professioneller zugeht. Ein Auftritt bei Google+ lohnt sich übrigens deshalb nicht, weil es niemand benutzt.

SPOX: Wenn Twitter professioneller sein soll, ist es dann auch einfacher?

Saule: Nein. Massimiliano Allegri ist beispielsweise nur bei Twitter und trotzdem hatten wir große Probleme, als er bei Juventus unterschrieben hat. Damals erhielten wir an die 10.000 beleidigende Nachrichten. Das hatte Formen eines Shitstorms und war auch eine große Überraschung für uns. Mit dieser Anzahl hatten wir nicht gerechnet.

SPOX: Wie geht man in solchen Fällen vor?

Saule: Wir antworten natürlich nicht auf solche Nachrichten. Auf Facebook löschen wir Kommentare grundsätzlich nur, wenn sie wirklich extrem sind und zum Beispiel Morddrohungen enthalten. Das ist bei Ciro aber zum Glück noch nie vorgekommen.

SPOX: Sie versuchen also nicht, solche Meinungen zu unterbinden?

Saule: Nein. Wer versucht, sie zu verhindern, lässt ihnen bereits zu viel Bedeutung zukommen.

SPOX: Wie reagierten die Follower nach dem italienischen Vorrundenaus bei der WM?

Saule: Dinge wie "eine Schande" standen in den meisten Kommentaren. Natürlich war das Ausscheiden nicht allein an Ciro festzumachen, aber weshalb sollten wir auf solche Beiträge antworten und uns verteidigen? Es gab allerdings einen Vorfall, der nicht ganz so gut für uns gelaufen ist.

SPOX: Während der WM?

Saule: Ja. Vor dem Endspiel hat mich Ciro angerufen. Er meinte, er wolle Deutschland und seinen zukünftigen BVB-Teamkollegen Glück wünschen. Wir haben uns dann entschieden, diesen Post nur auf Deutsch abzusetzen. Mir ist allerdings ein Fehler unterlaufen, so dass der Beitrag doch auch auf Italienisch veröffentlicht wurde. Das war deshalb problematisch, weil der Großteil der Italiener Argentinien unterstützte. Wir haben daraufhin viele aggressive Kommentare erhalten. Das war nicht ideal und ich würde sagen, dass wir daraus gelernt haben.

SPOX: Es gibt auch Sportler, die vor allem auf Twitter, aber auch bei Facebook wesentlich persönlicher und scheinbar spontaner posten.

Saule: Ein Beispiel dafür wäre Mario Balotelli. In meinen Augen ist das keine Strategie. In solchen Fällen wird versucht, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Allerdings nicht als Fußballer, sondern als Star. Für mich sind das daher, entschuldigen Sie den Ausdruck, über das Internet ausgetragene Schwanzvergleiche. Es ist letztlich einfach ein gänzlich anderer Weg, in den sozialen Medien aufzutreten.

SPOX: Heißt das, Balotelli arbeitet auch mit einem Social-Media-Manager zusammen, der eben eine andere Strategie verfolgt?

Saule: Ich weiß es nicht zu einhundert Prozent, gehe aber in seinem Fall davon aus, dass er alles auf eigene Faust macht. Ich möchte ihm auch keine Vorwürfe machen, ganz und gar nicht. Er ist 24 Jahre alt, hat viele Follower, viele Sponsoren und Leute, die ihn verehren. Ob eine solche Vorgehensweise funktioniert, kommt auch immer auf den Spielertypen an. Es gilt, individuell auf den Spieler zugeschnitten die beste Vorgehensweise zu finden.

SPOX: Können Sie in etwa abschätzen, wie viele Spieler auf Unterstützung im Social-Media-Bereich zurückgreifen?

Saule: Bei Facebook dürften es etwa 80 Prozent sein, auf Twitter nur 20 bis 30. Allerdings sind davon längst nicht alle professionell. Viele Spieler lassen das auch von ihrer Frau, dem Bruder oder von Freunde erledigen.

