Nach einem Jahr bei Halberstadt ging es weiter zu Babelsberg 03 zurück in die 3. Liga.
Kragl: Mein Förderer Benbennek war Trainer in Babelsberg. Er wusste, dass ich eine schlechte Phase durchgemacht hatte und wollte mir helfen. Ihm war klar, dass ich kein Spieler für die Regionalliga war. Ich muss generell sagen, dass er mir immer gut zugeredet hat. Er ist bis heute einer der besten Trainer, die ich je hatte. Dank ihm habe ich mich wieder gefangen und von 36 möglichen Pflichtspielen 31 für Babelsberg gemacht. Es ging also wieder bergauf.
2013, nach einer Saison bei den Filmstädtern, folgte Ihr erster Wechsel ins Ausland. Der SV Ried holte Sie aus der deutschen Drittklassigkeit in die österreichische Bundesliga. Wie kam es dazu?
Kragl: Ried-Präsident Stefan Reiter rief mich an und signalisierte konkretes Interesse. Ich habe das Ganze als nächsten Schritt gesehen, weil ich erstmals in meiner Karriere in einer ersten Liga spielen durfte. Ich glaube, in Ried konnte ich wirklich auf mich aufmerksam machen.
In Ried haben Sie unter anderem mit dem heutigen Wolfsburg-Trainer Oliver Glasner zusammengearbeitet. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Kragl: Oliver ist ein super bodenständiger und lustiger Typ. Ich kann über ihn ausschließlich Gutes berichten. Er leitet jedes Training mit Begeisterung und steht immer unter Strom, wenn es um Fußball geht. Aus meiner Sicht ist er verdientermaßen mittlerweile Bundesligatrainer in Deutschland.
Hat er Sie im Vorfeld seines Wechsels zum VfL kontaktiert?
Kragl: Nein, das nicht. Aber ich habe ihn in Wolfsburg getroffen, kurz bevor er seinen Vertrag beim VfL unterschreiben sollte. Er saß mit seinem kompletten Trainerteam im Sausalitos und ich habe mich dazugesellt. Wir haben kurz gequatscht. Ich habe ihm viel Glück in Wolfsburg gewünscht und ihm gesagt: "Wenn Du Probleme auf der linken Seite haben solltest, kannst Du mich holen" (lacht).
Oliver Kragl: "Red Bull könnte morgen Ronaldo kaufen"
Wie würden Sie das Niveau in der österreichischen Bundesliga einschätzen?
Kragl: Die Unterschiede innerhalb der Liga sind riesig. Red Bull Salzburg hat dem amtierenden Champions-League-Sieger Liverpool an der Anfield Road alles abverlangt und in Neapel unentschieden gespielt, auch Rapid Wien ist nach wie vor ein großer Verein. Auf der anderen Seite gibt es Klubs wie Ried oder Admira Wacker, die nicht das Geld haben, um mit Salzburg mitzuhalten. Red Bull könnte wahrscheinlich morgen Ronaldo kaufen, wenn sie wollten. Ich denke, dass Salzburg in der deutschen Bundesliga eine gute Rolle spielen könnte, die kleineren Vereine würden wahrscheinlich in der zweiten Liga rumgurken.
Sie haben das Potenzial von Salzburg bereits angesprochen. Sadio Mane wurde bei den Roten Bullen groß. Welche Erfahrungen haben Sie mit ihm als Gegner gemacht?
Kragl: Er war mehrfach mein Gegenspieler. Einmal hat er mich mächtig zerlegt, Salzburg hat uns mit einer 0:5-Packung nach Hause geschickt. In den anderen Spielen habe ich mich etwas besser angestellt. Aber man hat schon damals gesehen, wohin Sadios Reise gehen würde und dass er ein absoluter Ausnahmespieler ist. Er ist schnell, technisch hervorragend und weiß immer, wo er hinlaufen muss. Er wird nicht umsonst bei Liverpool vergöttert.
Wie haben Sie ihn neben dem Platz erlebt?
Kragl: Ich habe Sadio als sehr ruhigen, höflichen Menschen wahrgenommen. Dazu passt auch ein beeindruckendes Interview, das er vor einiger Zeit gegeben hat. Er sagte, dass ihm Luxusautos oder teure Uhren überhaupt nicht wichtig seien. Er spendet stattdessen viel Geld an sein Heimatland und versucht, den Menschen dort zu helfen. Das zeigt, was für ein feiner Kerl Sadio ist.
Nach zweieinhalb Jahren endete Ihre Zeit in Ried. Sie heuerten als 25-Jähriger beim Serie-A-Klub Frosinone an. Würden Sie sich als Spätzünder bezeichnen?
Kragl: Früher hieß es, dass man im Alter von 27 oder 28 auf dem Höhepunkt seiner Karriere sei. Unter heutigen Gesichtspunkten gehört man als 25-Jähriger fast schon zum alten Eisen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich schon früher in einer Top-Liga gelandet wäre, wenn ich mich bei Braunschweig nicht verletzt hätte. Mir haben vielleicht zudem das nötige Glück und die richtigen Kontakte gefehlt. Aber ganz ehrlich? Wenn ich heute bei einem Klub wie Milan als Linksaußen spielen würde, würde es niemandem negativ auffallen.
Italien-Legionär Kragl über sein Tor gegen Donnarumma
Ihr erstes Spiel für Frosinone war ziemlich ernüchternd. Vor heimischer Kulisse setzte es ein 1:5 gegen Napoli und Sie wurden nach 60 Minuten ausgewechselt. Was ging Ihnen durch den Kopf?
Kragl: Es mag komisch klingen, aber ich war glücklich. Natürlich war es mir nicht egal, dass wir eine Klatsche kassieren, aber ich stand erstmals in der Serie A auf dem Platz - und dann gleich gegen Napoli, die mit Jungs wie Dries Mertens, Gonzalo Higuain oder Marek Hamsik bei uns aufschlugen. Das Rückspiel in Neapel haben wir wieder mit vier Toren Unterschied verloren und ausgerechnet gegen uns hat Higuain den Serie-A-Rekord mit 36 Saisontreffern aufgestellt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, weil ich in diesem Spiel einen Freistoß aus 35 Metern an die Latte gesetzt habe. Den müssen Sie sich ansehen, was für ein Strich. In dem Video sieht man, wie Higuain an mir vorbeiläuft. Er sagte: "Toller Freistoß" und ich erwiderte: "Aber leider kein Tor."
Ein anderer toller Freistoß gelang Ihnen in San Siro, die Kugel schlug aus 40 Metern ein.
Kragl: Wahnsinn! Gegen Milan war das, Donnarumma stand im Tor. Ich habe beim Jubeln eine Kontaktlinse verloren, weil ich Tränen in den Augen hatte. Ich habe als Kind mit meinem besten Freund Andrea mit Milan auf der PlayStation gespielt - und dann gelingt mir in San Siro dieses Ding.
Wenn man sich bei YouTube ein Best-of-Video von Ihnen anschaut, wird schnell deutlich, dass Ihr linker Fuß mächtig Power hat. Wie haben Sie sich einen solchen Schuss antrainiert?
Kragl: Ich glaube, das ist eine Gabe. Ich weiß einfach genau, wie ich den Ball treffen muss, ich habe mir im Laufe der Jahre die perfekte Technik angeeignet. Meine Oberschenkel sind zwar nicht so breit wie die von Roberto Carlos, aber mein Schuss ist fast genauso hart. Stellen Sie sich einmal vor, ich hätte Roberto-Carlos-Oberschenkel - ich glaube, dann würde der Ball platzen (lacht).