Italien-Legionär Oliver Kragl im Interview: "Pablo, leck mich am Arsch. Ich hau ab!"

Von Dennis Melzer
Oliver Kragl im Spiel gegen Red Bull Salzburg.
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Oliver Kragl ist derzeit für Benevento Calcio aktiv. Der Tabellenführer der Serie B ist bereits der neunte Arbeitgeber für den 29 Jahre alten Wolfsburger, der über Braunschweig, Halberstadt und Babelsberg zunächst beim österreichischen Erstligisten SV Ried landete und später in Italien sein privates und sportliches Glück fand.

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Im schonungslosen Interview mit SPOX und Goal spricht der Linksfuß über seine Ausbildung beim eigentlich verhassten VfL, sein fotoloses Debüt in der 3. Liga und Duelle mit Sadio Mane.

Kragl verrät, wie er zu seinem beeindruckenden Schuss kam, warum er in San Siro eine Kontaktlinse verlor und dass Italien-Legende Walter Zenga aus seiner Sicht "ein Arschloch" ist. Außerdem: Wie er mit hartnäckigem WhatsApp-Verhalten das Herz von Model und Promi-Big-Brother-Siegerin Alessia Macari gewann.

Oliver, in Italien besteht seit mehr als einem Monat eine strikte Ausgangssperre. Wie sieht Ihr Alltag in Zeiten von Corona aus?

Oliver Kragl: Ich kann aktuell etwas länger schlafen und stehe auf, wann ich möchte. Dann kümmere ich mich um unsere Hunde, mache sie sauber und spiele mit ihnen auf der Terrasse. Meine Frau und ich kochen jeden Tag, danach pflegen wir unsere Instagram-Accounts und betreuen unser Label "LIF". Um 15.30 Uhr finden die Online-Trainingseinheiten vom Verein statt. Danach habe ich Freizeit, die ich meistens an der PlayStation mit einigen Partien Call of Duty verbringe. Am Abend wird wieder gekocht und im Anschluss schauen wir bis zwei oder drei Uhr nachts Serien auf Netflix.

Ein Lagerkoller ist also noch nicht in Sicht?

Kragl: Ich muss schon zugeben, dass es mir langsam auf die Eier geht. Wir haben zwar alles, was man zum Leben braucht, aber es fühlt sich dennoch ein bisschen nach Knastleben an. In diesen Zeiten erkennt man, wie viel das Leben wert ist, wenn man nicht rausgehen darf.

Wie gestaltet sich das Training?

Kragl: Das Training findet online mit unserem Fitnesscoach statt. Danach spule ich mein Laufprogramm auf der Terrasse ab.

Das muss eine große Terrasse sein.

Kragl: Wir haben glücklicherweise eine sehr große Terrasse (lacht). Ich mache dort Intervallläufe, immer 15 Meter mit ständigen Richtungswechseln. Jeder versucht eben, sich bestmöglich fitzuhalten.

Italien zählt zu den Ländern, die das Coronavirus ganz besonders hart getroffen hat. Wie nehmen Sie die Stimmung wahr?

Kragl: Die Stimmung ist sehr bedrückend. Die Menschen gehen auf Abstand, man sieht kaum Leute, die sich miteinander unterhalten. Man muss Schutzmasken und Handschuhe tragen, ansonsten wird man nicht in den Supermarkt gelassen. Alles erweckt den Anschein, als handele es sich um die Apokalypse. Mich wundert, dass Italien so viele Todesfälle zu beklagen hat. Ich verstehe nicht, warum andere Länder diesbezüglich nicht so schlimm betroffen sind. Es ist wirklich furchtbar.

Italien-Legionär Oliver Kragl im Steckbrief

geboren12. Mai 1990 in Wolfsburg
Größe1,80 m
Gewicht75 kg
Positionlinkes Mittelfeld, linker Verteidiger
starker Fußlinks
StationenVfL Wolfsburg Jugend, Eintracht Braunschweig, Halberstadt, Babelsberg 03, SV Ried, Frosinone, Crotone, Foggia, Benevento
Spiele/Tore in der Serie B101/20

Oliver Kragl: "Alter, warum spiele ich hier gerade?"

Ihr letztes Spiel fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen Pescara statt. Welche Eindrücke haben Sie mitgenommen?

Kragl: Unsere Fans standen draußen vor dem Stadion und haben uns angefeuert und gesungen. Die Italiener sind echt krass, in Deutschland würde man so etwas in der Bundesliga höchstens bei Köln, Dortmund, Gladbach oder Schalke sehen. Obwohl unsere Anhänger uns unterstützt haben, war es ein komisches Gefühl. Wenn du in die Kurve schaust und keine Menschen siehst, dann ist das einfach traurig und man denkt sich: "Alter, warum spiele ich hier gerade?" Aber das Spiel gegen Pescara war nicht nur aus diesem Grund befremdlich.

Erzählen Sie!

Kragl: Damals stand die Coronakrise noch ganz am Anfang. Die Spieler von Pescara kamen mit Mundschutzmasken auf den Platz und wollten damit antreten. Einen Tag zuvor hat der Verein sogar noch um eine Verlegung des Spiels gebeten, weil sechs oder sieben Spieler verletzt waren, bei zwei weiteren Spielern wurde vermutet, dass sie sich mit dem Virus infiziert haben könnten. Der Verband hat den Antrag abgelehnt. Hinterher hat sich herausgestellt, dass Pescaras Trainer Corona hatte. Wir wurden aber nicht getestet. Völlig irre.