SPOX: Dies birgt allerdings Risiken. Erst vergangenes Wochenende tauchte über Tranquillo Barnettas Social-Media-Kanäle ein Post auf, indem er Schalkes Gegner Gladbach unterstützte. Später wurde der Beitrag gelöscht und Barnetta erklärte, ein Freund, der für das Management seiner Seiten verantworlich sei, hätte überreagiert.

Saule: Der Unterschied zwischen einem Freund und einem Profi liegt auf der Hand. Ein Freund ist gut, um mit ihm Zeit zu verbringen, aber würde ein Spieler einem Freund seine Ersparnisse anvertrauen und ihn diese anlegen lassen? Nein, er würde zu einem Experten gehen. Und das selbe sollten Spieler auch bei Social-Media- oder Presse-Angelegenheiten machen.

SPOX: Würden Sie einem Spieler dazu raten, die sozialen Medien auch deshalb zu nutzen, um die eigene Marke stärken zu können?
Saule: Nein. Es gibt weiterhin genügend Spieler, die sich entscheiden, dort nicht aufzutreten. Wir haben erst kürzlich mit einem Nationalspieler über ein Engagement gesprochen und er meinte, dass er das nicht möchte, weil er mit den sozialen Medien einfach nichts anfangen kann. Es steht also nicht immer der Aspekt der Privatsphäre im Vordergrund. Manche wollen einfach nur Sportler sein, für ihre Mannschaft spielen und sich keine Kommentare zu ihrer Leistung anhören.

SPOX: Kommt es vor, dass es zwischen Spieler und Social-Media-Manager zu Meinungsverschiedenheiten kommt?

Saule: Das kann passieren, klar. Manchmal vergessen die Spieler bestimmte Aufträge. Ein Beispiel: Vor dem Abflug nach Brasilien haben wir Ciro darum gebeten, ein Selfie mit Buffon und Pirlo zu machen und das dann zu posten. Er hat es aber komplett vergessen.

SPOX: Das kann doch aber passieren, oder nicht?

Saule: Natürlich, überhaupt kein Problem. Blöd war nur, dass wir kurz darauf auf Balotellis Twitter-Profil ein Bild mit Ciro und anderen Spielern entdeckt haben. Deshalb haben wir Ciro angerufen und ihn gefragt, weshalb er auf einem Foto zu sehen ist, aber selbst keines gemacht hat. Er dachte, dass es dasselbe wäre, wenn er das Balotelli-Bild einfach retweetet. Das ist aber natürlich ein Trugschluss.

SPOX: US-Sportler wie beispielsweise NBA- oder NFL-Profis veröffentlichen deutlich mehr und auch andersartigen Content - vor allem auf Twitter. Wie denken Sie darüber?

Saule: Dort gibt es diesbezüglich eine ganz andere Kultur als in Europa. Profisportler in den USA sind Profis, auch abseits des Feldes. Sie wissen, was und wann sie posten müssen. Ein Grund dafür ist, dass sie häufig eher an sich und ihrer eigenen Marke interessiert sind und weniger an ihrem Team. Zudem gibt es dort auch Faktoren, die in Europa gar nicht greifen. Wenn LeBron James beispielsweise nach Cleveland wechselt, ändern sich die Erfolgschancen der Cavaliers quasi über Nacht. Auch der Rivalitätsgedanke ist dort ein anderer.

SPOX: Inwiefern?

Saule: Wenn Ciro von Juventus zu Torino wechselt, schlägt das ein wie eine Bombe. Überlegen Sie sich nur, was los wäre, wenn Marco Reus im Winter zu Schalke wechseln würde. Dieses Extreme gibt es in den USA nicht. Dort sind die Teams weniger wichtig, der Individualist steht im Blickpunkt. Im europäischen Fußball ist hingegen die Mannschaft am wichtigsten. Die Fans unterstützen den Verein, in den USA ist es der einzelne Spieler.

Seite 1: Saule über seine Arbeit mit Immobile und den Einfluss von Sponsoren

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