Der neue Bayern-Coach: Extrem in jeder Hinsicht

Von Haruka Gruber
Jupp Heynckes hatte nach seiner Zeit in Mönchengladbach seine Karriere beendet - verfrüht
© Getty

Jürgen Klinsmann ist weg und ausgerechnet ein altmodischer und reaktionärer Frührentner soll die Bayern zum Titel führen. Jupp Heynckes gewann die Königsklasse - und scheiterte oft kolossal. Wer ist dieser Mann?

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Cando hatte es schon geahnt, obwohl sein Herrchen die Tür noch gar nicht zugemacht hatte. Kurz bevor Jupp Heynckes sein Haus am Stadtrand von Mönchengladbach Richtung München verließ, lief der Schäferhund hinter ihm her und schmiegte sich Nähe suchend an ihn. "Cando hat genau gespürt, dass ein Abschied bevorsteht", sagt Heynckes.

Doch auf die Befindlichkeiten seines Hundes kann Heynckes derzeit keinen allzu großen Wert legen. Denn Herrchen Heynckes muss sich ab dem Dienstag gleich um ein ganzes Rudel kümmern. Statt Cando heißen sie eben nur Franck, Luca, Miro oder Schweini.

"Ich tue das für den FC Bayern, der mir das Sprungbrett in den internationalen Fußball gegeben hat, und aus Freundschaft zu Uli Hoeneß", sagt Heynckes über die Beweggründe, als Nachfolger des entlassenen Jürgen Klinsmann bis Saisonende das Traineramt beim FC Bayern zu übernehmen.

"Wir brauchen eine Aufbruchstimmung"

Nach einer Einführungspressekonferenz mit seinem neuen Assistenzcoach Hermann Gerland um 13 Uhr wird Heynckes drei Stunden später sein erstes Training leiten. Am Samstag trifft München pikanterweise auf Mönchengladbach.

"Wir sehen die Chance, mit neuem Schwung noch das Unglaubliche zu schaffen und die Kurve zu kriegen. Wir brauchen eine Aufbruchstimmung. Wir haben so viele Bremsen drin gehabt. Einen Fußballlehrer wie Heynckes - das ist es, was wir jetzt brauchen", sagt Hoeneß, Bayern-Manager und ein enger Freund von Heynckes.

Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge ergänzt: "Wir trauen Jupp zu, mit seiner Erfahrung und seiner Ruhe die Dinge in die richtige Richtung zu lenken."

Daran will Heynckes arbeiten

Die Meisterschaft ist weiterhin das Ziel - und ausgerechnet ein 64-jähriger Frührentner dient als neuer Hoffnungsträger. Ausgerechnet Heynckes, der im Vergleich zu Klinsmann so altmodisch und reaktionär daherkommende Trainerveteran.

"Ich denke, dass Jürgen Klinsmann unheimlich intensiv mit den Leuten gearbeitet, dass er viele Ideen entwickelt hat, sehr innovativ war. Aber man konnte beim 0:1 gegen Schalke sehen, dass die Mannschaft psychisch blockiert war", sagt  Heynckes in der "Süddeutschen Zeitung".

"Diese Blockade zu lösen, wird die erste Aufgabe sein. Die zweite wird darin bestehen, zu versuchen, der Mannschaft mein fußballerisches Know-how zu vermitteln."

Champions-League-Sieg mit Real

Als Shootingstar mit 33 Jahren begann der Ex-Nationalstürmer bei seinem Heimatverein Mönchengladbach 1979 seine Trainerkarriere, holte mit dem FC Bayern zwei Meistertitel, führte Bilbao und Teneriffa in die spanische Spitze und holte mit Real Madrid 1998 die Champions League sowie den Weltpokal.

2000 wäre er fast zum Bundestrainer ernannt worden, hätte er das Angebot des DFB wegen einer schweren Krankheit seiner Ehefrau nicht abgelehnt.

"Heynckes hat einen unglaublich hohen Stellenwert. Die Spieler haben auch wegen seinen Erfolgen im Ausland unglaublich viel Respekt vor ihm. Er ist ein fantastischer Trainer und Mensch", sagt Jos Luhukay, ehemaliger Co-Trainer von Heynckes in Mönchengladbach, zu SPOX.