Vielleicht müssen Sie sich an Geisterspiele gewöhnen. Die Nationale Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) hat kürzlich die düstere Voraussage getroffen, dass Fußballspiele mit Zuschauern erst 2021 wieder stattfinden können.

Kragl: 2021? Das würde auch bedeuten, dass bis dahin keine Konzerte oder andere kulturelle Veranstaltungen stattfinden dürften, bei denen viele Zuschauer sind. Auf der anderen Seite werden allerdings große Einkaufszentren mit 200 Läden wieder aufgemacht. Dort tummeln sich vielleicht keine 50.000 Menschen, aber immerhin genügend, um das Virus zu verbreiten. Das macht doch keinen Sinn.

Ihr Team belegt mit 20 Punkten Vorsprung den ersten Platz in der Serie B, der Aufstieg galt als sicher. Welches Szenario würden Sie sich für den Saisonendspurt wünschen?

Kragl: Ich würde am liebsten sofort wieder anfangen. Europaweit sollte jede Profiliga so schnell es geht ohne Zuschauer fortgesetzt werden, um den Zeitrahmen nicht komplett zu sprengen. Es kann nicht angehen, dass die laufende Saison endet und eine Woche später startet die nächste. Auch Fußballer haben einen Anspruch auf Urlaub, um den Kopf freizubekommen. Besonders nach dieser Scheiße, die gerade passiert, möchte ich meine Familie in Deutschland sehen. Wir sind somit auf eine Pause im Sommer angewiesen. Ich kann nicht während der Saison einen Urlaubsantrag beim Präsidenten einreichen und sagen, dass ich eine Woche mit meiner Tochter verreisen möchte.

Um den Start in die neue Saison nicht zu gefährden, wurde auch ein Abbruch immer wieder thematisiert, die Niederlande gingen bereits einen entsprechenden Schritt. Wie stehen Sie dieser Alternative gegenüber?

Kragl: Wenn es tatsächlich zu einem Abbruch kommen sollte, muss eine Regelung gefunden werden. Ich würde dafür plädieren, dass die ersten beiden Mannschaften aufsteigen, aber kein Team absteigt. Die Vereine, die sich oben festgesetzt haben, müssen auf jeden Fall belohnt werden.

Aber wenn dieser Fall nicht eintreten sollte und die kommende Saison einfach mit der aktuellen Konstellation begonnen wird?

Kragl: Wir haben 20 Punkte Vorsprung. Wenn wir nicht aufsteigen dürfen, wäre das ein absoluter Witz. Das wäre ein noch größerer Skandal als der Wettskandal, der Italien vor vielen Jahren erschüttert hat. Ich würde ausrasten.

Oliver Kragl steht mit Benevento an der Spitze der Serie B.
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Oliver Kragl steht mit Benevento an der Spitze der Serie B.

Benevento mit 20 Punkten Vorsprung: "Das schafft Filippo Inzaghi hervorragend"

Welchen Anteil hat Trainer Filippo Inzaghi an den angesprochenen 20 Punkten Vorsprung?

Kragl: Einen sehr großen. Die Kunst ist es, eine funktionierende Mannschaft stets auf Trab zu halten, damit - trotz des großen Vorsprungs - keine Lethargie einkehrt. Das schafft Filippo Inzaghi hervorragend. Er hat als Spieler die Champions League gewonnen und ist Weltmeister geworden. Er war vielleicht nicht der größte Techniker, wusste aber als Stürmer immer, wo er stehen musste. Er ist nicht umsonst einer der torgefährlichsten Milan-Spieler aller Zeiten. Er vermittelt uns seine Erfahrungen bestmöglich und gibt die Einstellung, die er früher an den Tag gelegt hat, an uns weiter.

Welche Rolle spielte er bei Ihrem Wechsel zu Benevento?

Kragl: Auch Parma und SPAL aus der Serie A hatten Interesse bekundet. Vor allem, weil ich ein freier Spieler war und keine Ablöse gekostet hätte. Aber Pippo hat mich angerufen. Da war ich ein bisschen perplex, habe mich aber gefreut, dass er sich persönlich gemeldet hat. Das ist im Fußballbusiness nicht selbstverständlich. Ich wusste, dass sein Interesse echt war, weil Pippo mich schon verpflichten wollte, als er noch Bologna-Trainer war. Das Problem war: Foggia, mein damaliger Klub, hat drei Millionen Euro für mich gefordert, die Bologna nicht aufbringen konnte. Pippos zweiter Versuch hat also besser funktioniert (lacht).

Können Sie sich an eine besondere Ansprache erinnern?

Kragl: Er ist der Kabine kein großer Zampano. Er sagt klipp und klar, dass wir die Sachen, die wir im Training durchgehen, umsetzen sollen. Natürlich kommen auch von ihm die altbekannten Sprüche: "Diskutiert nicht mit dem Schiedsrichter" oder "lasst Euch nicht auf Provokationen ein." Aber im Grunde weiß er, dass wir als Mannschaft variabel sind und jeder Gegner Schwierigkeiten bekommt. Jeder Spieler bei uns verfügt über eine hohe fußballerische Intelligenz. Das habe ich während meiner Karriere bislang selten erlebt, auch in Deutschland nicht. Da macht jeder sein eigenes Ding.