NBA

Turnover? "Schröder könnte die Liga anführen"

Von Simon Haux
Dennis Schröder steht mit den Atlanta Hawks vor einem Umbruch
© getty
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SPOX: Wenn wir schon bei Hot Takes sind: Wie wäre es mit einer Prognose, welches Team uns alle in der nächsten Saison überraschen wird? Bei dem vielleicht auch die Wettanbieter in Las Vegas völlig daneben liegen.

Engelmann: Leider muss ich sagen, dass Vegas da inzwischen extrem genau ist, das ist also schwierig. Wenn man in den vergangen Jahren RPM benutzt hätte, um in Vegas auf die Over/Unders, also die Bilanzen der Teams zu wetten, hätte man tatsächlich Millionär werden können.

Da gab es praktisch jede Saison ein oder zwei Teams, bei denen man mit ziemlicher Sicherheit hätte sagen können: "Ok, wir schmeißen da jetzt ein paar Tausend Euro drauf, das ist relativ leicht verdientes Geld." So war es z.B. bei Boston nach dem Rondo-Trade, auch letztes Jahr bei den Rockets oder den Jazz. Dummerweise wurden die Quoten aber inzwischen immer weiter an die RPM-Werte angeglichen.

In diesem Jahr könnte ich mir vorstellen, dass die Milwaukee Bucks extrem gut werden. Khris Middleton war vor zwei Jahren statistisch einer der besten Spieler. Wenn er wieder so spielt wie vor seiner Verletzung und Antetokounmpo noch einen kleinen Schritt macht - große Schritte sind da ja kaum noch möglich, sofern er nicht auf einmal den Dreier trifft -, dann wird Milwaukee möglicherweise ganz weit oben mitmischen.

Andererseits kann ich mir vorstellen, dass die Celtics vielleicht enttäuschen. Nach den Plus-Minus-Werten haben sie mit Thomas, Crowder und Amir Johnson ihre drei besten Spieler der letzten Saison verloren. Johnson wird da natürlich oft nicht so ernst genommen und war zugegebenermaßen in den Playoffs ziemlich schlecht. Aber er ist eben sehr effizient und gehört schon seit Jahren zu den besten Plus-Minus-Spielern.

Vielleicht noch ein Hot Take zu den Celtics: Ich habe auch eine Metrik, die versucht, Coaches zu bewerten. Danach ist Brad Stevens nur ein ziemlich durchschnittlicher Coach.

SPOX: Oh... Können Sie diese Metrik kurz erklären?

Engelmann: Sie stellt den Coach quasi als sechsten Spieler aufs Feld, um seinen Einfluss auf die Offensive und Defensive zu berechnen. Die Ergebnisse decken sich im Großen und Ganzen mit dem, was man erwarten würde. Die Van Gundys sind oben dabei, genauso wie Quin Snyder von den Utah Jazz, Phil Jackson oder Gregg Popovich.

Der ehemalige Lakers-Coach Byron Scott schneidet dagegen z.B. furchtbar ab. Insgesamt sind ungefähr 140 Coaches dabei, und von den schlechtesten 50 hat im Moment tatsächlich keiner einen Job. David Blatt ist beispielsweise auch ganz weit unten im Ranking.

SPOX: Obwohl er bei den Cavaliers ja ziemlich viele Spiele gewonnen hat...

Engelmann: Aber die Punktedifferenz des Teams war nicht besonders toll. Und er hatte ja immer noch LeBron. Die Metrik berechnet natürlich mit ein, welche Spieler man hat. Wenn ich morgen die Golden State Warriors übernehmen und zu 58 Siegen führen würde, hätte ich damit als Coach ein negatives Rating, weil der Warriors-Kader eigentlich gut genug für 65 Siege sein sollte.

SPOX: Die Celtics könnten also enttäuschen. Gibt es da vielleicht noch andere Kandidaten?

Engelmann: Bei den Philadelphia 76ers macht mir natürlich die Gesundheit von Joel Embiid Sorgen. Wenn jemand umknickt und sich Bänder reißt, mache ich mir langfristig keine großen Sorgen. Selbst bei einem Kreuzbandriss habe ich heutzutage keine großen Bedenken mehr, dass die Leute gut zurückkommen.

