Gott, der Schiedsrichter - und dann lange nichts

Von Jan Lüdeke
Der Schiedsrichter hat beim Rugby stets das letzte Wort
© getty

Vor dem Start des Six Nations 2017 (live auf DAZN) wirft SPOX-Rugby-Kolumnist und DAZN-Kommentator Jan Lüdeke einen Blick auf das prestigeträchtige Event und erklärt, warum sich der Fußball beim Rugby noch etwas abschauen kann. Außerdem: Die Lehren aus der WM, Kracher von Beginn an sowie Italiener, die Sorgenfalten verursachen.

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Hallo Rugby-Fans,

endlich ist es soweit! Alle Rugby-Fans fiebern spätestens seit den Autumn Internationals im November auf die Six Nations 2017 hin. Und am Samstag geht es direkt mit zwei Krachern los. Schottland gegen Irland und England gegen Frankreich. Das wird großes Rugby!

Für alle, die nicht wissen, was die Six Nations sind: Jedes Jahr im Februar und März ermitteln England, Wales, Schottland, Irland, Frankreich und Italien den europäischen Rugby-König. Titelverteidiger ist England, das 2016 alle fünf Konkurrenten schlagen konnte. Neben den Engländern sind die Iren heuer großer Favorit, aber dazu später mehr.

Rugby ist ein so faszinierender Sport, der Werte wie Respekt, Ehrlichkeit und Stolz verkörpert wie keine andere Sportart. In Deutschland ist "König Fußball" ja die unumstrittene Nummer eins. Aber mal ganz ehrlich: Nicht umsonst haben kürzlich Meldungen die Runde gemacht, dass der Fußball sich einige Dinge vom Rugby abschauen möchte.

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Allem voran natürlich den Umgang mit den Schiedsrichtern. Im Rugby gilt ja gemeinhin die Regel: Ganz oben steht Gott, dann kommt der Schiedsrichter - und dann lange nichts. Entscheidungen werden von den Spielern immer akzeptiert, Gelbe wie Rote Karten werden kommentarlos hingenommen, der Platz wird sofort verlassen. So ist man als Sportler ein Vorbild für die Jugend. So lebt man Respekt.

Six Nations? Turnier mit den meisten Zuschauern

Dass Rugby in Deutschland (noch) so klein, ist wirklich schade. Gerade wenn man bedenkt, dass die Rugby-WM mittlerweile das drittgrößte Sportevent der Welt nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM ist. Die Six Nations sind das Sportturnier mit dem höchsten Zuschauerschnitt weltweit. 72.000 Zuschauer kamen vor zwei Jahren im Schnitt zu den 15 Spielen, solche Zahlen schaffen weder NFL noch Fußball-WM.

Beeindruckend, oder? Und das Schönste: Gewalt unter Fans gibt es nicht. Die Zuschauer sitzen komplett bunt durchgemischt, haben gemeinsam Spaß - und werden mucksmäuschenstill, wenn ein Spieler den Ball auf die Stangen kickt. So geht Respekt!

DRV-Sportdirektor Manuel Wilhelm: "Six Nations ist das großartigste Event"

Ich habe es schon erwähnt: Ich erwarte vom sportlichen Niveau die vielleicht besten Six Nations aller Zeiten. Nach der enttäuschenden WM 2015, bei der es kein Team der Nordhemisphäre ins Halbfinale schaffte (da tummelten sich am Ende Neuseeland, Australien, Südafrika und Argentinien), haben die europäischen Nationen offensichtlich die richtigen Lehren gezogen.

England ist 2016 unter dem neuen Coach Eddie Jones komplett ungeschlagen geblieben, Irland hat zum ersten Mal in seiner Geschichte die magischen All Blacks, den Weltmeister aus Neuseeland, bezwungen. Aber auch Frankreich scheint sich gefangen zu haben, Schottland hat den eingeschlagenen Weg mit attraktivem Angriffsrugby konsequent fortgeführt, Wales ist ohnehin immer für Siege gut. Einzig um die Italiener mache ich mir Sorgen. Ja, sie haben im November Südafrika besiegt, aber war das mehr als eine Eintagsfliege?

Härtetests zum Auftakt

Der 1. Spieltag hat es in sich. Die Iren sind für mich eigentlich Topfavorit, ganz allein schon, weil sie am letzten Spieltag Heimrecht gegen England haben werden. Aber sie müssen am Samstag im Murrayfield in Edinburgh ran - gegen starke Schotten, die du nicht eben mal so im Vorbeigehen schlagen wirst. Irland wird seine beste Leistung abrufen müssen. Dabei wird der zuletzt so verletzungsgeplagte Star-Verbinder Johnny Sexton den Iren fehlen - sicherlich kein Vorteil.

Spitzenspiel, allein schon wegen der Rivalität, wird die Partie zwischen England und Frankreich vor 82.000 Zuschauern im Londoner Rugby-Tempel Twickenham. England spielt nach der WM-Blamage (als erster Ausrichter der Geschichte die Gruppenphase nicht überstanden) auf einem unglaublichen Niveau, aber auch Frankreich hat frischen Wind reingebracht und sollte einigermaßen dagegenhalten können. Ich freue mich auf jeden Fall auf zwei hochklassige Spiele!

Am Sonntag bekommt es dann Wales mit Italien zu tun. Gar nicht so leicht, dieses Duell einzuschätzen. Die Waliser haben einige Verletzungsprobleme, die Entwicklungskurve zeigt im Vergleich zu den vorher besprochenen vier Nationen nicht annähernd so steil nach oben. Aber Wales kann an einem guten Tag jeden Gegner schlagen.

Besonders gespannt bin ich auf Talent Keelan Giles. Bekommt der seine Einsätze? Und wenn ja, kann er auf Six-Nations-Niveau schon mithalten? Er ist gerade mal 19 Jahre jung und mit seiner Statur (1,75m, 76 kg) ein Exempel dafür, dass Rugby ein Sport für jedermann ist. Man muss nicht zwingend ein muskelbepackter Hüne sein. Giles ist eine Rakete. Und Italien? 2000 wurden aus den Five Nations die Six Nations, um Italien die Chance zu geben, regelmäßig auf höchstem Niveau zu spielen. Aber den Anschluss haben die Italiener leider nie wirklich geschafft.

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Und 2017 sehe ich schwarz für Italien. Klar kann Sergio Parisse den Laden zusammenhalten, aber insgesamt fehlt mir die Qualität. Oder beweisen die Azzurri im heimischen Stadio Olimpico in Rom am Sonntag gegen Wales etwas anderes?

Bis zum nächsten Mal!

Euer Jan Lüdeke

Jan Lüdeke, geboren am 1. Juni 1985, verliebte sich vor vielen Jahren während eines Irland-Urlaubs in Rugby und spielte später einige Jahre als Dritte-Reihe-Stürmer für den Zweitligisten Studentenstadt Rugby München. Hofft, durch die vielen Rugby-Übertragungen auf DAZN den schönsten und ehrlichsten Sport der Welt auch vielen deutschen Sportfans näher zu bringen.

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