Willi Orban im Interview: "Lena Gercke kam in Julians Ansprachen schon mal vor"

Willi Orban und Julian Nagelsmann arbeiteten zwei Jahre lang bei RB Leipzig zusammen.
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Klub-Wechsel haben Sie bisher erst einen hinter sich, 2015 von Ihrem Heimatklub 1. FC Kaiserslautern nach Leipzig. Wie lange mussten Sie damals überlegen?

Orban: Nur ein, zwei Wochen. Zunächst lag mein ganzer Fokus auf einem möglichen Aufstieg mit Lautern. Als feststand, dass wir es nicht schaffen, hatte ich die Möglichkeit zu wechseln und habe Gespräche mit einigen Klubs geführt. Die entscheidende Komponente für den Transfer nach Leipzig war Ralf Rangnick. Er hat mich mit seiner Begeisterungsfähigkeit und seinem Feuer von seiner Vision von RB Leipzig überzeugt. Im Nachhinein betrachtet war der Wechsel die eindeutig richtige Entscheidung.

Mit Lautern ging es in den vergangenen Jahren rapide bergab, in dieser Saison drohte sogar der Absturz in die Regionalliga. Wie nahe geht Ihnen das?

Orban: Als Fan würde ich mich nicht bezeichnen, aber als Sympathisant finde ich das sehr traurig. Mit der Strahlkraft, den Werten und der ganzen Pfalz im Rücken hat Lautern ein unheimliches Potenzial. Ich hoffe, dass der Klub langfristig in die Bundesliga zurückkehrt. Dort gehört er hin.

Erleben Sie nach Erfolgen mit Leipzig die gleiche Euphorie im Umfeld wie einst bei Kaiserslautern?

Orban: Es ist anders, aber definitiv nicht weniger leidenschaftlich oder gar schlechter. Bei Lautern stehen in der Kurve geschätzt zu 80 Prozent junge Kerle, die ordentlich Krach machen. Hier unterstützen uns im Stadion hauptsächlich Familien, die aber nicht weniger begeisterungsfähig sind.

Willi Orban wurde nach dem Wechsel von seinem Jugendklub 1. FC Kaiserslautern zu RB Leipzig von seinen ehemaligen Fans beleidigt.
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Willi Orban wurde nach dem Wechsel von seinem Jugendklub 1. FC Kaiserslautern zu RB Leipzig von seinen ehemaligen Fans beleidigt.

In Kaiserslauterns Fanszene hat Ihr Wechsel nach Leipzig für große Kritik gesorgt. Hatten Sie damit gerechnet?

Orban: Mir war schon davor klar, dass die Fans meinen Wechsel kritisieren werden. Ich stand bei Lautern jahrelang selbst in der Kurve und wusste über die Meinung der Fans zu RB Leipzig Bescheid. Viele haben Leipzig als Schuldigen ausgemacht, wenn es beim eigenen Verein nicht so gut läuft.

Konnten Sie die Kritik verstehen?

Orban: Natürlich konnte ich die Sichtweise der Fans verstehen. Aber man muss alles immer aus zwei Perspektiven betrachten. Als leidenschaftlicher Fan hast du eben eine ganz andere Sicht auf die Dinge als jemand, der aktiv auf dem Platz steht.

Wie war Ihre Sichtweise?

Orban: Ich habe eine unglaubliche Verbindung zu Lautern gespürt und hätte - rein emotional betrachtet - am liebsten vom Anfang bis zum Ende meiner Karriere bei meinem Heimatklub gespielt. Aber das ließ sich mit meinen sportlichen Ambitionen leider nicht vereinbaren. Mein großes Ziel war es schon damals, in der Champions League zu spielen. Um das zu erreichen, sah ich bei Leipzig die besten Chancen - und in dieser Saison habe ich es zum vierten Mal geschafft. Ich bin jetzt sechs Jahre hier und identifiziere mich voll mit dem Klub und der Stadt.

Bei Ihrem ersten Auswärtsspiel in Kaiserslautern nach dem Wechsel zeigten Fans einen Doppelhalter mit Ihrem Gesicht im Fadenkreuz. Was hat das mit Ihnen gemacht?

Orban: Ich verstehe Kritik, aber nur so lange es nicht zu Drohungen gegen einen selbst oder die Familie kommt. Was in der Öffentlichkeit nicht gesehen wurde, waren die zahlreichen positiven Rückmeldungen, die ich nach diesem Spiel bekommen habe. Viele Leute aus dem Klub-Umfeld haben sich bei mir entschuldigt und gemeint, dass diese Fans nicht für die Werte des Klubs, die Werte von Fritz Walter stehen. Der Großteil der Lautern-Fans kann sich trotz meines Wechsels weiterhin mit mir identifizieren und ich mich mit ihnen.

Haben Sie überlegt, gegen die Fadenkreuz-Doppelhalter juristisch vorzugehen?

Orban: Nein, das war für mich keine Option.

Ihr ehemaliger Teamkollege Timo Werner musste nach seiner legendären Schwalbe gegen den FC Schalke 04 2016 - und der anschließenden Leugnung dieser - ähnliche Anfeindungen ertragen. Haben Sie sich mit ihm darüber ausgetauscht?

Orban: Ich habe mit ihm geredet, aber letztlich musste er damit allein klarkommen. Für Timo war das eine schwierige Zeit und natürlich war er nicht happy. Im Nachhinein hat er sicher auch eingesehen, dass seine Aussagen unglücklich waren. Er hätte direkt nach der Schwalbe ehrlicher, authentischer reagieren sollen. Langfristig hat ihn der Umgang mit dieser Situation als Persönlichkeit reifen lassen. Vielleicht hat ihm das auch dabei geholfen, nach der Kritik in England die richtige Reaktion zu zeigen. Das Schöne als Fußballer ist, dass man solche Dinge mit guten Leistungen vergessen machen lassen kann.

Willi Orban und Julian Nagelsmann arbeiteten zwei Jahre lang bei RB Leipzig zusammen.
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Willi Orban und Julian Nagelsmann arbeiteten zwei Jahre lang bei RB Leipzig zusammen.

Genau wie vergangenen Sommer Werner verlässt nun auch Trainer Julian Nagelsmann Leipzig, er wechselt zum FC Bayern München. Was zeichnet ihn als Trainer aus?

Orban: Taktisch gibt er viel mehr Input als jeder andere Trainer, den ich bisher hatte - vor allem bezüglich des Spiels mit dem Ball. Bis er 2019 nach Leipzig kam, lag unser Fokus auf dem Spiel gegen den Ball. Durch Julian haben wir eine andere Sichtweise auf Taktik bekommen. Er sieht den Fußball ganzheitlich und will, dass man gegen den Ball gut organisiert und mit dem Ball kreativ ist. Das ist zwar fordernder, aber auch erfolgsversprechender, weil man dadurch schwerer ausrechenbar ist.

In Interviews fällt Nagelsmann regelmäßig mit kuriosen Analogien auf, zuletzt verglich er sein damals noch nicht fixiertes Engagement beim FC Bayern mit einer Beziehung zu Model Lena Gercke. Äußert er sich im Mannschaftskreis ähnlich?

Orban: Ja, er bringt auch bei Ansprachen regelmäßig solche Vergleiche - und Lena Gercke kam schon mal vor. (lacht) Im ersten Moment habe ich mich oft gefragt, was er eigentlich von einem will. Aber letztlich bringt er seine Botschaft damit meistens genau auf den Punkt. Seine Lockerheit und seine Wortgewandtheit sind außergewöhnlich.