SPOX: Dann gehen wir am besten auch noch einmal zurück zu den Zahlen, genauer gesagt zu RPM. Um das etwas besser zu verstehen und Ihnen vielleicht ein paar Hot Takes zu entlocken.
Engelmann: Ok...
SPOX: Ist Nikola Jokic ein besserer Verteidiger als Joel Embiid? Sein Defensive Real Plus-Minus war in der letzten Saison minimal höher.
Engelmann: Das liegt daran, dass Embiid nur sehr wenige Minuten gespielt hat. Dadurch ist die Zahl um einiges ungenauer als bei Spielern, die viel gespielt haben. Bei Spielern mit geringer Minutenzahl wird eine 'Regression zur Mitte' gemacht, da man erwartet, dass sie extreme Stats nicht ganz "halten" können. Hätte Embiid die gleichen Leistungen und Stats über 60 oder 70 Spiele gebracht, würde ihn RPM als einen der besten Verteidiger der Liga sehen.
SPOX: Und Jokic? Er war den Zahlen nach der beste Center und der sechstbeste Spieler der Liga.
Engelmann: Mindestens in den Top 20 würde ich ihn ganz sicher sehen. Mit ihm waren die Nuggets offensiv auf dem Niveau der Warriors und Denver hat nun wirklich nicht die großartigsten Offensivspieler. Er macht das Punkten für seine Mitspieler sehr einfach und ist auch selbst ein unglaublich effizienter Werfer.
In der Defensive... (lacht) Da gebe ich zu, dass er unter Umständen ein bisschen überbewertet ist. Tatsächlich haben die Nuggets aber besser verteidigt, wenn er auf dem Feld war - wenn auch trotzdem noch relativ schrecklich. Er ist ja zumindest ein guter Rebounder und holt viele Steals. RPM hat aber auch den Hang, große Spieler besser zu bewerten.
SPOX: Nächste Frage: Ist Jae Crowder der - mit Abstand - beste Spieler aus dem Trade zwischen den Boston Celtics und den Cleveland Cavaliers?
Engelmann: Das würde ich tatsächlich unterschreiben. Die Meisten legen da vielleicht zu großes Augenmerk auf die Offensive. Aber Thomas war in der Defensive nicht gerade einer der besten Spieler der Liga, natürlich auch durch seine Größe. Auch in den Playoffs haben die Wizards ständig seinen Gegenspieler aufgepostet. Insgesamt haben die Celtics mit Thomas ziemlich desaströs verteidigt. Gerade Thomas und Irving sind denke ich zwei Spieler, die in der Öffentlichkeit etwas überbewertet werden.
Über Kyrie habe ich schon öfter geschrieben und danach auch immer viele negative Twitter-Nachrichten bekommen (lacht). Aber wenn man sich anschaut, wie er ohne LeBron gespielt hat, sieht das nicht wirklich rosig aus. Und mit LeBron waren die Cavs mehr oder weniger gleich gut, egal ob er mit oder ohne Kyrie gespielt hat. Irving ist natürlich geil anzuschauen, aber LeBron macht seinen Mitspielern das Leben eben einfacher.
Dagegen hat Crowder schon seit Jahren unglaublich gute On/Off-Statistiken, dazu noch extrem gute Wurfquoten. Für mich ist er wirklich einer der besten sogenannten Two-Way-Player der Liga.
SPOX: Der nächste Spieler, den ich mir ausgesucht habe, ist DeMar DeRozan...
Engelmann: (lacht)
SPOX: Der wurde immerhin gerade erst in ein All-NBA-Team gewählt. Laut RPM müsste man ihn aber durch einen beliebigen Durchschnittsspieler ersetzen können, ohne dass die Toronto Raptors dadurch schlechter würden. Ein solcher Spieler war statistisch gesehen z.B. der 39-jährige Jason Terry...
Engelmann: Für die kommende Saison würde ich das bei Terry aufgrund seines Alters natürlich verneinen, da zeigt die Kurve vermutlich nach unten. Aber insgesamt ist DeMar DeRozan genau der Typ Volume-Scorer, der meiner Meinung nach überbewertet ist. Er macht fast 28 Punkte pro Spiel. Da würde man doch erwarten, dass die Offense seines Teams viel schlechter ist, wenn er auf der Bank sitzt, oder?
Aber die Raptors waren mit DeRozan auf dem Feld in den letzten Jahren nicht besser. Er nimmt natürlich viele Würfe, viele komplizierte Würfe, was auch irgendwie die Attraktivität ausmacht. Nimmt er damit anderen Spielern effizientere Würfe weg? Und was ist mit dem Ball-Movement? Insgesamt sind die Raptors schon seit Jahren immer ohne ihn besser und erfolgreicher als mit ihm.
SPOX: Einen letzten Spieler habe ich noch im Angebot: Dennis Schröder. Provokant gefragt: Ist er einer der schlechtesten Point Guards der Liga?
Engelmann: Leider gibt es zumindest wenige Argumente, die aktuell dagegen sprechen würden. Ein großes Problem ist da seine hohe Turnover-Rate, vor allem die vielen sogenannten Live-Ball-Turnover, die zu gegnerischen Schnellangriffen führen. Die ziehen ihn statistisch extrem runter. Aber auch ansonsten sehen die Zahlen nicht gut aus.
Wenn man den Eye Test dazu nimmt, müsste er aber vielleicht nicht ganz so weit unten stehen. Vielleicht kann er sich nächste Saison ja wirklich etwas verbessern. Allerdings hat man eben oft das Gefühl, dass er einfach zu viel machen will und dadurch ganz blöde Ballverluste verursacht, die dem Gegner immer wieder Punkte schenken.
SPOX: Ist also vor allem seine Rolle zu groß?
Engelmann: Auf jeden Fall. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass er gerade bei den Turnovers einfach kein gutes Händchen hat. Ich weiß auch nicht, ob man sich da noch groß verbessern kann, wenn man schon vier Jahre in der NBA gespielt hat und quasi immer die gleiche Turnover-Quote hatte.
SPOX: Vermutlich wird seine Rolle in einem schlechteren Hawks-Team in der kommenden Saison ja sogar noch größer.
Engelmann: Ja, ich kann mir vorstellen, dass er jetzt noch mehr machen will und machen muss und noch mehr Minuten spielt. Das könnte ein Problem sein, gerade weil man irgendwie den Eindruck hat, dass es bei ihm auch eine Sache der Konzentration ist.
Als kleinen Hot Take könnte ich mir deswegen vorstellen, dass Schröder die Liga in Turnovers anführen wird. Bei James Harden werden es weniger werden, weil er jetzt Chris Paul neben sich hat. Und auch bei Westbrook wird die Zahl durch Paul George wahrscheinlich geringer werden. Also besteht leider durchaus die Chance, dass Schröder da die Krone mit nach Hause nimmt.