2. Der Super Bowl: Die Gronk-Taktik
Die Frage wird sein: Kann die Defense auch gegen New England das Spiel an sich reißen, wie sie es schon so häufig in dieser Saison und vor allem im vergangenen Super Bowl gegen Denver geschafft hat? Der Fokus, wie bereits angesprochen, wird auf der Mitte des Feldes liegen, und das aus gleich zwei Gründen. Zum einen spielt Seattle häufig eine Art Press Cover 3 mit einigen Variationen, aber nicht unbedingt direkte Manndeckung. Das bedeutet, dass sich in der Mitte für kurze Pässe Räume ergeben können, während die Seiten meist versorgt sind.
Umgekehrt könnte das New England genau in die Karten spielen. Rob Gronkowski, Edelman und Shane Vereen bilden das wohl beste Trio für kurze Pässe in der gesamten NFL, wenn es um Tight End, Slot Receiver und Pass-Catching-RB geht. Darüber hinaus ist Tom Brady ein Meister darin, eine Defense mit kurzen Slants oder Pässen in die Flats in den Wahnsinn zu treiben - und die Seahawks ließen bei Pässen unter 10 Yards eine Completion Percentage von 72 Prozent (!) zu. Nur fünf Teams waren schlechter.
Bei Pässen unter 10 Yards haben die Patriots derweil im Schnitt den zweitschnellsten Release (2,11 Sekunden vor dem Pass) sowie die ligaweit drittbesten Werte was QBR (75,8), Touchdowns (24) und Third-Down-Conversion-Rate (48 Prozent) angeht. New England verzeichnete in der kompletten Saison nur 54 Pässe von mindestens 20 Yards und damit weniger als etwa die Tennessee Titans (58) oder die Tampa Bay Buccaneers (60) - nur zehn Teams hatten noch weniger Big Plays im Passing Game.
Neue Ideen für Slant-Pässe?
Doch gerade Crossing Routes waren auch die absolute Top-Waffe der Broncos im vergangenen Super Bowl und Seattle hat über die vergangenen Jahren einige Wege gefunden, diese effektiv zu verteidigen. Mit Maxwell als möglichem Slot-Defender hat der Titelverteidiger sogar eine weitere Option dazugewonnen und ihm dort Spielpraxis gegeben.
Tharold Simon ersetzt Maxwell in dem Fall außen, Jeremy Lane ist als Slot-Defender ebenfalls eine Option. Seattle verteidigt Slot-Pässe in jedem Fall geschlossen als Team. Die Cornerbacks gehen zwar noch häufig in 1-on-1-Manndeckung, im Zentrum aber wird im Verbund gearbeitet. Zwar nutzen die Seahawks in bestimmten Situationen gerne zwei Linebacker für den Pass-Rush, in dem Fall haben aber alle Linebacker bestimmte Zone-Verantwortungen.
Chancellor kommt zudem aus dem Halbfeld in die Nähe der Box und liest den Spielzug, um festzustellen, zu wem der kurze Pass gehen könnte. Darüber hinaus nutzt Seattle seine agilen, schnellen D-Line-Men, von denen sich einer fallen lässt und so einen ganz schnellen Pass über die Mitte verhindern kann. Dadurch verhindert Seattle gleichzeitig, dass Spieler ihre Gegner quer über den ganzen Platz verfolgen müssen und sich womöglich gegenseitig behindern.
Free Release verboten
Hier wird es spannend sein zu sehen, welchen Ansatz Carroll und Defensive Coordinator Dan Quinn am Sonntag wählen. Eines dürfen sich die Seahawks in keinem Fall leisten, nämlich dass Gronkowski nach dem Snap einen Free Release hat, sprich ohne Kontakt loslaufen kann. Eine Möglichkeit wäre, den Pass-Rushing-LB an Gronk zu orientieren.
So kann er den Release stören, ehe dann ein Middle Linebacker (Wright beispielsweise) oder Chancellor den Tight End der Patriots übernimmt. Spätestens wenn es aber weiter das Feld runter geht, muss Chancellor oder ein Cornerback Gronk beschäftigen und hier ist die Übergabe entscheidend.
Philadelphias Zach Ertz schlug Wright mit Free Release im Duell in der Regular Season mit einer relativ simplen Route an der Seitenlinie ohne Probleme zum Touchdown, Chancellor war bei dem Spielzug beschäftigungslos in der Mitte des Feldes.
Chancellor als X-Faktor
So dürfte auch Chancellor selbst häufig an der Line auftauchen, um es direkt mit Gronkowski aufzunehmen und ihn anschließend auch zu verfolgen. Kein Seahawks-Spieler wäre physisch dafür wohl besser geeignet. So oder so: Dem Safety wird eine entscheidende Rolle im Duell am Sonntag zukommen, genau wie der ganzen Secondary.
In der zweiten Hälfte gegen Green Bay, als Seattles Defense das Team in der Partie hielt, spielten die Seahawks bei Passsituationen fast durchgehend Press-Man-Coverage und schlugen Green Bay mit ihrer starken Secondary. Mit Thomas und ihren Cornerbacks haben sie gegen weite Pässe auf die Receiver einen klaren Vorteil, doch darauf werden die Patriots auch nicht aus sein.
Chancellor wird, ob in Zone Coverage oder auch in Man Coverage gegen Gronkowski die Mitte des Feldes wie gegen die Broncos vor einem Jahr dominieren müssen und dürfte wie kaum ein anderer Spieler der Legion of Boom von den Patriots gefordert werden. Doch wer will Kam Bam ernsthaft sagen, dass er dieser Herausforderung nicht gewachsen ist.
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