Ähnlich positiv äußerte sich Peter Pander im Gespräch mit SPOX. Der frühere Borussia-Sportdirektor lotste Heynckes im Sommer 2006 zurück zu seinem Heimatverein und sagt: "Heynckes hat die Erfahrung und die Kompetenz, um sich bei den Bayern zurechtzufinden. Seine größten Stärken sind seine Geradlinigkeit und Ehrlichkeit."

Zu engstirnig und arrogant?

Aber genau diese Stärken erwiesen sich in Heynckes' Karriere auch als seine größten Schwächen. Schon früh in seiner Trainerkarriere zeichnet sich ab, dass er am besten ist, wenn er junge Spieler formen kann. Heynckes entdeckte Lothar Matthäus, Julen Guerrero oder vor einigen Jahren auf Schalke einen gewissen Alexander Baumjohann, ab dem Sommer bei den Bayern unter Vertrag.

Seine auf Disziplin beruhende Coachingphilosophie entwickelte jedoch selbstdestruktive Tendenzen, wenn Heynckes in der Vergangenheit versucht hatte, diese auch bei Spitzenteams konsequent durchzudrücken.

Nachdem sich Heynckes in Bilbao und Teneriffa einen vorzüglichen Ruf erarbeitet hatte, wechselte er zu Real Madrid, gewann die Königsklasse - und wurde dennoch entlassen. Ihm fehlte die Unterstützung im Team, hieß es. Seine nächste Station bei Benfica Lissabon war ebenfalls nach einem Jahr beendet, weil er zu engstirnig und arrogant aufgetreten sei.

Fiasko in Frankfurt

Nach zwei überwiegend erfolgreichen Jahren während seiner zweiten Tätigkeit in Bilbao heuerte er 2003 auf Schalke an und erlebte ein Fiasko. "Wo ich bin, muss Erfolg sein", sagt er bei seiner Antrittsrede, 14 Monate später wurde er entlassen. "Der Jupp ist ein Fußballer der alten Schule, aber wir haben 2004", sagte Manager Rudi Assauer höhnisch.

Ähnlich desolat verlief seine Rückkehr nach Mönchengladbach 2006. Nach sieben Monaten, zwölf sieglosen Spielen in Serie und erstzunehmenden Drohbriefen gegen Heynckes einigten sich beide Parteien auf ein sofortiges Ende der Zusammenarbeit. Die Borussia reagierte erleichtert.

Zum größten Reinfall entwickelte sich sein Engagement in Frankfurt vor 15 Jahren. Mit dem Ziel Meisterschaft angetreten (Heynckes: "Ich bin nicht nach Frankfurt gekommen, um in den UEFA-Cup zu kommen. Wir wollen den Titel!"), suspendierte Heynckes Anthony Yeboah, Jay-Jay Okocha sowie Maurizio Gaudino und brachte die Mannschaft gegen sich auf. Von Grabenkämpfen zermürbt, gab Heynckes nach neun Monaten auf.

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Ein Mann der Extreme

Jüngst wurde Heynckes gefragt, ob er etwas von seiner erfolglosen Zeit vor zwei Jahren in Mönchengladbach gelernt habe. Heynckes beließ es bei einem: "Nein, das ist abgehakt."

2008 zog er sich zurück, weil er mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Jetzt ist er wieder genesen und setzt seine wechselvolle Karriere bei den Bayern fort. Heynckes kennt kein Mittelmaß, keine Graustufen. Er war extrem erfolgreich - oder er scheiterte kolossal. Er war geradlinig und ehrlich - oder eben zu geradlinig und zu ehrlich.

Ein Mann der Extreme für einen Klub der Extreme. Ob Hardliner Heynckes mit den Stars der Bayern zurechtkommt? "Heynckes wird auch für die Bayern eine klare Vorstellung haben. Aber er ist erfahren genug, um nicht auf seinen Prinzipien zu beharren", sagt Pander.

"Und es dauert doch sowieso nur vier Wochen..."

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