Aber gerade Stressfakturen, wie sie Embiid im Fuß und auch im Rücken hatte, können ein Zeichen dafür sein, dass der Körper mit dem Sport an sich und der Belastung nicht fertig wird. Gerade bei extrem großen Spielern. Ich würde es ihm natürlich wünschen, dass er vollkommen fit wird und bleibt, aber super zuversichtlich bin ich nicht.

Außerdem wird der positive Einfluss von Markelle Fultz und Ben Simmons vielleicht ein bisschen überbewertet. Rookies brauchen meistens ein paar Jahre, bis sie richtig gut werden. Deswegen sind große Sprünge junger Teams innerhalb eines Jahres kaum möglich, das sah man ja auch bei den Minnesota Timberwolves mit Karl-Anthony Towns und Andrew Wiggins. Ich würde deswegen für die Sixers auf nicht mehr als 36 Siege tippen.

SPOX: Aber immerhin haben sie ja jetzt auch Amir Johnson...

Engelmann: Naja, den bringen sie wahrscheinlich nur für 15 Minuten von der Bank. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass sie in diesen 15 Minuten gut abgehen. Aber der Frontcourt ist ja mit Simmons, Robert Covington und Dario Saric mit jungen Spielern gefüllt, denen man viele Minuten geben will. Insofern wird Johnson wahrscheinlich wie in seiner gesamten Karriere pro Minute einiges reißen, aber durch die geringe Spielzeit keinen riesigen Einfluss auf das Team haben.

SPOX: Das könnte sich natürlich ändern, falls Embiid sich verletzen sollte.

Engelmann: Dann haben die Sixers mit Johnson und Jahlil Okafor einen sehr guten und einen der schlechtesten Plus-Minus-Spieler der Liga zur Auswahl. Das wird auf jeden Fall interessant. Vielleicht lassen sie aber auch Okafor am Anfang starten, er legt gute Stats auf und die Sacramento Kings doch noch einen zukünftigen Firstrounder auf den Tisch.

Jedenfalls muss man sich bei Okafor bewusst sein, dass es Spieler gibt, die dem Team durch ihre Anwesenheit auf dem Feld tatsächlich weh tun. Natürlich spielt man mit einem solchen Spieler nicht vier gegen fünf, aber gegenüber einem Durchschnittsspieler richtet das schon Schaden an.

Das sieht man ja auch in irgendwelchen unteren Fun-Ligen: Wenn Leute z.B. ständig Dreier ballern, aber nur 15 Prozent davon treffen, kann man sich vorstellen, dass sie dem Team wirklich aktiv weh tun. Und ich glaube Okafor gehört da dazu. Wenn sie ihn irgendwie traden könnten, wäre das sicherlich positiv für die Sixers, auch wenn er ein Top-3-Pick war.

SPOX: Wer von den jungen Teams knackt also früher die 55 Siege, die Sixers oder die Timberwolves?

Engelmann: Ich denke bei beiden nicht, dass das in den nächsten vier Jahren passiert. Bei den Wolves ist die Bank weiterhin ein Problem, da fehlt es an manchen Stellen an Qualität. Neuzugang Jamal Crawford ist schon wieder so ein Volume-Scorer, der nie Defense spielt. Wenn man das langfristiger betrachtet, geht es aber auch um das Management und die Verfassung der Franchise im Allgemeinen.

Das muss man wohl bei beiden sagen: eigentlich nicht so geil. Wobei Tom Thibodeau in meinem Coach-Ranking recht weit oben ist. Und ein Bekannter von mir aus Analytics-Kreisen arbeitet inzwischen bei den Timberwolves und ich habe den Eindruck, dass er dort auch einen gewissen Einfluss hat. Jedenfalls war der Jimmy-Butler-Trade ein Home Run. Butler war in der letzten Saison lange auf Platz eins beim RPM und mit Zach LaVine wurde für ihn ein Negativ-Spieler abgegeben.

Dagegen sitzt bei den Sixers jetzt ein Manager, der Andrea Bargnani einen 50-Millionen-Dollar Vertrag gegeben hat (lacht). Deswegen habe ich da nicht die größte Zuversicht, dass sie immer wissen, was sie tun.